Entscheidungsstichwort (Thema)
Feststellung der Vaterschaft. Vormundschaftsverfahren. Zuständigkeitsprüfung im Verfahren der weiteren Beschwerde. Geschwistergerichtsstand im Vaterschaftsfeststellungsverfahren. Nichteinholung eines Abstammungsgutachtens
Leitsatz (amtlich)
1. Im Verfahren der weiteren Beschwerde ist von Amts wegen auch die örtliche Zuständigkeit des Erstgerichts zu prüfen.
2. Der Geschwistergerichtsstand (§ 36 Abs. 1 Satz 2 FGG) ist bei anderen Verrichtungen des Vormundschaftsgerichts (§ 43 FGG) gegeben, wenn die Verrichtung alle Geschwister betrifft, in einem Verfahren zur Feststellung der Vaterschaft also jedenfalls dann, wenn die Antragsteller dieselbe Mutter haben und denselben Mann als ihren Vater festgestellt haben wollen.
3. Auch nach § 1600d BGB n.F. kommt es primär auf die Feststellung der biologischen Vaterschaft an. Die Vermutung des § 1600d Abs. 2, 3 BGB n.F. kommt, wie bisher, erst dann zum Zuge, wenn sich die biologische Vaterschaft nach Erschöpfung der zur Verfügung stehenden Beweismittel nicht zweifelsfrei feststellen läßt. ./.
4. Verletzung der Amtsermittlungspflicht im Vaterschaftsfeststellungsverfahren durch Nichteinholung eines medizinischen Abstammungsgutachtens.
Normenkette
BGB § 1600n; BGB a.F. § 1600o; BGB § 1600d; BGB n.F. § 1600e; EGBGB Art. 224 § 1 Abs. 1; KindRG Art. 15 § 1; ZPO § 640; FGG § 36 Abs. 1 S. 2, § 43
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Beschluss vom 30.07.1998; Aktenzeichen 13 T 1808/98) |
AG Erlangen (Beschluss vom 05.02.1998; Aktenzeichen X 26-31/97) |
Tenor
Auf die weiteren Beschwerden der Beteiligten zu 1 und 2 werden der Beschluß des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 30. Juli 1998 und der Beschluß des Amtsgerichts Erlangen vom 5. Februar 1998 aufgehoben. Die Sache wird zu anderer Behandlung und neuer Entscheidung an das Amtsgericht Erlangen zurückverwiesen.
Gründe
Die sechs Antragsteller sind die nichtehelichen Kinder der Beteiligten zu 3; das jüngste ist jetzt 34, das älteste 46 Jahre alt. Die Beteiligte zu 3 ist die jüngere Schwester der Beteiligten zu 2. Diese war seit 1941 mit dem 1995 verstorbenen G. verheiratet. Der jetzt 52-jährige Beteiligte zu 1 stammt aus dieser Ehe.
Die Antragsteller begehren die Feststellung, daß der verstorbene G. ihr Vater gewesen sei. Anlaß hierfür war, daß der Beteiligte zu 1 in einem Rechtsstreit, in dem die Antragsteller gegen ihn Erbersatzansprüche geltend machen, die Abstammung der Antragsteller von dem Verstorbenen bestritt. Die Antragsteller bringen vor, allein der Verstorbene habe während der jeweiligen Empfängniszeiten der Beteiligten zu 3 beigewohnt. Er habe auch zu notarieller Urkunde vom 15.1.1976 die Vaterschaft anerkannt. Das Vaterschaftsanerkenntnis sei allerdings unwirksam, da die erforderliche Zustimmung der Antragsteller nicht erklärt worden sei. Der Verstorbene habe aber mit der Beteiligten zu 3 und den Antragstellern insbesondere seit 1976 in einem gemeinsamen Haushalt gelebt, freilich ohne die mit der Kanzlei verbundene Ehewohnung aufzugeben.
Das Vormundschaftsgericht hat die Beteiligte zu 3 als Zeugin vernommen und die Antragsteller zu 1 und 4 persönlich angehört. Ohne weitere Beweiserhebung hat es mit Beschluß vom 5.2.1998 die beantragte Feststellung getroffen.
Die von den Beteiligten zu 1 und 2 eingelegten sofortigen Beschwerden hat das Landgericht mit Beschluß vom 30.7.1998 zurückgewiesen.
Gegen diesen Beschluß haben der Beteiligte zu 1 zu Protokoll der Geschäftsstelle des Landgerichts, die Beteiligte zu 2 mit Anwaltsschriftsatz weitere Beschwerden eingelegt.
Der Beteiligte zu 1 rügt unter anderen Verfahrensmängeln insbesondere die Unzuständigkeit des Amtsgerichts Erlangen hinsichtlich der Antragsteller zu 2 bis 6, eine fehlerhafte Beweiswürdigung und – ebenso wie die Beteiligte zu 2 – eine ungenügende Sachaufklärung; es habe der Erholung eines Abstammungsgutachtens bedurft.
II.
1. Die weiteren Beschwerden sind zulässig.
a) Nach dem zur Zeit der Einleitung dieses Verfahrens geltenden § 1600n Abs. 2 BGB war für die Vaterschaftsfeststellung nach dem Tod des als Erzeuger in Anspruch genommenen Mannes das Vormundschaftsgericht zuständig.
Nunmehr ist dafür nach dem seit 1.7.1998 geltenden § 1600e Abs. 2 BGB i.d.F. des KindRG das Familiengericht zuständig (§ 621 Abs. 1 Nr. 10 ZPO i.d.F. des KindRG).
In einem Verfahren nach § 621 Abs. 1 Nr. 10 ZPO n.F. sind aber für die Zulässigkeit von Rechtsmitteln und die Zuständigkeit für die Verhandlung und Entscheidung über die Rechtsmittel weiterhin die bis zum 1.7.1998 maßgeblichen Vorschriften anzuwenden, wenn die erstinstanzliche Entscheidung vor dem 1.7.1998 zugestellt oder bekannt gemacht worden ist (Art. 15 § 1 Abs. 2 Satz 1 und 2 KindRG), wie hier; der Beschluß des Vormundschaftsgerichts vom 5.2.1998 wurde den Antragstellern und den Beteiligten am 13.2.1998 zugestellt.
b) Nach den grundsätzlich nur bis 1.7.1998 geltenden, vorliegendenfalls aber weiterhin anzuwendenden Vorschriften war gegen den Beschluß des Vormundschaftsgerichts die sofortige Beschwerde gegeben (§ 55b Abs. 2, ...