Leitsatz (amtlich)

Die Notwendigkeit der persönlichen Anhörung des Betroffenen im Rahmen der voraussichtlich wiederholten turnusmäßigen Überprüfung der Voraussetzungen der Betreuung und der Unterbringung können einen wichtigen Grund für die Abgabe des Betreuungsverfahrens an das Vormundschaftsgericht darstellen, in dessen Bezirk der Betroffene nicht nur vorübergehend untergebracht ist.

 

Normenkette

FGG §§ 65a, 46

 

Verfahrensgang

AG Dachau (Aktenzeichen 2 AR 18/99)

AG Freising (Aktenzeichen XVII 0108/92)

 

Tenor

Die Abgabe des Betreuungsverfahrens an das Amtsgericht Dachau ist gerechtfertigt.

 

Tatbestand

I.

Das Amtsgericht Freising führt für die Betroffene seit 1961 ein Pflegschafts- bzw. nunmehr Betreuungsverfahren, das es jetzt an das zur Übernahme bereite Amtsgericht Dachau abgeben will. Da der Betreuer dem entgegentritt, hat das Amtsgericht Freising den Vorgang dem Bayerischen Obersten Landesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

 

Entscheidungsgründe

II.

Das Bayerische Oberste Landesgericht ist zur Entscheidung des Abgabestreits berufen (§ 65a Abs. 1 Satz 1, § 46 Abs. 2 Satz 1, § 199 Abs. 2 Satz 2 FGG, Art. 11 Abs. 3 Nr. 1 AGGVG; BayObLGZ 1989, 1).

Gemäß den für die Abgabe eines Betreuungsverfahrens maßgebenden Grundsätzen (§§ 65a, 46 FGG, vgl. BayObLGZ 1996, 274/276; 1998, 1/2) hält der Senat den vom Amtsgericht Freising angestrebten Zuständigkeitswechsel für zweckmäßig und damit gerechtfertigt.

Das Amtsgericht Freising hat ausgeführt, die Betroffene sei seit 24.7.1995 in dem Pflegeheim untergebracht und habe damit ihren dauerhaften Aufenthalt im Bezirk des Amtsgerichts Dachau. Die im Rahmen der turnusmäßigen Überprüfung der Voraussetzungen der Betreuung und der Unterbringung notwendigen persönlichen Anhörungen der Betroffenen würden durch die Abgabe des Verfahrens wesentlich erleichtert. Die persönlichen Interessen des Betreuers hätten dahinter zurückzustehen. Seinem Einwand, er habe immer wieder in Freising zu tun, so daß er die Angelegenheiten für die Betreute persönlich mit dem Amtsgericht Freising bzw. dem Betreuungsamt Freising erledigen könne, sei entgegenzuhalten, daß aus den Akten in den letzten Jahren keine mehrfachen persönlichen Vorsprachen des Betreuers beim Amtsgericht Freising ersichtlich seien.

Der Senat schließt sich diesen Ausführungen an. Unabhängig davon, ob die Betroffene aufgrund der bereits mehrere Jahre dauernden Unterbringung in dem Pflegeheim dort inzwischen ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne des § 65a Abs. 1 Satz 2 FGG hat (vgl. hierzu BayObLG FamRZ 1997, 1363 [LS]; OLG Karlsruhe FamRZ 1996, 1341), stellt bereits der Umstand, daß die weiterhin erforderlichen – voraussichtlich wiederholten – persönlichen Anhörungen der Betroffenen rationeller vom Amtsgericht Dachau durchgeführt werden können, einen die Verfahrensabgabe rechtfertigenden wichtigen Grund im Sinne von § 65a Abs. 1 Satz 1, § 46 Abs. 1 Satz 1 FGG dar (vgl. OLG Brandenburg FamRZ 1998, 109 [LS]; OLG Stuttgart BtPrax 1996, 191). Nach Lage der Dinge ist nicht damit zu rechnen, daß die Betroffene das Pflegeheim in absehbarer Zeit verlassen wird. Wesentliche Belange des Betreuers stehen dem Zuständigkeitswechsel nicht entgegen (vgl. hierzu OLG Köln FamRZ 1998, 840 [LS]). Persönliche Vorsprachen des Betreuers beim Vormundschaftsgericht erscheinen zur Führung der verfahrensgegenständlichen Betreuung nicht erforderlich. So haben solche nach Aktenlage bisher auch nur am 11.2.1988, am 6.4.1995 und am 28.8.1995 stattgefunden. Davon abgesehen liegt Dachau dem Wohnort des Betreuers entfernungsmäßig näher als Freising und außerdem praktisch auf der Strecke zum Pflegeheim der Betroffenen, die der Betreuer ohnehin regelmäßig besucht (siehe Bl. 170 a). Anhaltspunkte dafür, daß durch die Abgabe des Verfahrens Interessen der Betroffenen beeinträchtigt werden könnten, sind nicht ersichtlich.

 

Unterschriften

Karmasin, Dr. Plößl, Dr. Schreieder

 

Fundstellen

Haufe-Index 1076903

FamRZ 1999, 1594

BayObLGR 1999, 61

NJWE-FER 1999, 305

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