Entscheidungsstichwort (Thema)
Abschiebungshaftsache
Leitsatz (amtlich)
Reist ein Ausländer mit Hilfe eines oder mehrerer Schleuser unter Zahlung von umgerechnet rund 9.000 DM in die Bundesrepublik Deutschland ein, so begründet der Umstand, daß er im Falle seiner Abschiebung das Geld vergeblich auf gewendet hätte, den Verdacht, daß er sich der Abschiebung entziehen will.
Normenkette
AuslG § 57 Abs. 2 S. 1 Nr. 5
Verfahrensgang
AG Nürnberg (Aktenzeichen 59 XIV 369/00) |
LG Nürnberg-Fürth (Aktenzeichen 4 T 10971/00) |
Tenor
Die sofortige weitere Beschwerde gegen den Beschluß des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 24. Januar 2001 wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Ausländerbehörde betreibt die Abschiebung des Betroffenen, eines indischen Staatsangehörigen.
Mit Beschluß vom 5.9.2000 ordnete das Amtsgericht gegen ihn zur Sicherung seiner Abschiebung mit sofortiger Wirksamkeit Abschiebungshaft bis längstens 5.12.2000 an. Dagegen wurde kein Rechtsmittel eingelegt.
Mit Beschluß vom 1.12.2000 verlängerte das Amtsgericht mit sofortiger Wirksamkeit die Abschiebungshaft bis längstens 5.3.2001.
Die vom Betroffenen hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde sowie den gleichzeitig gestellten Antrag, ihm seinen Verfahrensbevollmächtigten als Pflichtverteidiger beizuordnen, hat das Landgericht am 24.1.2001 zurückgewiesen.
Gegen diesen Beschluß wendet sich der Betroffene mit der sofortigen weiteren Beschwerde.
II.
Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
1. Das Landgericht hat ausgeführt, es sei der Haftgrund des § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AuslG gegeben, weil der Betroffene ohne Paß und ohne Visum in das Bundesgebiet eingereist sei. Daß er sich der Abschiebung nicht entziehen werde, habe der Betroffene nicht glaubhaft gemacht. Die Dauer der Abschiebungshaft sei auch nach Verlängerung verhältnismäßig, da der Betroffene die Verzögerungen, die dadurch einträten, daß die Ausländerbehörde für ihn erst Paßersatzpapiere beschaffen müsse, zu vertreten habe. Daß die Abschiebung in den nächsten drei Monaten nicht durchgeführt werden könne, stehe nicht mit Gewißheit fest.
Die Beiordnung eines Pflichtverteidigers, wie sie der Betroffene beantragt habe, komme nicht in Betracht, weil die Vorschriften der Strafprozeßordnung im vorliegenden Verfahren unanwendbar seien. Nach den Vorschriften des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit könne ein Verfahrenspfleger dem Betroffenen nicht beigeordnet werden, weil diese Bestimmungen für die Anordnung der Abschiebungshaft nicht gelten würden. Die Beiordnung des Verfahrensbevollmächtigten im Rahmen der Prozeßkostenhilfe sei vom Betroffenen nicht ausdrücklich beantragt worden. Auch fehlte diesbezüglich die Erfolgsaussicht des Rechtsmittels.
2. Dies hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand (§ 103 Abs. 2 Satz 1 AuslG, § 3 Satz 2 FreihEntzG, § 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO).
a) Der Senat versteht den Einwand des Betroffenen, das Landgericht habe die Beiordnung seines Verfahrensbevollmächtigten zu Unrecht abgelehnt, nicht als selbständige Beschwerde, sondern als Rüge eines Verfahrensfehlers. Diese greift nicht durch.
Um dem Gebot fairer Verfahrensführung (vgl. BVerfG NJW 1986, 767/711) in Abschiebungshaftsachen gebührend Rechnung zu tragen, bedarf es keiner analogen Anwendung des § 140 Abs. 2 StPO. Entsprechender Schutz wird bereits durch das Rechtsinstitut der Prozeßkostenhilfe gewährt (§ 103 Abs. 2 Satz 1 AUSlG, § 3 Satz 2 FreihEntzG, § 14 FGG i.V.m. §§ 114 ff. ZPO). Dieses sieht gemäß § 121 Abs. 2 ZPO die Beiordnung eines Rechtsanwalts vor, wenn die Vertretung durch einen solchen erforderlich erscheint. Einen Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe hat der Betroffene jedoch nicht gestellt.
Ob bzw. unter welchen Voraussetzungen dem Betroffenen eines Abschiebungshaftverfahrens ein Verfahrenspfleger zu bestellen ist, kann dahinstehen, weil der Betroffene hier in der Person seines Verfahrensbevollmächtigten bereits von einem Rechtsanwalt vertreten wurde (vgl. § 5 Abs. 2 Satz 2 FreihEntzG; § 70b Abs. 3 FGG).
b) Ob der Haftgrund des § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AUSlG, auf den das Landgericht abstellt, vorliegt, kann dahinstehen. Läge nur dieser Haftgrund vor, müßte die sofortige weitere Beschwerde gemäß § 28 Abs. 2 Satz 1 FGG dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt werden. Die Oberlandesgerichte Düsseldorf (Report 2000, 107 = NVwZ Beilage 2000, 47) und Karlsruhe (NVwZ Beilage 2000, 111) sind nämlich, anders als der Senat, der Auffassung, daß die Abschiebungshaft im Lichte der Bestimmung des § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 AsylVfG nur dann aufrechterhalten werden könne, wenn sich der Ausländer länger als einen Monat unerlaubt im Bundesgebiet aufgehalten habe. Nach dieser Auffassung könnte auf den genannten Haftgrund nicht zurückgegriffen werden, weil der Betroffene, wie das Landgericht festgestellt hat, am 21.8.2000 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 15.9.2000 aus der Abschiebungshaft heraus einen Asylantrag gestellt hat.
c) Es ist jedenfalls der Haftgrund des § 57 Abs. 2...