Leitsatz (amtlich)
1. Das Vormundschaftsgericht ist befugt und gegebenenfalls verpflichtet, aufzuzeigen, ob beabsichtigte Maßnahmen des Betreuers als pflichtwidrig zu beurteilen sind.
2. Leerstehende Räumlichkeiten, die der Betreute weder als Wohnraum noch als Geschäfts- oder Arbeitsstätte nutzt, fallen nicht in den Schutzbereich des Art. 13 Abs. 1 GG. Offen bleibt, ob sich der Betreute gegenüber dem Betreuer auf Art. 13 GG berufen kann.
Normenkette
GG Art. 13; BGB § 1837 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Bamberg (Beschluss vom 04.12.1998; Aktenzeichen 3 T 179/98) |
AG Bamberg (Beschluss vom 03.09.1998; Aktenzeichen XVII 536/97) |
Tenor
Der Beschluß des Landgerichts Bamberg vom 4. Dezember 1998 und der Beschluß des Amtsgerichts Bamberg vom 3. September 1998 werden aufgehoben.
Tatbestand
Das Amtsgericht bestellte am 14.4.1998 dem Betroffenen einen Betreuer für den Aufgabenkreis Vermögens sorge mit der Vertretung in Behörden- und Wohnungsangelegenheiten. Diesen erweiterte es am 9.6.1998 auf die Entgegennahme und das öffnen der Post. Am 24.7.1998 beantragte der Betreuer, ihm das Betreten des Anwesens des Betreuten auch gegen dessen Willen zu gestatten, um in diesem, in dem der Betreute selbst in einer Wohnung lebe, zwei leerstehende Wohnungen zusammen mit etwaigen Kauf- oder Mietinteressenten besichtigen zu können. Das Vormundschaftsgericht wies diesen Antrag mit Beschluß vom 3.9.1998 zurück. Die Beschwerde des Betreuers hiergegen wies das Landgericht am 4.12.1998 zurück. Gegen diese Entscheidung wendet sich der Betreuer mit seiner weiteren Beschwerde.
Entscheidungsgründe
II.
Das zulässige Rechtsmittel hat Erfolg.
1. Das Landgericht hat ausgeführt, die zulässige Beschwerde des Betreuers habe in der Sache keinen Erfolg. Die Kammer schließe sich der Rechtsauffassung des OLG Frankfurt (BtPrax 1996, 71) an, daß es keine Rechtsgrundlage dafür gebe, dem Betreuer gegen den Willen des Betroffenen den gewaltsamen Zutritt zu dessen Wohnung zu ermöglichen. Die von der Betreuung umfaßten Aufgabenkreise würden nicht das Recht beinhalten, entgegen dem Willen des Betroffenen (auch) gewaltsam in dessen Wohnung einzudringen. Das (zwangsweise) Betreten der Wohnung des Betreuten bedeute einen Eingriff in dessen Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung aus Art. 13 Abs. 1 GG. Hierzu bedürfe es einer dieses Grundrecht einschränkenden Ermächtigungsgrundlage. Eine solche fehle. Die Besichtigung der Räumlichkeiten durch den Betreuer und weitere Personen zum Zwecke des Verkaufes oder der (Teil-)Vermietung könne einer Durchsuchung im Sinne des Art. 13 Abs. 2 GG nicht gleichgestellt werden. Die Kammer sei nicht der Auffassung, daß Art. 13 Abs. 2 GG auch zu Eingriffen ermächtige, die keine Durchsuchung im Sinne dieser Norm darstelle. Die Einkommens- und Vermögens Situation des Betroffenen werde es auf Dauer zwar erforderlich machen, das Anwesen zu verkaufen oder zumindest teilweise zu vermieten. Hierzu sei wiederum erforderlich, daß der Betreuer mit Interessenten oder Sachverständigen das Anwesen betrete. Gleichwohl könnten die durch Art. 13 Abs. 1 und 7 GG gezogenen Grenzen des Grundrechtes aus Art. 13 Abs. 1 GG nicht durch richterliche Rechtsfortbildung, die den Bedürfnissen der betreuungsrechtlichen Praxis gerecht werde, beliebig ausgeweitet werden. Mit dem Amtsgericht gehe die Kammer auch davon aus, daß sich der Schutz der Wohnung aus Art. 13 Abs. 1 GG auf das gesamte Anwesen, in dem sich neben der vom Betroffenen innegehaltenen Wohnung noch zwei weitere, derzeit leerstehende Wohnungen befänden, erstrecke, darüber hinaus auch auf die zu dem Gebäude gehörenden Nebenräume.
2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO) nicht in allen Punkten stand.
a) Zutreffend hat das Landgericht die Entscheidung des Vormundschaftsgerichts vom 3.9.1998 als eine Verfügung im Sinn des § 19 FGG angesehen und die Zulässigkeit der gegen sie gerichteten Beschwerde angenommen. Die nach § 20 Abs. 1 FGG erforderliche Rechtsbeeinträchtigung des beschwerdeführenden Betreuers ergibt sich daraus, daß die Zurückweisung seines Antrags, die Räume des Betreuten betreten zu dürfen, sich im Ergebnis als ein entsprechendes Betretungsverbot und damit als eine Beschränkung der Betreuerbefugnisse darstellt.
b) Zutreffend ist das Landgericht in Übereinstimmung mit dem Amtsgericht davon ausgegangen, daß es dem Vormundschaftsgericht nicht an der Befugnis fehlte, über den Antrag des Betreuers zu entscheiden.
Eine Genehmigungspflicht für den Fall, daß der Betreuer die Wohnung oder ein Anwesen des Betreuten gegen dessen Willen betreten will, ist im Gesetz allerdings nicht vorgesehen. Ob eine Maßnahme im Rahmen der Betreuung erforderlich ist, hat grundsätzlich der Betreuer in eigener Verantwortung zu entscheiden, es sei denn die in Betracht kommende Maßnahme bedürfte einer vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung (vgl. insbesondere die Fälle der §§ 1904–1908 BGB). Der Betreuer führt im Rahmen seines Aufgabenkreises die Betreuung selbständig als gesetzlicher Vert...