Entscheidungsstichwort (Thema)

Betreuungsrecht

 

Leitsatz (redaktionell)

Liegt das Vermögen über der Schongrenze des § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG, ist der Betreute gleichwohl mittellos, soweit der Einsatz oder die Verwertung des Vermögens gemäß § 88 BSHG ausscheidet. Dies ist u.a. bei einem angemessenen Hausgrundstück der Fall, das von dem Betreuten allein oder zusammen mit Angehörigen ganz oder teilweise bewohnt wird. Miteigentum genügt. Erforderlich ist jedoch, daß der Betreute das Hausgrundstück bzw. die Eigentumswohnung – zumindest auch – selbst bewohnt.

 

Normenkette

BSHG § 88 Abs. 2 Nrn. 8, 7

 

Verfahrensgang

LG Hof (Beschluss vom 18.01.1996; Aktenzeichen 2 T 6/96)

AG München (Aktenzeichen 701 XVII 8265/96)

AG Wunsiedel (Aktenzeichen XVII 279/94)

 

Tenor

Die weitere Beschwerde gegen den Beschluß des Landgerichts Hof vom 18. Januar 1996 wird zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I.

Am 7.12.1994 bestellte das Amtsgericht für die Betroffene eine Betreuerin.

Mit Schreiben vom 2.11.1995 beantragte diese Ersatz ihrer zwischenzeitlichen Aufwendungen (insgesamt 6 005,33 DM) aus der Staatskasse.

Das Amtsgericht (Rechtspfleger) lehnte den Antrag am 16.11.1995 mit der Begründung ab, die Staatskasse könne nicht in Anspruch genommen werden, da die Betroffene nicht mittellos sei.

Die als Beschwerde geltende Erinnerung der Betreuerin hat das Landgericht am 18.1.1996 zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluß wendet sich die Betreuerin mit der weiteren Beschwerde.

 

Entscheidungsgründe

II.

Das Rechtsmittel ist zulässig. Es ist insbesondere nicht durch § 1908i Abs.1 Satz 1, § 1835 Abs.4 Satz 2 BGB, § 16 Abs.2 ZSEG ausgeschlossen, da es um die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Staatskasse geht (vgl. BayObLG FamRZ 1996, 1160; BGH NJW 1997, 58).

Die weitere Beschwerde hat jedoch keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Das Amtsgericht habe den Antrag der Betreuerin auf Ersatz ihrer Aufwendungen aus der Staatskasse zu Recht abgelehnt. Die Betroffene sei nicht mittellos. Sie sei zur Hälfte Miteigentümerin einer Eigentumswohnung, die für 135 000 DM erworben worden sei. Der Miteigentumsanteil falle nicht in das Schonvermögen, da zwar der Ehemann der Betroffenen und die gemeinschaftlichen Kinder in der Wohnung lebten, jedoch nicht mehr die Betroffene selbst. Im Hinblick darauf, daß die Betroffene dem Scheidungsantrag ihres Ehemanns zugestimmt habe, sei auch nicht davon auszugehen, daß sie in die Wohnung wieder zurückkehren werde. Anhaltspunkte, die den Einsatz des betreffenden Vermögenswerts für die Aufwendungen der Betreuerin als unzumutbare Härte erscheinen ließen, seien nicht ersichtlich. Nach Auflösung der Ehe werde die Miteigentümergemeinschaft ohnehin aufgehoben werden.

2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand (§ 27 Abs.1 FGG, § 550 ZPO).

a) Macht der Betreuer zum Zwecke der Führung der Betreuung Aufwendungen, kann er von dem Betreuten nach den für den Auftrag geltenden Vorschriften der §§ 669, 670 BGB Ersatz verlangen (§ 1908i Abs.1 Satz 1, § 1835 Abs.1 Satz 1 BGB). Ist der Betreute mittellos, richtet sich der Anspruch gegen die Staatskasse (§ 1835 Abs.4 Satz 1 BGB).

Der Betreute ist mittellos, soweit ihm bei seinen wirtschaftlichen Verhältnissen nicht zugemutet werden kann, die Aufwendungen des Betreuers zu tragen. Dem Betreuten ist ungeachtet der Betreuung weiterhin eine angemessene Lebensgestaltung zu ermöglichen. Bis zu dieser Grenze hat er durch die Betreuerbestellung bedingte Einschränkungen in der bisherigen Lebensführung jedoch hinzunehmen (vgl. OLG Oldenburg FamRZ 1996, 953/955). Der entsprechende Selbstbehalt (vgl. Damrau in Damrau/Zimmermann Betreuung und Vormundschaft 2.Aufl. § 1835 BGB Rn.20; Palandt/Diederichsen BGB 56.Aufl. § 1835 Rn.16) ist nach Maßgabe der Regelungen des Bundessozialhilfegesetzes zu bestimmen (BayObLGZ 1995, 212 und 307/309; vgl. auch § 115 ZPO).

Danach ist ein Betreuter grundsätzlich mittellos, wenn sein monatliches Einkommen 1 506 DM (vgl. § 81 Abs.1 Nr.5, § 82 BSHG) bzw. sein Vermögen 8 000 DM (vgl. § 1 Abs.1 Nr.1 b der Verordnung vom 11.2.1988 zur Durchführung des § 88 Abs.2 Nr.8 des BSHG – BGBl. I S.150) nicht übersteigt. Liegt das Vermögen über dieser Schongrenze, ist der Betreute gleichwohl mittellos, soweit der Einsatz oder die Verwertung des Vermögens gemäß § 88 BSHG ausscheidet. Dies ist u.a. bei einem angemessenen Hausgrundstück der Fall, das von dem Betreuten allein oder zusammen mit Angehörigen ganz oder teilweise bewohnt wird (§ 88 Abs.2 Nr.7 BSHG; vgl. BayObLGZ 1995, 307; Knittel BtG § 1835 BGB Rn.24; MünchKomm/Wax § 115 ZPO Rn.53). Hausgrundstück in diesem Sinn ist auch eine Eigentumswohnung (vgl. BVerwG NJW 1991, 1968; MünchKomm/Wax § 115 ZPO Rn.53; Oestreicher/Schelter/Kunz BSHG § 88 Rn.14 m.w.N.; Stein/Jonas/Bork ZPO 21.Aufl. § 115 Rn.108). Miteigentum genügt (vgl. BVerwG aaO; OLG Celle Nds.Rpfl. 1996, 57; Oestreicher/ Schelter/Kunz § 88 Rn.13; Stein/Jonas/Bork § 115 Rn.107). Erforderlich ist jedoch, daß der Betreute das Hausgrundstück bzw. die Eigentumswohnung – zumindest a...

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