Entscheidungsstichwort (Thema)
Eröffnung von Erbverträgen. Erbscheinsverfahren
Leitsatz (redaktionell)
1. Für die Eröffnung von Erbverträgen gelten die Vorschriften über die Eröffnung gemeinschaftlicher Testamente entsprechend. Gemäß § 2273 Abs. 1 BGB sind die Verfügungen des überlebenden Ehegatten, soweit sie sich sondern lassen, weder zu verkünden noch sonst zur Kenntnis der Beteiligten zu bringen.
2. Nach Wortlaut und Sinn der gesetzlichen Regelung ist die Eröffnung die Regel, die Geheimhaltung bei Sonderungsfähigkeit die Ausnahme.
Normenkette
BGB §§ 2273, 2300
Verfahrensgang
LG Würzburg (Beschluss vom 03.02.1989; Aktenzeichen 3 T 188/89) |
AG Gemünden am Main (Aktenzeichen VI 776/88) |
Tenor
Die weitere Beschwerde der Beteiligten gegen den Beschluß des Landgerichts Würzburg vom 3. Februar 1989 wird zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligte ist die Witwe des … 1988 im Alter von 82 Jahren verstorbenen Erblassers. Aus dieser Ehe sind zwei Söhne und eine Tochter hervorgegangen. Der Erblasser und seine Ehefrau schlossen am 6.5.1977 einen Erbvertrag, in dessen Nr. II 1 sie sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzten. Die Nr. II 2 lautet:
„Der überlebende von uns setzt unsere beiden Söhne … zu gleichen Teilen zu seinen Erben ein. Ersatzerben sind jeweils die Abkömmlinge der Schlußerben nach Stämmen zu gleichen Anteilen.”
Nr. II 3 enthält die Anordnung:
„Die beiden vorgenannten Schlußerben … erhalten als Vorausvermächtnis unser Hausgrundstück …”,
ferner eine Benutzungsregelung und andere Bestimmungen betreffend das „Vermächtnisanwesen”. In Nr. VI des Erbvertrags bestimmen die Vertragschließenden:
„Zu Ziffer II 2 wird dahin ergänzt, daß Ersatzerbe für unseren Sohn H., falls er ohne Abkömmlinge vor uns wegfallen sollte, unser Sohn R. bzw. dessen Abkömmlinge zu gleichen Stammanteilen sein sollen.”
In einem zweiten Erbvertrag vom 23.12.1980 hoben die Ehegatten den Erbvertrag vom 6.5.1977 vollinhaltlich auf (Nr. I), setzten sich erneut gegenseitig zu Alleinerben ein (Nr. II 1) und bestimmten ferner (Nr. II 2):
- „Der überlebende von uns setzt unseren Sohn H. … zu seinem Alleinerben ein. Ersatzerben sind die Abkömmlinge des Schlußerben nach Stämmen zu gleichen Teilen.
Der Schlußerbe wird mit folgendem Vermächtnis belastet:
Der Schlußerbe ist verpflichtet, an unseren Sohn R. 20 % des Schätzwertes unseres Anwesens … im Zeitpunkt des Todes des Zuletztversterbenden von uns hinauszuzahlen.
- Der überlebende von uns ordnet Testamentsvollstreckung an. Zum Testamentsvollstrecker wird unser Sohn H. ernannt.”
Der Rechtspfleger des Nachlaßgerichts hat angekündigt, daß er beide Erbverträge ihrem ganzen Inhalt nach eröffnen und allen Kindern der Vertragschließenden bekanntgeben wolle. Die Beteiligte hat hiergegen Erinnerung eingelegt und erklärt, sie wünsche, daß die in den Nrn. II 2, II 3 und VI des Erbvertrags vom 6.5.1977 sowie die in Nr. II 2 des Erbvertrags vom 23.12.1980 enthaltenen Bestimmungen nicht eröffnet würden. Der Rechtspfleger und der Richter des Nachlaßgerichts haben der Erinnerung nicht abgeholfen. Das Landgericht hat die Beschwerde durch Beschluß vom 3.2.1989 zurückgewiesen. Hiergegen hat die Beteiligte weitere Beschwerde eingelegt, zunächst durch einen ihrer Söhne zur Niederschrift des Nachlaßgerichts, später nochmals durch Schriftsatz eines Rechtsanwalts.
Entscheidungsgründe
II.
1. Die weitere Beschwerde ist zulässig. Die Beschwerdeberechtigung der Beteiligten ergibt sich bereits aus der Zurückweisung ihrer Erstbeschwerde (Jansen FGG 2. Aufl. Rn. 8, Bassenge/Herbst FGG/RPflG 4. Aufl. Anm. 3 a, jeweils zu § 27 FGG). Das Rechtsmittel ist jedoch nicht begründet.
2. Das Landgericht hat ausgeführt:
Gegen die Entscheidung des Rechtspflegers, beide Erbverträge vollinhaltlich eröffnen zu wollen, sei die unbefristete Erinnerung gegeben. Das nach Nichtabhilfe und Vorlage an das Landgericht als Beschwerde zu wertende Rechtsmittel sei zulässig, habe jedoch keinen Erfolg. Die letztwilligen Verfügungen, welche die Beteiligte in Nr. II 2, II 3 und Nr. VI des Erbvertrags vom 6.5.1977 sowie Nr. II 2 des Erbvertrags vom 23.12.1980 getroffen habe, ließen sich von denen des Erblassers nicht trennen. Diese letztwilligen Verfügungen seien nämlich im Zeitpunkt der Errichtung der Erbverträge gleichermaßen auch vom Erblasser für den Fall getroffen worden, daß er der Längerlebende sein würde. Unerheblich sei, daß die vom Erblasser für den Fall seines Überlebens getroffenen Verfügungen mit seinem Tod gegenstandslos geworden seien. Das Nachlaßgericht müsse sämtliche letztwilligen Verfügungen des Erblassers eröffnen, denn ihm sei die sachliche Prüfung nicht übertragen, welche dieser Verfügungen noch von Bedeutung seien. Das Interesse des überlebenden Ehegatten an der Geheimhaltung seiner letztwilligen Verfügungen und der Erhaltung des Familienfriedens rechtfertige keine Abweichung von der gesetzlichen Regelung. Dem Interesse des überlebenden stehe das Interesse der gesetzlichen Erben und Pflichtteilsberechtigten gegenüber, den Inhalt sämtlicher letztwilliger Ve...