Tatbestand
Das Amtsgericht verurteilte den Angeklagten am 22.7.1998 wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln zur Freiheitsstrafe von zehn Monaten. Hiergegen legten sowohl der Angeklagte wie auch die Staatsanwaltschaft, jeweils beschränkt auf den Rechtsfolgenausspruch, Berufung ein. Das Landgericht verwarf die Berufungen am 23.11.1998 als unbegründet.
Mit seiner Revision beanstandete der Angeklagte das Verfahren und rügte die Verletzung des materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hatte Erfolg.
Entscheidungsgründe
Die Beschränkung der Berufungen auf den Strafausspruch war wirksam.
1. Das Revisionsgericht prüft von Amts wegen, ob das Berufungsgericht in Verkennung der durch eine wirksame Berufungsbeschränkung eingetretenen Bindungswirkung über einen Aspekt der Schuldfrage abweichend entschieden hat (vgl. hierzu Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 43. Aufl. § 327 Rn. 9). Das ist hier der Fall.
1.1. Das Amtsgericht hat festgestellt, daß der Angeklagte zur Tatzeit rauschgiftabhängig war. Demgegenüber kam das Landgericht zu dem Ergebnis, eine Betäubungsmittelabhängigkeit liege beim Angeklagten nicht vor. Damit hat das Landgericht die sich aus der wirksamen Beschränkung der Berufungen auf den Rechtsfolgenausspruch ergebende Bindungswirkung nicht beachtet. Es legt damit seiner Entscheidung über den Rechtsfolgenausspruch eine Feststellung zugrunde, die im Widerspruch zu den den Schuldspruch tragenden Feststellungen des Amtsgerichts steht.
1.2. Bei einer Strafmaßberufung darf das Berufungsgericht die Sachdarstellung des Ersturteils ergänzen; die ergänzenden Feststellungen dürfen allerdings den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen nicht widersprechen, da die für den Schuld- und Strafausspruch maßgebenden Tatsachen ein einheitliches, widerspruchsfreies Ganzes bilden müssen (Kleinknecht/Meyer-Goßner § 327 Rn. 6 m. w. N.).
Inwieweit durch das Berufungsgericht neue Feststellungen getroffen werden können, die über die des erstinstanziellen und teilweise bereits rechtskräftig gewordenen Urteils hinausgehen, ist eine Frage des Einzelfalles (BGH NStZ 1981, 448). Bei einer auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Berufung sind vor allem jene Umstände der Sachverhaltsdarstellung bindend, in denen die gesetzlichen Merkmale der dem Angeklagten zur Last gelegten Straftaten gefunden wurden (BGHSt 30, 340/343).
Zum Schuldspruch gehören aber nicht nur Tatumstände, die die gesetzlichen Merkmale der dem Angeklagten zur Last gelegten Tat ausfüllen. Vielmehr nehmen auch jene Teile der Sachverhaltsschilderung bei einer Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch an der Bindungswirkung teil, die das Tatgeschehen im Sinne eines geschichtlichen Vorgangs näher beschreiben (BGHSt 30, 340/344 m. w. N.). Zu diesen Umständen, die beim unerlaubten Erwerb von Betäubungsmitteln zum Eigenverbrauch der Tatausführung ein entscheidendes Gepräge geben, zählen auch die suchtbedingten Gesichtspunkte, die das Leben des Täters und dessen Person kennzeichnen. Stellt das Erstgericht somit fest, der Angeklagte sei zur Tatzeit rauschgiftabhängig gewesen, so ist das Berufungsgericht bei einer Beschränkung der Berufungen an diese Feststellung gebunden. Hiergegen hat das Landgericht verstoßen. Auf diesem Verstoß gegen die Bindungswirkung kann die Strafbemessung beruhen.
2. Darüberhinaus kann der Rechtsfolgenausspruch aufgrund der durch die Sachrüge gebotenen Überprüfung des Urteils auch deshalb nicht bestehen bleiben, weil das Landgericht zum Nachteil des Angeklagten berücksichtigt hat, daß es sich bei Heroin um eine harte Droge handelt. Insoweit entspricht es der ständigen Rechtsprechung, daß die Gefährlichkeit einer Droge einem Angeklagten dann nicht angelastet werden darf, wenn er das Betäubungsmittel nur zum Eigenverbrauch erworben oder besessen hat, weil bei einem bestimmungsgemäßen Gebrauch nur eine Selbstbeschädigung in Betracht kommt (BayObLG StV 1993, 29; KG StV 1998, 427; Körner BtMG 4. Aufl. § 29 Rn. 846).
Für das weitere Verfahren wird bemerkt:
1. Hat ein Angeklagter eine längere Drogenkarriere und mehrere erfolglose Entziehungskuren hinter sich, so bedarf es zur Beantwortung der Frage, ob die Schuldfähigkeit zur Tatzeit erheblich eingeschränkt war, einer eingehenden Prüfung, ob ein Sachverständiger hinzuzuziehen ist oder ob die - näher dazulegende - eigene Sachkunde der Strafkammer ausreicht (ständige Rechtsprechung, vgl. hierzu Körner § 29 Rn. 288).
2. Das Berufungsurteil ist bei einer auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Berufung unabhängig von einer durch das Erstgericht bindend festgestellten Betäubungsmittelabhängigkeit nicht auch an dessen Wertung gebunden, der Angeklagte sei zur Tatzeit in seiner Schuldfähigkeit erheblich beeinträchtigt gewesen. Die Frage des Vorliegens der Voraussetzungen des § 21 StGB ist vom Berufungsgericht als Teil der Straffrage selbständig zu beurteilen.
Fundstellen
Haufe-Index 2993778 |
NStZ 1999, 275 |
NStZ 2000, 275 |
NStZ-RR 1999, 275 |
BayObLGSt 1999, 83 |