Entscheidungsstichwort (Thema)
Wohnungseigentumssache: Zulässigkeit einer Nutzung "gewerblicher" Räume zur Schulung von Aussiedlern oder Asylbewerbern
Verfahrensgang
AG Eggenfelden (Aktenzeichen UR II 5/91) |
LG Landshut (Aktenzeichen 30 T 624/91) |
Tenor
I. Den Antragstellern zu 1 und 2 wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen weiteren Beschwerde gegen den Beschluß des Landgerichts Landshut vom 2. September 1991 gewährt.
II. Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller zu 1 und 2 gegen den genannten Beschluß wird zurückgewiesen.
III. Die Antragsteller zu 1 und 2 haben als Gesamtschuldner die Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen und die der Antragsgegnerin im Rechtsbeschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
IV. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 20 000 DM festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragsteller und die Antragsgegnerin sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage. Das Teileigentum der Antragsgegnerin ist in der Teilungserklärung als Miteigentumsanteil verbunden mit dem Sondereigentum an den im Erdgeschoß gelegenen gewerblichen Räumen beschrieben. Zugunsten des jeweiligen Eigentümers des derzeit dem Antragsteller zu 1 gehörenden Wohnungseigentums ist an dem Teileigentum der Antragsgegnerin eine Grunddienstbarkeit eingetragen, die den Betrieb einer Gaststätte, einer Diskothek oder eines Gewerbes untersagt, das eine unzumutbare Beeinträchtigung der Wohnungseigentümer mit sich bringt.
Die Antragsteller haben beantragt, der Antragsgegnerin zu untersagen, ihr Teileigentum als Schulungs- oder Unterrichtsräume für Asylbewerber oder Aussiedler zu nutzen oder nutzen zu lassen. Das Amtsgericht hat am 25.3.1991 den Antrag abgewiesen, das Landgericht hat durch Beschluß vom 2.9.1991 die sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller zu 1 und 2.
II.
Das Rechtsmittel ist unbegründet.
1. Den Antragstellern zu 1 und 2 wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen weiteren Beschwerde gewährt, weil sie durch eidesstattliche Versicherungen glaubhaft gemacht haben, daß sie ohne ihr Verschulden daran gehindert waren, die Rechtsmittelfrist einzuhalten (§ 43 Abs. 1, § 45 Abs. 1 WEG, § 22 Abs. 1, 2, § 29 Abs. 2, 4 FGG).
2. Das Landgericht hat unter weitgehender Bezugnahme auf die Entscheidung des Amtsgerichts zur Begründung ausgeführt:
Mit der Beschreibung des Teileigentums der Antragsgegnerin als „gewerbliche Räume” sei auch eine Nutzung als Unterrichtsraum vereinbar. Die Beschreibung stecke einen weiten Rahmen für die tatsächliche Nutzung zu anderen als zu Wohnzwecken ab. Maßgebend sei nicht die Absicht des Erstellers der Teilungserklärung, sondern die nächstliegende Bedeutung der Beschreibung in der Teilungserklärung. Danach sei die vorgesehene Nutzung nicht zu beanstanden. Sie verstoße auch nicht gegen die Grunddienstbarkeit, zumal das Teileigentum der Antragsgegnerin anders als eine Gaststätte oder Diskothek in den Abend- und Nachtstunden sowie am Wochenende nicht genutzt werde. Die mit der Nutzung des Teileigentums als Unterrichtsräume verbundene Beeinträchtigung überschreite nicht die Beeinträchtigungen, die ein durchschnittlicher sonstiger Gewerbebetrieb mit sich bringe. Unterrichtet würden höchstens 30 Personen in der Zeit von Montag bis Freitag zwischen 8 und 15.30 Uhr.
3. Die Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
Die Antragsteller haben keinen Anspruch gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB, § 15 Abs. 3 WEG gegen die Antragsgegnerin, daß sie die Nutzung ihres Teileigentums als Schulungs- und Unterrichtsräume unterläßt.
a) Nach allgemeiner Meinung und ständiger Rechtsprechung des Senats stellt die Bezeichnung eines Teileigentums in der Teilungserklärung, hier als gewerbliche Räume, eine Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter i. S. des § 15 Abs. 1 WEG dar. Das Teileigentum darf in diesem Fall grundsätzlich zu keinem anderen Zweck genutzt werden. Zulässig ist jedoch eine mit dem Wortlaut der Zweckbestimmung nicht übereinstimmende Nutzung, sofern dadurch kein anderer Wohnungseigentümer mehr gestört oder beeinträchtigt wird als durch eine Nutzung entsprechend der Zweckbestimmung (BayObLG NJW-RR 1989, 719/720). Bei Auslegung der Zweckbestimmung, hier: gewerbliche Räume, ist auf Wortlaut und Sinn abzustellen, wie er sich für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung des Eingetragenen ergibt (BayObLG ZMR 1990, 230/231).
b) Ohne Rechtsfehler sind die Vorinstanzen zu dem Ergebnis gelangt, daß die weit gefaßte Zweckbestimmung hinsichtlich des Teileigentums der Antragsgegnerin einer Nutzung der Räume zu Unterrichts- und Schulungszwecken nicht entgegensteht. Dadurch werden die übrigen Wohnungseigentümer nicht mehr gestört oder beeinträchtigt als durch eine Nutzung im Rahmen eines typischen Gewerbebetriebs. Der Antragsteller zu 1 kann sich auch nicht auf die Grunddienstbarkei...