Leitsatz (amtlich)
Es widerspricht dem ordre public international, wenn eine Partei im Schiedsverfahren ein Urteil ergehen lässt, obwohl zuvor beide Schiedsparteien außerhalb des Schiedsverfahrens einen Streit beendenden Vergleich geschlossen haben.
Verfahrensgang
Internationales Handelsschiedsgericht der Industrie- und Handelskammer der Russischen Föderation (Beschluss vom 05.09.2002; Aktenzeichen 179/2000) |
Tenor
I. Der zwischen den Parteien am 5.9.2002 ergangene Schiedsspruch des Internationalen Handelsschiedsgerichts der Industrie- und Handelskammer der Russischen Föderation (Gz.: 179/2000) ist im Inland nicht anzuerkennen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des gerichtlichen Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 14.800 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Die Antragstellerin lieferte auf Grund des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrags vom 11.11.1999, der nachfolgend mit „Supplements” ergänzt wurde, an die Antragsgegnerin Hydraulikzylinder, über deren Bezahlung zwischen den Parteien Streit besteht. Unter Nr. 12 des Vertrags vereinbarten die Parteien eine Schiedsklausel, wonach alle Streitigkeiten vor dem Internationalen Handels-Schiedsgericht bei der Industrie- und Handelskammer Russland auszutragen sind.
Auf Grund einer mündlichen Verhandlung vom 27.5.2002, zu der die Antragsgegnerin nicht erschienen und in der sie auch nicht vertreten war, verurteilte das Schiedsgericht mit Schiedsspruch vom 5.9.2002 (Gz.: 179/2000) die Antragsgegnerin zur Zahlung einer Hauptschuldsumme von 14.522 USD, einer Konventionalstrafe von 950 USD sowie einer Kostenerstattung für die von der Antragstellerin im Voraus gezahlten Schiedsgerichtsgebühren i.H.v. 1.706 USD.
Unter Vorlage der mit einer Apostille versehenen Kopie des Schiedsspruchs nebst einer von einer vom OLG Düsseldorf allgemein ermächtigten Übersetzerin beglaubigten Übersetzung begehrt die Antragstellerin dessen Vollstreckbarerklärung.
Sie trägt vor, dass zwischen den Parteien ein den Gegenstand des Schiedsurteils betreffender Vergleich nicht zu Stande gekommen sei. Wenn ein solcher jedoch geschlossen worden wäre, hätte die Antragsgegnerin Gelegenheit gehabt, dies dem Schiedsgericht bis zum Urteilsspruch am 5.9.2002 mitzuteilen.
Der Schiedsspruch selbst könne nur durch einen beim Schiedsgericht zu stellenden, den Formvorschriften genügenden Antrag auf Aufhebung angefochten werden, was die Antragsgegnerin jedoch unterlassen habe. Nunmehr sei die Antragsgegnerin mit ihrer Einwendung, die Parteien hätten sich in dieser Sache verglichen, präkludiert.
Der von der Antragsgegnerin an sie gezahlte Betrag von 3.528 USD sei keine Zahlung auf einen Vergleich; sie könne jedenfalls die eingegangene Zahlung keinem konkreten Geschäft der Parteien zuordnen. Im Übrigen sei der den Generaldirektor der Antragstellerin vertretende Direktor nicht befugt gewesen, einen Vergleich abzuschließen.
Die Antragstellerin beantragt, den Schiedsspruch des Internationalen Handelsschiedsgerichts der Industrie- und Handelskammer der Russischen Föderation in Moskau vom 5.9.2002, durch den die Antragsgegnerin zur Zahlung der Hauptschuldsumme i.H.v. 14.422 USD, zur Zahlung einer Konventionalstrafe i.H.v. 950 USD und zur Erstattung der verauslagten Schiedsgerichtsgebühr i.H.v. 1.706 USD verurteilt worden ist mit der Maßgabe für vollstreckbar zu erklären, dass die Hauptschuldsumme auf 10.894 USD ermäßigt wird, der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen und den Beschluss für vorläufig vollstreckbar zu erklären.
Die Antragsgegnerin beantragt,
1. Es wird festgestellt, dass der Schiedsspruch im In land nicht anzuerkennen ist.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Antragsgegnerin trägt vor, dass zwischen den Parteien zur Abgeltung der Schiedsklage ein außergerichtlicher Vergleich über 3.528 USD zu Stande gekommen sei, den die Antragsgegnerin durch eine Überweisung vom 4.6.2002 erfüllt habe.
Eine Vollsteckbarerklärung des Schiedsspruchs würde gegen die öffentliche Ordnung (ordre public) verstoßen, weil die Antragstellerin trotz der Streiterledigung durch Vergleich das Schiedsurteil habe ergehen lassen, obwohl nach Abschluss und Erfüllung des Vergleichs die Antragstellerin der Antragsgegnerin zugesagt habe, die Tatsache des Vergleichsabschlusses dem Schiedsgericht mitzuteilen.
In der mündlichen Verhandlung vom 6.11.2003 hat der Senat Beweis erhoben durch Einvernahme von zwei Zeugen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das Sitzungsprotokoll sowie auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II. Der Antrag ist zulässig. Dem Schiedsspruch war jedoch die Anerkennung im Inland zu versagen.
1. Die Zuständigkeit des Senats ergibt sich aus § 1025 Abs. 4, § 1062 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 und Abs. 5 ZPO i.V.m. § 6a GZvJu. Die Antragsgegnerin hat ihren Sitz in Bayern.
2. Die formellen Antragserfordernisse des Art. IV, VII Abs. 1 UN-Übereinkommen vom 10.6.1958 über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche [UNÜ], § 1064 Abs. 1 ZPO hat die Antragstellerin mit...