Tenor
Auf eine Kündigung wegen Eigenbedarfs gemäß § 564b Abs. 2 Nr. 2 BGB, die dem Mieter vor dem 1. Mai 1993 wirksam zugegangen ist, ist Satz 2 Nr. 1 des Gesetzes über eine Sozialklausel in Gebieten mit gefährdeter Wohnungsversorgung (Art. 14 des Investitionserleichterungs- und Wohnbaulandgesetzes) nicht anzuwenden.
Gründe
I.
Der Beklagte ist seit 1981 Mieter einer Wohnung in einem Mehrfamilienhaus, das auf einem Grundstück in München errichtet ist. Mit Erklärung vom 29.10.1985 teilte die damalige Grundstückseigentümerin, eine Bauträger- und Grundstücksgesellschaft, das Eigentum an dem Grundstück gemäß § 8 WEG in 13 Wohnungs- und Teileigentumseinheiten auf. Das Wohnungsgrundbuch wurde am 19.2.1986 angelegt. Mit Vertrag vom 12.7.1988 kaufte der Kläger von der Gesellschaft die an den Beklagten vermietete Wohnung. Am 17.4.1989 wurde er als Eigentümer in das Wohnungsgrundbuch eingetragen.
Der Kläger hat das auf unbestimmte Zeit eingegangene Mietverhältnis mit Schreiben vom 7.5.1992 zum 30.6.1993 gekündigt. Er macht Eigenbedarf geltend, weil er mit seiner Ehefrau in die Wohnung einziehen möchte. Der Beklagte bestreitet den Eigenbedarf und hält im übrigen die Kündigung im Hinblick auf Art. 14 des Investitionserleichterungs- und Wohnbaulandgesetzes vom 22.4.1993 für unwirksam. Außerdem macht er geltend, die Kündigung bedeute für ihn wegen seiner körperlichen Behinderungen eine besondere Härte.
Auf die Klage vom 12.7.1993 hat das Amtsgericht den Beklagten zur Räumung und Herausgabe der Wohnung verurteilt. Es hält das erwähnte Gesetz nicht für anwendbar, da es erst am 1.5.1993 in Kraft getreten sei und auf eine bereits ausgesprochene Kündigung nicht zurückwirke. Der Eigenbedarf sei nachgewiesen, Härtegründe im Sinn des § 556a BGB bestünden nicht in ausreichendem Maß. Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Beklagten. Das Landgericht hat wegen grundsätzlicher Bedeutung folgende Frage zum Rechtsentscheid vorgelegt:
Ist auf eine am 7.5.1992 ausgesprochene, zum 30.6.1993 wirksam werdende Kündigung wegen Eigenbedarfs an einer nach Überlassung an den Mieter gemäß § 8 WEG aufgeteilten und dann veräußerten Eigentumswohnung die zehnjährige Sperrfrist des Art. 14 des Investitionserleichterungs- und Wohnbaulandgesetzes vom 22.4.1993 in dem nach Inkrafttreten des Gesetzes anhängig gemachten Räumungsprozeß anzuwenden?
Es hält die Berufung für unbegründet, wenn nicht der Kündigung die zehnjährige Sperrfrist gemäß Satz 2 Nr. 1 der erwähnten gesetzlichen Regelung entgegensteht. Es will jedoch diese Regelung im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Rückwirkungsproblematik nur auf solche Fallgestaltungen anwenden, bei denen die Kündigungserklärung nach dem Inkrafttreten des Gesetzes am 1.5.1993 zugegangen ist.
II.
1. Die Vorlage, über die das Bayerische Oberste Landesgericht zu entscheiden hat (BayObLGZ 1991, 348/350, ständige Rechtsprechung), ist statthaft (§ 541 Abs. 1 Satz 1 ZPO, vgl. BayObLGZ 1989, 319/321) und auch im übrigen zulässig.
a) Die vorgelegte Rechtsfrage betrifft den Bestand eines Mietvertragsverhältnisses über Wohnraum und ist entscheidungserheblich.
aa) Bei der Prüfung der Entscheidungserheblichkeit, die nach einhelliger Auffassung Voraussetzung eines Rechtsentscheids ist, sind grundsätzlich die im Vorlagebeschluß vertretene Rechtsauffassung und die ihm durch das Landgericht zugrunde gelegte Tatsachenfeststellung und -würdigung maßgebend, es sei denn, sie wären unhaltbar. Allerdings muß die Entscheidungserheblichkeit durch das vorlegende Gericht nachvollziehbar dargelegt sein (BayObLGZ 1993, 160/161; ständige Rechtsprechung des Senats).
bb) Für die Entscheidung über die Berufung des Beklagten kommt es darauf an, ob die wegen Eigenbedarfs ausgesprochene Kündigung des Klägers von der Kündigungsbeschränkung des Satzes 2 Nr. 1 des Gesetzes über eine Sozialklausel in Gebieten mit gefährdeter Wohnungsversorgung (Art. 14 des Investitionserleichterungs- und Wohnbaulandgesetzes vom 22.4.1993, BGBl. I S. 466; im folgenden Sozialklauselgesetz – SozklG) erfaßt wird. Wird dies bejaht, so ist der Rechtsstreit ohne weiteres zur Entscheidung reif, weil die Kündigung dann keine Wirksamkeit entfalten kann. Anderenfalls ist nach den nachvollziehbaren, jedenfalls vertretbaren und für den Senat maßgebenden Darlegungen des Landgerichts die Berufung zurückzuweisen, sofern nicht Satz 2 Nr. 2 des Sozialklauselgesetzes eingreift (vgl. dazu unten cc [2]).
cc) Das Landgericht hat die Entscheidungserheblichkeit hinreichend dargelegt.
(1) Es hat sich allerdings nur andeutungsweise damit auseinandergesetzt, daß die Anwendbarkeit des Sozialklauselgesetzes im vorliegenden Fall nicht nur im Hinblick auf den Zeitpunkt der Kündigungserklärung, sondern auch im Hinblick auf den Zeitpunkt des Erwerbs der Wohnung durch den Kläger im Jahr 1989 zweifelhaft ist. In der Literatur wird von zahlreichen Autoren die Meinung vertreten, daß das Gesetz nicht anzuwenden ist, wenn der Vermieter das Wohnungseigentum vor dem Inkrafttreten des Gesetzes am 1.5.1993 oder vo...