Entscheidungsstichwort (Thema)

Maßnahme des Vormundschaftsgerichts bei verweigerter Erhebung einer Ehelichkeitsanfechtungsklage durch die allein sorgeberechtigte Kindesmutter

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Geht es in einem Verfahren zur Einschränkung der elterlichen Sorge ausschließlich darum, ob die nach einer Scheidung allein sorgeberechtigte Mutter pflichtwidrig die Anfechtung der Ehelichkeit ihres Kindes unterlässt, so ist als vormundschaftsgerichtliche Maßnahme die Entziehung der Vertretung des Kindes für die Ehelichkeitsanfechtung gem. §§ 1629 Abs. 2 S. 3, 1796 BGB zu prüfen, nicht die Entziehung der elterlichen Sorge gem. § 1666 Abs. 1 BGB.

2. Lehnt die allein sorgeberechtigte Mutter die Anfechtung der Ehelichkeit ab, so ist im Hinblick auf § 1597 Abs. 3 S. 4 BGB ein erheblicher Gegensatz zwischen ihren Interessen und den Interessen des Kindes i.S. v. § 1796 Abs. 2 BGB regelmäßig nur zu bejahen, wenn das Unterbleiben der Anfechtung zu einem unverhältnismäßigen Nachteil für das Kind führen würde.

3. Zur Bedeutung des bevorstehenden Ablaufs der Anfechtungsfrist für die Entscheidung über die Entziehung der Vertretung, wenn die Ehelichkeit eines Kindes angefochten werden soll.

 

Normenkette

BGB § 1597 Abs. 3 S. 4, § 1629 Abs. 2 S. 3, § 1666 Abs. 1, § 1796 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Aschaffenburg (Beschluss vom 18.05.1993; Aktenzeichen 4 T 46/93)

AG Obernburg a.M. (Aktenzeichen X 66/92)

 

Tenor

I. Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen den Beschluß des Landgerichts Aschaffenburg vom 18. Mai 1993 wird zurückgewiesen.

II. Der Beteiligte zu 1 hat der Beteiligten zu 2 die im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.

III. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 5.000 DM festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten waren Eheleute. Ihre Ehe wurde seit 12.11.1991 rechtskräftig geschieden, die elterliche Sorge für die beiden hier betroffenen, während der Ehe geborenen Kinder wurde der Mutter übertragen. Eine Klage des Beteiligten zu 1 mit dem Ziel, die Nichtehelichkeit der beiden Kinder feststellen zu lassen, wurde ebenfalls im Jahr 1991 rechtskräftig abgewiesen, da der Beteiligte die Anfechtungsfrist gemäß § 1594 BGB versäumt hatte.

Mit Schriftsatz vom 13.8.1992 hat der Beteiligte zu 1 beantragt, der Mutter die elterliche Sorge für die beiden Kinder zu entziehen und Amtsvormundschaft anzuordnen. Er ist der Auffassung, daß die Mutter die Interessen der Kinder nicht wahre, weil sie es unterlasse, in Vertretung der Kinder deren Ehelichkeit anzufechten. Während seine eigenen Vermögensverhältnisse so ungünstig seien, daß die beiden Kinder auf keinen Fall den erforderlichen Unterhalt erhielten und letztlich sogar auf Sozialhilfe angewiesen seien, sei der biologische Vater der Kinder, ein wohlhabender Geschäftsmann, auch bereit, die Vaterschaft anzuerkennen und für den Unterhalt der Kinder aufzukommen. Das zuständige Kreisjugendamt hat sich gegen den Antrag gewandt.

Das Amtsgericht hat den Antrag mit Beschluß vom 11.1.1993 zurückgewiesen. Der hiergegen eingelegten Beschwerde des Beteiligten zu 1 hat es nicht abgeholfen und die Akten dem Landgericht vorgelegt. Dieses hat die beiden Beteiligten sowie die Kinder angehört und die Beschwerde mit Beschluß vom 18.5.1993 zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1. Die Mutter und das Kreisjugendamt sind dem Rechtsmittel entgegengetreten.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die zulässige weitere Beschwerde bleibt im Ergebnis ohne Erfolg.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Als Grundlage für das Begehren des Beteiligten zu 1 komme allenfalls § 1666 BGB in Betracht. Die hiernach erforderlichen Voraussetzungen für einen Eingriff in das Sorgerecht der Mutter lägen nicht vor. Der Umstand, daß die Mutter die elterliche Sorge nicht im Sinne einer Optimierung der finanziellen Verhältnisse der Kinder handhabe, stelle keine mißbräuchliche Ausübung dar. Die Ablehnung aktiver Maßnahmen zur Anfechtung der Ehelichkeit sei auch nicht als Vernachlässigung der Kinder oder als sonstiges unverschuldetes Versagen der sorgeberechtigten Mutter zu werten, zumal diese sich vom Votum des zuständigen Jugendamts und damit der Stelle, die gegebenenfalls zum Amtsvormund zu bestellen sei, leiten lasse. Jedenfalls fehle es an einer Gefährdung des Kindeswohls. Die bloße Besorgnis künftiger Gefährdung im Hinblick auf die unterschiedliche Leistungsfähigkeit des Beteiligten zu 1 und des vermuteten biologischen Vaters genüge nicht. Dem Beteiligten zu 1 gehe es in erster Linie um die von ihm befürchtete Gefährdung seines eigenen (finanziellen) Wohls.

2. Die angefochtene Entscheidung ist zwar nicht frei von Rechtsfehlern (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO). Sie stellt sich aber im Ergebnis aus anderen Gründen als richtig dar (§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, § 563 ZPO), so daß die Beschwerde ohne Erfolg bleibt.

a) Das Landgericht hat bei der Prüfung, ob die elterliche Sorge der Mutter einzuschränken ist, allein auf die Vorschrift des § 1666 Abs. 1 BGB abgest...

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