Entscheidungsstichwort (Thema)
Testamentsauslegung
Leitsatz (redaktionell)
Nimmt der Erblasser in seinem Testament auf bestimmte Todesumstände Bezug, so kann dies eine Erbeinsetzung unter der Bedingung des Versterbens unter den bezeichneten Umständen darstellen. Der tatsächliche Wille des Erblassers ist durch Auslegung zu ermitteln.
Normenkette
BGB §§ 133, 2074
Verfahrensgang
LG Ingolstadt (Beschluss vom 06.05.1992; Aktenzeichen 1 T 1554-1558/91) |
AG Ingolstadt (Aktenzeichen VI 732/90) |
Tenor
I. Auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 9 wird der Beschluß des Landgerichts Ingolstadt vom 6. Mai 1992 aufgehoben.
II. Die Sache wird zu neuer Behandlung und Entscheidung an das Landgericht Ingolstadt zurückverwiesen.
Tatbestand
I.
Der 1990 im Alter von 79 Jahren verstorbene Erblasser war verwitwet und kinderlos. Die Beteiligte zu 8, eine Halbschwester des Erblassers, sowie die Beteiligten zu 9 bis 15, Kinder und Kindeskinder eines Bruders des Erblassers, kommen als gesetzliche Erben in Betracht. Zur Sicherung und Verwaltung des im wesentlichen aus Grundbesitz und Bankguthaben bestehenden Nachlasses sowie zur Ermittlung der Erben ist Nachlaßpflegschaft angeordnet und ein Nachlaßpfleger bestellt.
Der Erblasser und seine Ehefrau hatten, jeder für sich, aber auf einem Papierbogen, unter dem 25.4.1971 jeweils eigenhändig den anderen Ehegatten zum alleinigen Erben eingesetzt. Aufgrund ihrer letztwilligen Verfügung wurde die Ehefrau bei ihrem Tod im Jahr 1988 von dem Erblasser allein beerbt. Dieser hat ein weiteres eigenhändig geschriebenes und unterschriebenes Testament hinterlassen. Er hat dieses Testament am 11.8.1972, vor einer längeren Autofahrt mit seiner Ehefrau, im Beisein der damaligen Haushälterin des Ehepaares und einer weiteren Bekannten verfaßt. Es hat folgenden Wortlaut:
Mein Testament
Mein letzter Wille ist, daß nach meinem Ableben, meine Frau M die allein Erbin ist.
Sollte uns beiden etwas zustoßen so sind die Alleinerben meine Schwägerin mit den 6 Kindern Frau G.
G., die Beteiligte zu 1, ist die Schwägerin der Ehefrau des Erblassers. Aus ihrer Ehe mit dem Bruder der Ehefrau des Erblassers stammen 6 Kinder, die Beteiligten zu 2 bis 7.
Die Beteiligten zu 1 bis 7 haben am 4.1.1991 die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins beantragt des Inhalts, daß der Erblasser durch sie aufgrund des Testaments vom 11.8.1972 zu je 1/7 beerbt worden sei. Die Beteiligten zu 9 bis 13 sind diesem Antrag mit der Begründung entgegengetreten, das Testament habe nur für den Fall eines gleichzeitigen Versterbens des Erblassers und seiner Ehefrau infolge eines Unfalls gelten sollen. Da dieser Fall nicht eingetreten sei, sei die gesetzliche Erbfolge maßgebend. Dementsprechend hat der Beteiligte zu 9, vertreten durch seinen Pfleger, am 23.7.1991 einen Teilerbschein beantragt des Inhalts, daß der Erblasser durch ihn zu 3/20 beerbt worden sei.
Nach Durchführung von Ermittlungen und Anhörung der bei der Testamentserrichtung anwesenden Zeugen durch den Rechtspfleger hat das Nachlaßgericht Ingolstadt am 9.9.1991 einen Vorbescheid erlassen, in dem es die Erteilung eines Erbscheins an die Beteiligten zu 1 bis 7 entsprechend deren Antrag angekündigt hat. Die hiergegen gerichteten Beschwerden der Beteiligten zu 9 bis 13 hat das Landgericht mit Beschluß vom 6.5.1992 zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 9. Er ist weiterhin der Auffassung, daß gesetzliche Erbfolge eingetreten und ihm damit der beantragte Teilerbschein zu erteilen sei.
Die Beteiligten zu 1 bis 7 beantragen, das Rechtsmittel zurückzuweisen. Die Beteiligte zu 10, die zunächst ebenfalls weitere Beschwerde eingelegt hatte, hat diese zurückgenommen.
Entscheidungsgründe
II.
Die zulässige weitere Beschwerde ist begründet.
1. Das Landgericht hat ausgeführt:
Der Vorbescheid entspreche sowohl in formeller wie in materieller Hinsicht der Rechtslage. Das Verfahren des Nachlaßgerichts sei nicht zu beanstanden. Das für die Erbfolge maßgebende Testament vom 11.8.1972 bedürfe der Auslegung. Der reine Wortlaut und der Umstand, daß der Erblasser das Testament unmittelbar vor einer gemeinsamen längeren Autofahrt mit seiner Ehefrau errichtet habe, legten zwar die Annahme nahe, der Erblasser habe an eine Erbregelung für den Fall eines gleichzeitigen Todes gedacht. Jedoch sei eine Beschränkung des letzten Willens nur auf den Fall des gleichzeitigen Todes der Ehegatten nicht gewollt, da sie im Wortlaut nicht klar zum Ausdruck gebracht sei und ein gleichzeitiges Versterben zweier Personen auch praktisch höchst selten vorkomme. Die Kammer verstehe das Testament unter Würdigung seines Wortlauts, der Umstände bei seiner Errichtung sowie des späteren Verhaltens des Erblassers dahin, daß es eine letztwillige Verfügung des Erblassers zur Regelung seines Nachlasses für den Fall enthalte, daß er seine Ehefrau überlebe. Da der Erblasser mehrere Erben eingesetzt und die Erbteile nicht bestimmt habe, sei gemäß § 2091 BGB davon auszugehen, daß die sieben Erben zu ...