Leitsatz (amtlich)

Die Ausbildung zur staatlich anerkannten hauswirtschaftlichen Betriebsleiterin an einer Fachakademie vermittelt besondere für die Führung einer Betreuung nutzbare Kenntnisse und ist einer abgeschlossenen Lehre vergleichbar.

 

Normenkette

BVormVG § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 1

 

Verfahrensgang

LG Nürnberg-Fürth (Aktenzeichen 13 T 1676/02)

AG Nürnberg (Aktenzeichen XVII 516/01)

 

Tenor

Die sofortige weitere Beschwerde gegen den Beschluss des LG Nürnberg-Fürth vom 17.4.2002 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Für den Betroffenen war durch Beschlüsse des AG vom 9.3.2001 und 10.5.2001 die Beteiligte als berufsmäßige vorläufige Betreuerin mit umfassendem Aufgabenkreis bestellt. Die Vergütung für die von ihr wahrgenommenen Betreuergeschäfte setzte das AG unter Zugrundelegung eines Stundensatzes von 35 DM fest.

Auf die sofortige Beschwerde der Betreuerin gegen diesen Beschluss hat das LG ihr einen Stundensatz von 45 DM zuerkannt.

Hiergegen wendet sich die Staatskasse mit der vom LG zugelassenen sofortigen weiteren Beschwerde.

II. Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Das LG hat seine Entscheidung folgendermaßen begründet:

Die Bemessung des Stundensatzes bei einem mittellosen Betreuten richte sich nach § 1 Abs. 1 BVormVG. Der Beteiligten stehe nach den in dieser Vorschrift niedergelegten Grundsätzen ein Stundensatz von 45 DM zu, weil sie für die Betreuung nutzbare Fachkenntnisse durch eine einer abgeschlossenen Lehre vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben habe. Zwar sei ihre Ausbildung zur hauswirtschaftlichen Betriebsleiterin in erster Linie auf die Leitung eines hauswirtschaftlichen Betriebes bzw. eines Betriebes der ländlichen Hauswirtschaft gerichtet. Doch seien ihr rechtliche Kenntnisse im Bereich Arbeits- und Sozialrecht sowie für die Vermögenssorge nutzbare Kenntnisse im Rahmen des Prüfungsfaches Volks- und Betriebswirtschaftslehre vermittelt worden. Die Vermittlung der wirtschaftlichen Kenntnisse, die auch das Prüfungsfach hauswirtschaftliche Betriebsführung umfassten, stellten auch einen der Kernbereiche der Ausbildung dar. Die Fächer Berufs- und Arbeitspädagogik sowie Betriebspsychologie seien ebenso für eine Betreuung nutzbar wie die Fächer Ernährungslehre und Betriebshygiene.

2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand. Der Beteiligten steht ein erhöhter Stundensatz zu.

a) Hat das VormG bei der Bestellung des Betreuers festgestellt, dass er die Betreuung berufsmäßig führt, hat es ihm für die Betreuung eine Vergütung zu bewilligen (§ 1908i Abs. 1 S. 1, § 1836 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 1 BGB). Sie errechnet sich aus der für die Betreuung aufgewandten und erforderlichen Zeit und dem zugrunde zu legenden Stundensatz (vgl. § 1 Abs. 1 S. 1 BVormVG). Dieser ist, sofern die Staatskasse in Anspruch genommen wird, vom Gesetzgeber nach der Qualifikation des Betreuers in einer typisierten dreistufigen Skala verbindlich festgelegt (§ 1 Abs. 1 BVormVG). Der Mindeststundensatz beläuft sich auf 18 Euro bzw. bis 31.12.2001 auf 35 DM (§ 1 Abs. 1 S. 1 BVormVG). Die erhöhten Stundensätze von 23 bzw. 31 Euro (bzw. bis 31.12.2001 von 45 und 60 DM) setzen voraus, dass der Betreuer über besondere Kenntnisse verfügt, die für die Führung der Betreuung nutzbar sind und die durch eine abgeschlossene Lehre bzw. eine abgeschlossene Hochschulausbildung oder durch eine jeweils vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben worden sind (§ 1 Abs. 1 S. 2 BVormVG). Besondere Kenntnisse sind Kenntnisse, die – bezogen auf ein bestimmtes Fachgebiet – über ein Grundwissen deutlich hinausgehen, wobei das Grundwissen je nach Bildungsstand bzw. Ausbildung mehr oder weniger umfangreich sein kann (vgl. BayObLGZ 1999, 339 [341] = BtPrax 2000, 81).

Für die Führung einer Betreuung nutzbar sind besondere Kenntnisse, wenn sie ihrer Art nach betreuungsrelevant sind und den Betreuer befähigen, seine Aufgaben zum Wohle des Betreuten besser und effektiver zu erfüllen und somit eine erhöhte Leistung zu erbringen. Angesichts des Wesens der Betreuung als rechtlicher Betreuung (§ 1901 Abs. 1 BGB) kommt einschlägigen rechtlichen Kenntnissen eine grundlegende Bedeutung zu. Betreuungsrelevant sind im Allgemeinen ferner Kenntnisse in den Bereichen Medizin, Psychologie, Sozialarbeit und Sozialpädagogik, Soziologie und Wirtschaft (BayObLGZ 1999, 339 [341]). In Betracht kommen auch Kenntnisse, die die zwischenmenschliche Kommunikationsfähigkeit fördern und im Verhältnis zum Betreuten soziale Kompetenz verleihen. Die Aufgabe des Betreuers, die ihm übertragenen Angelegenheiten des Betreuten rechtlich zu besorgen (§ 1901 Abs. 1 BGB), schließt, vom Gesetzgeber zum Grundsatz erhoben, mit ein, den betroffenen Menschen persönlich zu betreuen (§ 1897 Abs. 1 BGB; BT-Drucks. 11/4528 S. 53, 68; BayObLG FamRZ 1999, 463) und ihm zu ermöglichen, sein Leben im Rahmen seiner Fähigkeiten nach seinen eigenen Wünschen und Vorstellungen zu gestalten (§ 1901 Abs. 2 S. 2 BGB). Hierzu bedarf es eines möglichst engen persönlichen Kontakts (vgl. BayObLG...

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