Leitsatz (amtlich)
Haben die Wohnungseigentümer einen Eigentümerbeschluss, der möglicherweise an formellen Mängeln leidet, durch einen inhaltsgleichen Beschluss bestätigt und sind beide Beschlüsse angefochten worden, ist in der Regel das Gerichtsverfahren über die Gültigkeit des ersten Beschlusses auszusetzen bis zur Bestandskraft des zweiten Beschlusses.
Verfahrensgang
LG Kempten (Aktenzeichen 42 T 1628/02) |
AG Kempten (Aktenzeichen 5 UR II 14/02) |
Tenor
Das Verfahren wird in entsprechender Anwendung von § 148 ZPO ausgesetzt bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens über den Antrag der Antragstellerinnen auf Ungültigerklärung des Eigentümerbeschlusses vom 14.2.2003 zu Tagesordnungspunkt 2 (Beschluss über Jahresabrechnung 2001 und Entlastung von Verwalter und Verwaltungsbeirat).
Gründe
I. Die Antragstellerinnen sind Miteigentümerinnen zu je ½ einer Wohnung in einer Wohnanlage, deren übrige Wohnungseigentümer die Antragsgegner sind und die vom weiteren Beteiligten seit vielen Jahren verwaltet wird.
Im Protokoll der Eigentümerversammlung vom 16.3.2001 ist unter Tagesordnungspunkt (TOP) 5 "Reparaturen und Anschaffungen" unter e. vermerkt: "Alle Dachflächenfenster der Eigentümergemeinschaft sollen überprüft, soweit wie möglich repariert oder erneuert werden, insb. auch die von Frau L. (= Antragstellerin zu 1)). Herr G. möge einen Kostenvoranschlag vorlegen. Die Kosten gehen jeweils zur Hälfte zu Lasten der betroffenen Eigentümer und der Eigentümergemeinschaft." Am Ende des Protokolls steht die Feststellung: "Soweit nicht anders angegeben, wurden alle Beschlüsse dieses Protokolls einstimmig gefasst." Die Beschlüsse der Versammlung vom 16.3.2001 wurden nicht angefochten.
In der Folgezeit wurden in der Wohnung der Antragstellerinnen sechs Dachflächenfenster ausgetauscht. Nach Aufforderung durch den Verwalter überwies die Antragstellerin zu 1) die Hälfte des von Herrn G. dafür in Rechnung gestellten Betrags (insgesamt 11.807,64 DM), nämlich 5.903,82 DM an diesen.
Das Protokoll über die Eigentümerversammlung vom 22.3.2002 enthält zu TOP 2 unter der Überschrift "Abrechnung und Entlastung des Verwalters" folgende Feststellung: "Einstimmig wurden Verwalter und Verwaltungsbeirat für das Jahr 2001 entlastet." und am Ende den Vermerk: "Alle Beschlüsse dieses Protokolls wurden einstimmig gefasst."
Die Antragstellerinnen haben, soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren von Bedeutung, beim AG beantragt, den Eigentümerbeschluss vom 22.3.2002 zu TOP 2 über die (Gesamt- und Einzel-)Jahresabrechnung 2001 für ungültig zu erklären sowie die Antragsgegner zu verpflichten, an die Antragstellerinnen 3.018,58 Euro nebst Zinsen zu bezahlen.
Mit Beschluss vom 25.6.2002 hat das AG den Eigentümerbeschluss vom 22.3.2002 zu TOP 2 für ungültig erklärt und den Antrag im Übrigen abgewiesen.
Gegen diesen Beschluss haben die Antragsgegner sofortige Beschwerde und die Antragstellerinnen Anschlussbeschwerde eingelegt. Während des Beschwerdeverfahrens wurde in der Eigentümerversammlung vom 14.2.2003 unter TOP 2 folgender Beschluss gefasst: "Die Jahresabrechnung 2001 vom 5.2.2002, bestehend aus Gesamtabrechnung und Einzelabrechnungen, wird nochmals beschlossen und genehmigt. Der Verwalter und der Verwaltungsbeirat werden vorsorglich nochmals entlastet. Bis auf die Stimmen der Antragstellerinnen, die gem. § 25 Abs. 5 WEG nicht stimmberechtigt waren (46, 594/1000), erging der Beschluss einstimmig."
Diesen Eigentümerbeschluss haben die Antragstellerinnen ebenfalls beim AG angefochten. Darüber ist bisher nicht rechtskräftig entschieden.
Trotz eines Antrags der Antragsgegner auf Aussetzung des hiesigen Verfahrens hat das LG mit Beschluss vom 17.12.2003 den Beschluss des AG aufgehoben, den Antrag auf Ungültigerklärung des Eigentümerbeschlusses vom 22.3.2002 abgewiesen und die Anschlussbeschwerde der Antragstellerinnen zurückgewiesen. Dagegen haben die Antragstellerinnen sofortige weitere Beschwerde eingelegt.
II. Das Verfahren wird in entsprechender Anwendung von § 148 ZPO ausgesetzt wegen Vorgreiflichkeit des Verfahrens auf Ungültigerklärung des Eigentümerbeschlusses vom 14.2.2003 zu TOP 2.
1. Die Antragsgegner haben diesen wiederholenden Beschluss ersichtlich deshalb gefasst, um die formelle Beanstandung der Antragstellerinnen, am 22.3.2002 sei über die Jahresabrechnung 2001 gar kein Beschluss gefasst worden, zu beseitigen.
Wenn nun der wiederholende Zweitbeschluss vom 14.2.2003 bestandskräftig wird, verlieren die Antragstellerinnen das Rechtsschutzbedürfnis für die Anfechtung des Eigentümerbeschlusses vom 22.3.2002. Es tritt dann Erledigung der Hauptsache ein, auf die die Beteiligten mit entsprechender Änderung ihrer Anträge zu reagieren haben werden.
In einer solchen Verfahrenslage ist das gerichtliche Verfahren über die Ungültigerklärung des Erstbeschlusses auszusetzen (BGH v. 1.12.1988 - V ZB 6/88, BGHZ 106, 113 [116 f.] = MDR 1989, 435; Niedenführ/Schulze, WEG, 6. Aufl., vor §§ 43 ff Rz. 48; Merle in Bärmann/Pick/Merle, WEG, 9. Aufl., § 23 Rz. 65; Engelhar...