Leitsatz (amtlich)
1. Für die Frage, ob und gegebenenfalls welche Verfügungen das Gericht vor einer an sich aus wichtigem Grund gebotenen Abgabe zu treffen hat, sind in erster Linie Zweckmäßigkeitserwägungen maßgebend.
2. Kommt eine Abgabe in Betracht, weil der Betroffene in ein Pflegeheim aufgenommen wird, kann es zweckmäßig sein, daß über die Verlängerung der Betreuung das übernehmende Gericht entscheidet, wenn die Verlängerung naheliegt, aber die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen sind.
Normenkette
FGG § 65a
Verfahrensgang
AG München (Aktenzeichen 709 XVII 3725/93) |
AG Amberg (Aktenzeichen AR 98/96) |
Tenor
Die Abgabe des Betreuungsverfahrens an das Amtsgericht Amberg ist gerechtfertigt.
Tatbestand
I.
Das Amtsgericht München führt für die Betroffene ein Betreuungsverfahren. Es will dieses an das Amtsgericht Amberg abgeben, weil die Betroffene seit Anfang Mai 1996 in einem im Bezirk dieses Gerichts gelegenen Pflegeheim aufgenommen ist. Die Betroffene und ihr Betreuer haben der beabsichtigten Abgabe nicht widersprochen. Das Amtsgericht Amberg hat die Übernahme abgelehnt, weil mit Beschluß vom 11.7.1994 der 7.7.1996 als spätester Zeitpunkt für die Überprüfung festgelegt worden sei, ob die Betreuung aufzuheben oder zu verlängern sei. Es hat sich zur Übernahme für den Fall bereit erklärt, daß diese Überprüfung durchgeführt und der entsprechende Beschluß vom Amtsgericht München erlassen sei.
Das Amtsgericht München hat die Sache dem Bayerischen Obersten Landesgericht zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.
Entscheidungsgründe
II.
1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist zur Entscheidung zuständig, weil die beteiligten Amtsgerichte in verschiedenen bayerischen Landgerichtsbezirken liegen (§ 65a Abs. 1 Satz 1, § 46 Abs. 2 Satz 1, § 199 Abs. 2 Satz 2 FGG, Art. 11 Abs. 3 Nr. 1 AGGVG; vgl. BayObLGZ 1989, 1; BayObLG FamRZ 1993, 448).
2. Das Vormundschaftsgericht kann eine Betreuungssache aus wichtigen Gründen an ein anderes Vormundschaftsgericht abgeben, wenn dieses sich zur Übernahme bereit erklärt, der Betreute Gelegenheit zur Äußerung hatte und der Betreuer zustimmt (§ 65a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, § 46 Abs. 1 Satz 1 FGG; vgl. Keidel/Kuntze FGG 13. Aufl. § 65a Rn. 2 ff.). Einigen sich die Gerichte nicht, widerspricht der Betreute oder verweigert der Betreuer seine Zustimmung, so entscheidet das für den Abgabestreit zuständige Gericht (§ 65a Abs. 2 Satz 2, § 46 Abs. 2 Satz 1 FGG).
Für das Vorliegen eines wichtigen Grundes zur Abgabe sind Zweckmäßigkeitserwägungen maßgebend. Es kommt auf die gesamten Umstände an. Als wichtiger Grund ist es in der Regel anzusehen, wenn sich der gewöhnliche Aufenthalt des Betreuten geändert hat und die Aufgaben des Betreuers im wesentlichen am neuen Aufenthaltsort zu erfüllen sind (§ 65a Abs. 1 Satz 2 FGG). Entscheidend ist, ob das um die Übernahme angegangene Gericht das Verfahren voraussichtlich leichter und zweckmäßiger zum Wohl des Betreuten führen kann als das abgebende Gericht. Es sind aber auch die Interessen des Betreuers an der Erleichterung seiner Amtsführung in Betracht zu ziehen, soweit dadurch die Belange des Betreuten nicht beeinträchtigt werden. Ebenso kann auch das Interesse des Vormundschaftsgerichts an einer für den Betreuten vorteilhafteren Erfüllung der ihm obliegenden Aufgaben mitbestimmend sein (ständige Rechtsprechung; vgl. BayObLGZ 1988, 236/237 m.w.N.).
3. Danach ist hier die Abgabe des Betreuungsverfahrens an das Amtsgericht Amberg gerechtfertigt.
Die Betroffene lebt nunmehr in einem Pflegeheim im Zuständigkeitsbereich dieses Gerichts. Das Verfahren kann deshalb zweckmäßiger vom Amtsgericht Amberg geführt werden.
Die vom Amtsgericht Amberg geltend gemachten Gründe stehen im vorliegenden Fall der Abgabe nicht entgegen.
Nach der Rechtsprechung des Senats hat das abgebende Gericht allerdings vor einer Abgabe grundsätzlich alle Verfügungen zu treffen, die im Zeitpunkt der Abgabe von Amts wegen oder auf Antrag ergehen müssen (BayObLGZ 1992, 268/270; BayObLG FamRZ 1994, 1189). Dieser Grundsatz beruht auf der Überlegung, daß anstehende Entscheidungen leichter, schneller und zweckmäßiger von dem Gericht getroffen werden können, das mit der Sache vertraut ist, weil es das Verfahren längere Zeit geführt hat. Er gilt nicht uneingeschränkt. Denn auch für die Frage, ob und gegebenenfalls welche Verfügungen das Gericht vor einer an sich gebotenen Abgabe zu treffen hat, sind in erster Linie Zweckmäßigkeitserwägungen maßgebend (Senatsbeschluß vom 6.8.1996 – 3Z AR 52/96).
Im vorliegenden Fall hat der Betreuer die Betroffene (seine Großmutter) ab Anfang Mai 1996 in einem Pflegeheim untergebracht, das im Bezirk des Amtsgerichts Amberg liegt. Die Mietwohnung in München ist aufgelöst. Die Betroffene wird voraussichtlich auf Dauer in dem Pflegeheim verbleiben. Das Amtsgericht München hat mit Rücksicht auf die Frage der Verlängerung der Betreuung Ermittlungen eingeleitet. Die Betreuungsstelle der Landeshauptstadt München mußte sich in diesem Zusammenhang im Wege der Amtshilfe ...