Entscheidungsstichwort (Thema)
Urteil. Hauptverhandlung. Abwesenheitsverhandlung. Inbegriff. Gehör. Gehörsverstoß. Bußgeldbescheid. Zustellung. Ersatzzustellung. Zustellungsmangel. Zustellungswille. Briefkasten. Wohnort. Wohnsitz. Zeitsoldat. Einspruch. Heilung. Zugang. Abschrift. Empfangsberechtigter. Ermächtigung. Vollmacht. gesetzlich. rechtsgeschäftlich. Verjährung. Verfolgungsverjährung. Verjährungsunterbrechung. Rechtsbeschwerde. Rechtsbeschwerdeeinlegung. Rechtsbeschwerdebegründung. Frist. Einlegungsfrist. Begründungsfrist. Monatsfrist. rechtzeitig. verfristet. verspätet. Fristberechnung. Sachrüge. Verfahrensrüge. Stoßrichtung. Angriffsrichtung. Darlegungspflicht. Einstellung. Verfahrenseinstellung. Messverfahren. standardisiert. Wechselverkehrszeichen. Anbindungsrechner. Traffistar S 330. Piezo-Vorverstärker. Eichschein. gerichtskundig. Hinweis. Hinweispflicht. Heilung eines Zustellungsmangels durch Zustellung des Bußgeldbescheids an sonstigen Empfangsberechtigten
Leitsatz (amtlich)
1. Die Heilung eines Zustellungsmangels nach § 51 Abs. 1 Satz 1 OWiG i.V.m. Art. 9 BayVwZVG ist auch dann möglich, wenn eine Abschrift des zuzustellenden Dokuments nicht dem Zustellungsadressaten, sondern einem sonstigen Empfangsberechtigten zugeht.
2. Dies gilt selbst dann, wenn der Empfänger die Ermächtigung zur Empfangnahme erst nach Vornahme der fehlerhaften Zustellung erhält, sofern er das Schriftstück im Zeitpunkt der Bevollmächtigung noch in Besitz hat.
3. Soll mit der Verfahrensrüge ein Gehörsverstoß beanstandet werden, der darin gesehen wird, dass das Gericht einen Hinweis auf die beabsichtigte Verwertung gerichtsbekannter Tatsachen nicht ordnungsgemäß erteilt hat, gehört zur Zulässigkeit der Rüge ein hinreichend spezifizierter Vortrag, was der Beschwerdeführer im Falle der Anhörung geltend gemacht bzw. wie er seine Rechte wahrgenommen hätte.
Normenkette
GG Art. 103 Abs. 1; StPO § 43 Abs. 1-2, §§ 261, 344 Abs. 2 S. 2, § 345 Abs. 1 S. 1, §§ 346, 473 Abs. 1 S. 1; OWiG § 33 Abs. 1 S. 1 Nrn. 9-11, § 46 Abs. 1, § 51 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 Sätze 1, 5, § 69 Abs. 3 S. 1, § 74 Abs. 1, § 79 Abs. 3 S. 1, Abs. 4, § 80a Abs. 1; BayVwZVG Art. 3 Abs. 2, Art. 5 Abs. 6, Art. 9, 15 Abs. 2 Nr. 2; VwZG § 8; StVG §§ 24-25, 26 Abs. 3
Tenor
Gründe
I.
1. Das Amtsgericht hat den von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen entbundenen Betroffenen, der in der Hauptverhandlung vom 02.08.2021 nicht durch einen Verteidiger vertreten wurde, in dessen Abwesenheit wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 43 km/h (Tatzeit: 19.11.2020) zur Geldbuße in Höhe von 160 Euro verurteilt und gegen ihn ein Fahrverbot für die Dauer von einem Monat nach Maßgabe des § 25 Abs. 2a Satz 1 StVG verhängt. Das schriftliche Urteil wurde dem Verteidiger am 15.08.2021 zugestellt.
2. Mit Beschluss vom 20.09.2021 hat das Amtsgericht die am 17.08.2021 vom Betroffenen eingelegte Rechtsbeschwerde als unzulässig verworfen, weil es dafürhielt, dass das Rechtsmittel nicht rechtzeitig begründet worden sei. Gegen diese dem Verteidiger am 21.09.2021 zugestellte Entscheidung wendet sich der Betroffene mit dem Antrag auf Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts, der am 21.09.2021 beim Amtsgericht einging.
3. Mit seiner gegen das Urteil gerichteten, am 23.09.2021 beim Amtsgericht eingegangenen Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene die Verletzung formellen und materiellen Rechts und vertritt die Auffassung, dass einer Verurteilung der Eintritt der Verfolgungsverjährung entgegenstehe.
4. Die Generalstaatsanwaltschaft hat mit ihrer Zuleitungsschrift vom 27.12.2021 beantragt, auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen das angefochtene Urteil des Amtsgerichts aufzuheben, das Verfahren wegen Verjährung einzustellen und die Kosten des Verfahrens und notwendigen Auslagen des Betroffenen der Staatskasse aufzuerlegen.
II.
Der gemäß § 346 Abs. 2 Satz 1 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG zulässige Antrag auf Entscheidung durch das Rechtsbeschwerdegericht ist begründet. Das Amtsgericht ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Rechtsbeschwerde des Betroffenen nicht rechtzeitig begründet worden sei.
Die am 23.09.2021 eingegangene Rechtsmittelbegründung war nicht verspätet. Das schriftliche Urteil des Amtsgerichts vom 02.08.2021 ist dem Verteidiger am 15.08.2021 zugestellt worden mit der Folge, dass die Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde gemäß § 79 Abs. 4 OWiG eine Woche danach, d.h. wegen § 43 Abs. 2 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG am Montag, dem 23.08.2021, ablief. Die Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde begann gemäß § 345 Abs. 1 Satz 1 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG nach Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels und damit am 24.08.2021. Sie endete mit Ablauf des Tages, der durch seine Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonn...