Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 22 Abs. 1 WEG
Kommentar
1. Im vorliegenden Fall war den jeweiligen Reihenhäusern rechtswirksam ein Terrassen- und Gartensondernutzungsrecht nach entsprechenden "Freiflächenplänen" zugeordnet und u.a. in Änderung des § 22 Abs. 1 vereinbart, dass jeder Wohnungseigentümer (hier Wohnungserbbauberechtigte) hinsichtlich der Benutzung seines Hauses bzw. der seinem Sondernutzungsrecht unterliegenden Grundstücks- und Gebäudeteile "so gestellt sein solle, als ob die seinem Sondernutzungsrecht unterliegenden Grundstücksflächen vermessene Parzellen wären; Gleiches solle auch für die Errichtung und Unterhaltung der Außenanlagen und die hierfür anfallenden Kosten gelten; bei Gestaltung der Außenanlagen solle jedoch ein einheitliches Bild der Wohnanlage gewährleistet bleiben. Dabei habe die Eigentümerversammlung unter Beachtung öffentlich-rechtlicher Vorschriften durch Beschluss festzulegen, welche Gestaltungsarten zulässig seien; vor Ausführung von Außenanlagen sei die schriftliche Zustimmung des Verwalters einzuholen, wobei sich der Verwalter an Beschlüsse der Versammlung zu halten habe".
Statt einer hölzernen Sichtschutzwand als Abgrenzung zur benachbarten Sondernutzungsfläche errichteten die Antragsgegner eine Ziegelmauer, um vor ihrem Mittelhaus einen Wintergarten zu bauen; das Vorhaben wurde auch durch baubehördliche Genehmigung im vereinfachten Verfahren genehmigt.
Der von benachbarter Antragstellerseite gestellte Verpflichtungsantrag auf Beseitigung der Ziegelmauer wurde in allen 3 Instanzen zurückgewiesen.
2. Die streitgegenständliche Grenz-Ziegelmauer befindet sich entgegen der Meinung der Antragsteller innerhalb der eigenen Sondernutzungsfläche des Bauwilligen; dies ergibt sich aus der für den Umfang der Sondernutzungsrechte maßgeblichen Grundbucheintragung, die auf Teilungserklärung und Freiflächenpläne (in zeichnerischer Darstellung) Bezug nimmt (vgl. auch BayObLG, NZM 2000, 1011/1012).
3. § 22 Abs. 1 WEG (bauliche Veränderung des Gemeinschaftseigentums) ist vorliegend nicht anzuwenden, da diese gesetzliche Regelung in der Gemeinschaftsordnung abbedungen wurde und der Verwalter den antragsgegnerseits bei der Baugenehmigungsbehörde seinerzeit eingereichten Plan unterzeichnet und damit dem Bauvorhaben zugestimmt hatte.
4. Da nach Gemeinschaftsordnung die einzelnen Berechtigten so behandelt werden sollten, als liege eine Realteilung des Grundstücks vor, sind für den Beseitigungs- und Unterlassungsantrag der geplanten Errichtung eines Wintergartens nicht die wohnungseigentumsgesetzlichen, sondern die allgemeinen nachbarrechtlichen Vorschriften des Privatrechts und des öffentlichen Rechts entsprechend anzuwenden (BayObLG, ZMR 2000, 234/236; Senatsbeschlüsse vom 14.12.2000, Az.: 2Z BR 60/00 und vom 23.1.2001, Az.: 2Z BR 116/00).
Öffentlich-rechtliche Bestimmungen über die Einhaltung von Abstandsflächen (Art. 6 und 7 BayBO) haben nachbarschützenden Charakter. Ob der geplante Wintergarten ein Nebengebäude im Sinne von Art. 7 Abs. 4 BayBO darstellt, welches keine Abstandsflächen einzuhalten braucht, oder ob aufgrund von Art. 6 Abs. 1 Satz 2 BayBO im Inneren der Reihenhausgruppe ein Grenzanbau zulässig ist, kann offen bleiben. Soweit sich der Beseitigungsanspruch auf eine dem öffentlichen Recht angehörende Bauvorschrift als Schutzgesetz stützt, bestimmt sich deren Anwendungsbereich ebenfalls nach öffentlichem Recht. Dies gilt für die Frage, ob Abstandsflächen einzuhalten sind und für die Möglichkeit der Abweichung von den Vorschriften über Abstandsflächen.
Vorliegend wurde das Bauvorhaben der Antragsgegner durch Genehmigungsbescheid der Baubehörde im vereinfachten Genehmigungsverfahren gem. Art. 73 BayBO genehmigt. Das Abstandsflächenrecht ist hier nicht nur grundstücks-, sondern zunächst objektbezogen. In Art. 6 Abs. 1 Satz 1 BayBO knüpft das Gesetz für die Bemessung des Abstandes nicht an die Grundstücksgrenze oder ein bestehendes Nachbargebäude, sondern an das zu errichtende oder zu ändernde Gebäude an, vor dessen Außenwänden eine nach Breite und Tiefe zu bestimmende Fläche freizuhalten ist. Deren Ermittlung ist in Art. 6 Abs. 3ff. BayBO objektbezogen geregelt. Die Grundstücksbezogenheit des Abstandsflächenrechts wird erst bedeutsam, wenn sich die ermittelten Abstandsflächen auf andere Grundstücke erstrecken würden. Steht durch Baugenehmigung fest, dass der Bauherr nicht gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften verstoßen hat, muss dies der Nachbar gegen sich gelten lassen. Sollte der Entscheidung des Senats vom 12.9.1996 (WM 1996, 789 = NJW-RR 1997, 269) etwas anderes zu entnehmen sein, wird daran nicht festgehalten.
Gem. Art. 72 Abs. 4 BayBO wird die Baugenehmigung unbeschadet der privaten Rechte Dritter erteilt. Damit sind auch Vorschriften des privaten Nachbarrechts zu prüfen. Allerdings schreiben weder das BGB noch das Bayer. private Nachbarrecht für die Errichtung baulicher Anlagen die Einhaltung eines bestimmten Grenzabstands vor.
Die Antragsteller können allerdings die Einhaltung fensterrechtlicher Beschr...