Entscheidungsstichwort (Thema)

Zuwiderhandlung gegen das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz

 

Verfahrensgang

AG Kempten (Urteil vom 09.05.1990)

 

Tenor

I. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen … wird das Urteil des Amtsgerichts Kempten (Allgäu) vom 9. Mai 1990, soweit es diesen Beschwerdeführer betrifft, aufgehoben. Der Betroffene … wird freigesprochen. Die insoweit entstandenen Kosten des Verfahrens und die dem Betroffenen … entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

II. Auf die Rechtsbeschwerden des Betroffenen … und der Nebenbeteiligten wird das angefochtene Urteil, soweit es diese betrifft, samt den Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Entscheidung an einen anderen Richter der Vorinstanz zurückverwiesen.

 

Tatbestand

I.

Am 9.5.1990 verhängte das Amtsgericht Kempten (Allgäu) gegen die Betroffenen … und … wegen je zweier sachlich zusammentreffender vorsätzlicher Ordnungswidrigkeiten des Einsatzes von ohne Erlaubnis überlassenen Leiharbeitnehmern Geldbußen und zwar …

gegen … von zweimal 1.000 DM und

gegen … von 3.000 DM und 5.000 DM.

Gegen die Nebenbeteiligte, die Firma wurden Geldbußen von 1.500 DM und 3.500 DM festgesetzt.

Mit ihren Rechtsbeschwerden rügen die Betroffenen und die Nebenbeteiligte die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

 

Entscheidungsgründe

II.

1. Zur Rechtsbeschwerde des Betroffenen …

Das zulässige Rechtsmittel führt, wie schon die Staatsanwaltschaft bei dem Bayerischen Obersten Landesgericht in ihrer Stellungnahme vom 26.9.1990 zutreffend dargelegt hat, zur Aufhebung des Schuldspruchs und zum Freispruch des Betroffenen.

Voraussetzung für einen Schuldspruch wegen vorsätzlicher Zuwiderhandlung gegen Art. 1 § 16 Abs. 1 Nr. 1 a AÜG ist, daß der Verleiher Arbeitskräfte ohne Erlaubnis gewerbsmäßig einem anderen überläßt und der Entleiher, der sie einsetzt, auch hinsichtlich der Tatbestandsmerkmale „gewerbsmäßig” und „ohne Erlaubnis” zumindest mit bedingtem Vorsatz handelt.

Der Begriff gewerbsmäßig im Sinn dieser Bestimmung ist ein gewerberechtlicher und nicht etwa ein strafrechtlicher Begriff. Gewerbsmäßig wird eine Tätigkeit im Sinn des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes ausgeübt, wenn sie auf eine gewisse Dauer und auf die Erzielung (auch mittelbarer) wirtschaftlicher Vorteile gerichtet ist (vgl. hierzu BAG NJW 1979, 2636; BayObLGSt 1989, 54; OLG Düsseldorf vom 4.9.1979 Ez AÜG Nr. 59; OLG Karlsruhe NZA 1988, 616 und OLG Saarbrücken Ez AÜG Bd. 2 Nr. 102). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Die Arbeitnehmerin … wurde nach den Feststellungen des Urteils nur zweimal kurzfristig an die Firma des Betroffenen als Technische Zeichnerin überlassen, um anhand von Handskizzen Reinskizzen zu fertigen. Die Überlassung dieser Arbeitskraft erfolgte nach den im angefochtenen Urteil festgehaltenen Schreiben der Firma … vom 10.3.1987, um Aufträge hinsichtlich des Leistungsangebots dieser Firma zu erhalten, also um bei technischen Problemlösungen der Firma … mitwirken zu können. Anhaltspunkte dafür, daß die Arbeitnehmerüberlassung von der Firma … auf gewisse Dauer und zur Gewinnerzielung angelegt war, sind auch dem Gesamtinhalt der Urteilsgründe nicht zu entnehmen. Da auch in einer neuen Hauptverhandlung insoweit keine weitergehenden Erkenntnisse mehr zu erwarten sind, ist der Betroffene mit der Kostenfolge des § 467 Abs. 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG freizusprechen.

2. Zur Rechtsbeschwerde des Betroffenen …

a) Geschäftsbeziehungen mit der Firma …

Ein Schuldspruch wegen einer vorsätzlichen Zuwiderhandlung gegen Art. 1 § 16 Abs. 1 Nr. 1 a AÜG würde insoweit voraussetzen, daß der Betroffene in Kenntnis, daß die Zeugen … und … entgegen ihrem eigenen Auftreten Arbeitnehmer der Firma … waren und gewerbsmäßig von dieser Firma überlassen wurden, diese Arbeitskräfte in seinem Betrieb einsetzte oder insoweit zumindest mit bedingtem Vorsatz handelte.

Das Amtsgericht legt dar, daß zwar in den Mitarbeiterverträgen, die zwischen den Zeugen … und … und der Firma … abgeschlossen wurden, diese beiden Zeugen als selbständige Unternehmer anzusehen seien; diese Verträge seien jedoch nur als Scheinverträge zu werben; … und … seien Arbeitnehmer der Firma … gewesen.

Ob dies der Fall war, ist dem Urteil nicht zu entnehmen. Eine Arbeitnehmerüberlassung gemäß Art. 1 § 1 Abs. 1 AÜG setzt das Bestehen eines echten Arbeitsverhältnisses zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer voraus (BayObLGSt 1981, 66; 1970, 261, 264; Das Deutsche Bundesrecht VD 22 S. 12 und 13). Davon kann nur die Rede sein, wenn ein solches unabhängig vom Verleihvertrag eingegangen wurde, diesen überdauert und den Verleiher verpflichtet, den Lohn auch dann zu zahlen, wenn der Leiharbeitnehmer zeitweise nicht ausgeliehen werden kann (vgl. hierzu BSGE 31, 235, 242 f.; Nikisch Arbeitsrecht 3. Aufl. S. 244). Typisch für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses ist, daß der Arbeitgeber die arbeits-, steuer- und versicherungsrechtlichen Pflichten sowie das Arbeitgeberrisiko trägt (Art. 1 § 3 Abs. 1 Nrn. 1 bis 5 AÜG-Fortz...

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