Leitsatz (amtlich)
1. Das Vormundschaftsgericht ist grundsätzlich nicht gehalten, dem Gegenbetreuer Gelegenheit zu geben, sich zu der beabsichtigten Abgabe des Betreuungsverfahrens zu äußern.
2. Auch bei einer Änderung des gewöhnlichen Aufenthalts des Betreuten sind für die Frage der Abgabe des Betreuungsverfahrens letztlich Zweckmäßigkeitserwägungen maßgebend.
Normenkette
FGG §§ 65a, 46
Verfahrensgang
AG München (Aktenzeichen 711 XVII 8953/96) |
AG Wolfratshausen (Aktenzeichen XVII 0489/92) |
Tenor
Die Abgabe des Betreuungsverfahrens an das Amtsgericht München ist nicht gerechtfertigt.
Tatbestand
I.
Das Amtsgericht Wolfratshausen führt für den Betroffenen ein Betreuungsverfahren. Als Aufgabenkreis des Betreuers ist die Vermögenssorge bestimmt, ausgenommen die Verwaltung der Mieteinnahmen aus zwei Objekten sowie die Verwaltung des Geschäftsführergehalts aus einer OHG. Gemäß Beschluß vom 26.7.1993 ist ein Gegenbetreuer bestellt.
Da der Betroffene seit September 1993 in München lebt, will das Amtsgericht Wolfratshausen das Verfahren an das Amtsgericht München abgeben. Während dieses zur Übernahme des Verfahrens bereit und der Betreuer mit dem beabsichtigten Zuständigkeitswechsel einverstanden ist, wünscht der Betroffene, daß das Betreuungsverfahren beim Amtsgericht Wolfratshausen verbleibt. Dieses hat den Vorgang deshalb dem Bayerischen Obersten Landesgerichts zur Entscheidung vorgelegt.
Entscheidungsgründe
II.
1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist zur Entscheidung in dem Abgabestreit berufen (§ 65a Abs. 1 Satz 1, § 46 Abs. 2 Satz 1, § 199 Abs. 2 Satz 2 FGG, Art. 11 Abs. 3 Nr. 1 AGGVG; vgl. BayObLGZ 1989, 1).
2. Die Voraussetzungen für eine solche Entscheidung sind gegeben, da der Betroffene der Abgabe widerspricht (§ 65a Abs. 2 Satz 2, § 46 Abs. 2 Satz 1 FGG).
Nicht zu beanstanden ist, daß das Amtsgericht Wolfratshausen es unterlassen hat, vor der Aktenvorlage auch dem Gegenbetreuer Gelegenheit zu geben, sich zu der beabsichtigten Verfahrensabgabe zu äußern. Dies ist – wie beim Gegenvormund (vgl. Bumiller/Winkler FG 6. Aufl. § 46 Anm. 3 e; Jansen FGG 2. Aufl. § 46 Rn. 6; Keidel/Kuntze FGG 13. Aufl. § 46 Rn. 9) – nicht vorgeschrieben. Hierfür besteht auch sonst kein Anlaß. Im Unterschied zum eigentlichen Betreuer (§ 1901 Abs. 1 Satz 1 BGB) ist es nicht Sache des Gegenbetreuers (§ 1908i Abs. 1 Satz 1, § 1792 BGB), in der Frage der Abgabe des Betreuungsverfahrens die Interessen des Betreuten geltend zu machen. Der Gegenbetreuer ist kein Mitbetreuer im Sinne von § 1899 BGB (Bienwald Betreuungsrecht 2. Aufl. § 1908i BGB Rn. 46; Spanl Rpfleger 1992, 142/144). Weder besorgt er die Angelegenheiten des Betreuten in einem bestimmten Aufgabenkreis noch hat er Vertretungsbefugnis (vgl. Bienwald a.a.O.; Jürgens/Klüsener BtR § 1799 BGB Rn. 2; Spanl a.a.O.). Seine Aufgabe erschöpft sich vielmehr darin, den Betreuer zu überwachen und das Vormundschaftsgericht hierdurch zu entlasten (§ 1908i Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1799 Abs. 1 BGB; Bienwald a.a.O.). Dies macht es entbehrlich, den Gegenbetreuer in das Abgabeverfahren einzubeziehen.
3. Der Senat hält es für angebracht, daß das Betreuungsverfahren weiterhin vom Amtsgericht Wolfratshausen geführt wird.
Gemäß § 65a Abs. 1 Satz 1, § 46 Abs. 2 Satz 1 FGG kann eine Betreuungssache an ein anderes Vormundschaftsgericht abgegeben werden, wenn hierfür wichtige Gründe vorliegen. Insoweit sind Zweckmäßigkeitserwägungen maßgebend. Es kommt auf die gesamten Umstände an. Als wichtiger Grund für die Abgabe ist es in der Regel anzusehen, wenn sich der gewöhnliche Aufenthalt des Betreuten geändert hat und die Aufgaben des Betreuers im wesentlichen am neuen Aufenthaltsort zu erfüllen sind (§ 65a Abs. 1 Satz 2 FGG). Letztlich entscheidend ist aber stets, ob das um die Übernahme angegangene Gericht die Sache voraussichtlich leichter und zweckmäßiger führen kann als das abgebende Gericht. Dabei ist entsprechend dem Zweck der Betreuung in erster Linie das Wohl des Betreuten zu beachten. Es sind aber auch die Interessen des Betreuers an der Erleichterung seiner Amtsführung in Betracht zu ziehen, soweit dadurch die Belange des Betreuten nicht beeinträchtigt werden (ständige Rechtsprechung; vgl. BayObLGZ 1988, 236/237 m.w.N.).
Zwar hat der Betroffene seinen gewöhnlichen Aufenthalt seit September 1993 in München. Ferner ist wegen der ablehnenden Haltung der Ehefrau nicht damit zu rechnen, daß der Betroffene in absehbarer Zeit zu seiner Familie nach Wolfratshausen zurückkehren kann. Dies hat im vorliegenden Fall jedoch nicht zur Folge, daß das Amtsgericht München das Betreuungsverfahren leichter und zweckmäßiger führen könnte als das Amtsgericht Wolfratshausen. Die Betreuung des Betroffenen hat inzwischen lediglich noch die (teilweise wiederum eingeschränkte) Vermögens sorge zum Gegenstand. Mit den entsprechenden Verhältnissen – das Reinvermögen des Betroffenen belief sich am 31.12.1994 auf über 15 Mio. DM – ist das Amtsgericht Wolfratshausen bestens vertraut. Dies gilt insbesondere für die Beteiligung des Betroffe...