Entscheidungsstichwort (Thema)

Wohnungseigentumssache: Wintergarten-Grenzanbau auf sondergenutzter Terrasse eines Reihenmittelhauses in einer atypischen Reihenhaus-Wohnanlage. Beseitigung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Sind die wohnungseigentumsrechtlichen Vorschriften über bauliche Veränderungen wirksam abbedungen, beurteilt sich ein Anspruch auf Beseitigung einer solchen (hier: eines Wintergartens) nach den allgemeinen nachbarrechtlichen Vorschriften des Privatrechts und des öffentlichen Rechts.

2. Die Ermittlung der baurechtlichen Abstandsflächen knüpft in Bayern nicht an die Grundstücksgrenze, sondern an das zu errichtende oder zu ändernde Gebäude an. Steht durch die Baugenehmigung fest, daß ein Bauvorhaben mit den Abstandsvorschriften vereinbar ist, schließt dies einen auf die Nichteinhaltung der Abstandsflächen gestützten Beseitigungsanspruch aus.

3. Weder das BGB noch das private Nachbarrecht in Bayern schreiben für die Errichtung baulicher Anlagen die Einhaltung eines bestimmten Grenzabstands vor. Im Fall einer zulässigen Grenzbebauung kann die Einhaltung fensterrechtlicher Beschränkungen verlangt werden.

 

Normenkette

WEG § 22 Abs. 1; BayBO Art. 6-7; AGBGB Art. 43

 

Verfahrensgang

LG München I (Aktenzeichen 1 T 7180/00)

AG München (Aktenzeichen 482 UR II 1106/98)

 

Tenor

I. Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluß des Landgerichts München I vom 18. August 2000 wird zurückgewiesen.

II. Die Antragsteller haben die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

III. Der Geschäftswert für das Beschwerde- und das Rechtsbeschwerdeverfahren wird unter Abänderung der Nr. III des Beschlusses des Landgerichts auf 14.000 DM festgesetzt.

 

Gründe

I.

Die Antragsteller, die Antragsgegner und die weiteren Beteiligten sind die Wohnungserbbauberechtigten in einer Anlage, die aus 24 Reihenhäusern besteht, von denen jeweils drei einen Baukörper bilden (sogenannte Dreispänner). Den Antragstellern gehört das im Aufteilungsplan mit der Nr. 13 bezeichnete Reiheneckhaus, den Antragsgegnern das angrenzende Reihenmittelhaus Nr. 14. In der Gemeinschaftsordnung (GO) vom 8.5.1985 ist bestimmt:

4.1.

Dem jeweiligen Inhaber eines jeden Wohnungserbbaurechts steht … ein Sondernutzungsrecht zu

4.1.1.

an der mit seinem Haus bebauten Grundstücksfläche und an einer Gartenfläche;

… Die Flächen gemäß Ziff. 4.1.1. … sind in den dieser Urkunde als Anlagen 2.1. bis 2.24. und Bestandteil beigefügten „Freiflächenplänen” jeweils farbig umrandet und mit der Ziffer gekennzeichnet, mit der das entsprechende Wohnungserbbaurecht bezeichnet ist.

4.8.

Jeder Wohnungserbbauberechtigte hat neben seinem Sondereigentum auch die seinem Sondernutzungsrecht unterliegenden Gebäude- und Grundstücksteile auf eigene Kosten instandzuhalten.

4.14.

Soweit nicht Vereinbarungen dieser Gemeinschaftsordnung oder zwingende gesetzliche Regelungen entgegenstehen, soll jeder Wohnungserbbauberechtigte den anderen Wohnungserbbauberechtigten gegenüber bei der Benutzung seines Hauses und der seinem Sondernutzungsrecht unterliegenden Grundstücks- und Gebäudeteile so gestellt sein, als ob die seinem Sondernutzungsrecht unterliegenden Grundstückflächen vermessene Parzellen wären.

Entsprechendes gilt für die Errichtung und Unterhaltung der Außenanlagen samt Einzäunungen und die hierfür anfallenden Kosten.

Bei der Gestaltung der Außenanlagen samt Einzäunungen soll ein einheitliches Bild der Wohnanlage gewährleistet bleiben. Die Eigentümerversammlung legt unter Beachtung öffentlich-rechtlicher Vorschriften durch Beschluß fest, welche Gestaltungsarten zulässig sind. Vor Ausführung von Außenanlagen samt Einzäunungen ist die schriftliche Zustimmung des Verwalters einzuholen; der Verwalter hat sich an den Beschluß der Versammlung zu halten.

Auf der Gartenseite (Südseite) des Dreispänners ist die Front des Mittelhauses der Antragsgegner um ca. 1,15 m zurückversetzt; die Trennmauer zwischen den Häusern bildet in diesem Bereich die Außenwand des jeweiligen Eckhauses und begrenzt die dem Mittelhaus vorgelagerte Terrasse. Von der Mitte dieser Trennmauer ausgehend brachten die Antragsteller und die Antragsgegner gemeinsam im Jahr 1986 eine hölzerne Sichtschutzwand als Abgrenzung zwischen ihren Sondernutzungsflächen an. Im Jahr 1998 entfernten die Antragsgegner die Sichtschutzwand. Sie errichteten stattdessen eine Ziegelmauer, um vor ihrem Mittelhaus einen Wintergarten zu bauen. Das Vorhaben war durch Bescheid der Baubehörde vom 29.12.1997 im vereinfachten Verfahren genehmigt worden.

Die Antragsteller haben beim Amtsgericht beantragt, die Antragsgegner zur Beseitigung der Ziegelmauer zu verpflichten. Weitere Anträge sind für das Rechtsbeschwerde verfahren nicht mehr von Bedeutung. Das Amtsgericht hat den Antrag durch Beschluß vom 30.3.2000 abgewiesen. Die sofortige Beschwerde der Antragsteller hat das Landgericht nach Beiziehung der Grundakten am 18.8.2000 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde.

II.

Das Rechtsmittel hat keinen Erfo...

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