Entscheidungsstichwort (Thema)

Entziehung des Vertretungsrechts der Mutter bei Absehen von einer Anfechtung der Vaterschaft namens der Kinder

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Entziehung des Vertretungsrechts der Mutter, wenn diese von einer Anfechtung der Vaterschaft namens des Kindes absieht.

 

Normenkette

BGB n.F. § 1629 Abs. 2 S. 3, §§ 1666, 1600; BGB § 1600b Abs. 3, 5

 

Verfahrensgang

LG Ingolstadt (Beschluss vom 17.08.1998; Aktenzeichen 1 T 1101/98)

AG Pfaffenhofen a.d. Ilm (Aktenzeichen X 379/97)

 

Tenor

I. Die weitere Beschwerde gegen den Beschluß des Landgerichts Ingolstadt vom 17. August 1998 wird zurückgewiesen.

II. Der Antrag des Beteiligten zu 1 auf Gewährung von Prozeßkostenhilfe für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird zurückgewiesen.

III. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf DM 3.000,– festgesetzt.

 

Gründe

Das 1994 geborene Kind ist der Sohn der Beteiligten zu 2. Der Beteiligte zu 1 hat am 9.8.1994 die Vaterschaft anerkannt und am 16.8.1994 die Kindsmutter geheiratet. Diese zog am 5.2.1996 mit dem Kind aus der Ehewohnung aus; die Ehe wurde am 21.2.1997 geschieden. Die elterliche Sorge für das Kind wurde der Kindsmutter übertragen. Der Beteiligte zu 1 verpflichtete sich, für das Kind einen monatlichen Unterhaltsbetrag von DM 303,– zu zahlen.

Am 24.10.1997 beantragte der Beteiligte zu 1 beim Vormundschaftsgericht, der Kindsmutter die elterliche Sorge teilweise zu entziehen und dem Kind zur Durchführung der Anfechtung der Ehelichkeit einen Ergänzungspfleger zu bestellen. Nicht er, sondern der frühere und auch jetzige Lebensgefährte der Kindsmutter sei der leibliche Vater. Ihm sei aufgrund fehlender Zeugungsfähigkeit klar gewesen, daß das Kind nicht von ihm abstammen könne. Er habe seit der Trennung keinen Kontakt mehr mit dem Kind. Dieses lebe nunmehr mit dem leiblichen Vater zusammen und baue mit diesem eine Vater-Kind-Beziehung auf. Das Kind habe daher ein vorrangiges Interesse an der Klärung seiner blutmäßigen Abstammung. Die vertretungsberechtigte Mutter weigere sich, das Anfechtungsverfahren durchzuführen und trete daher in einen Interessengegensatz zum Kind.

Das Vormundschaftsgericht hat mit Beschluß vom 17.6.1998, mitgeteilt am 19.6.1998, den Antrag des Beteiligten zu 1 zurückgewiesen. Die dagegen eingelegte Beschwerde hat das Landgericht mit Beschluß vom 17.8.1998 zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung hat der Beteiligte zu 1 weitere Beschwerde eingelegt und hierfür Prozeßkostenhilfe beantragt.

II.

Die zulässige weitere Beschwerde ist unbegründet.

1. Gemäß § 1629 Abs. 2 Satz 3 BGB i.V.m. § 621 Abs. 1 Nr. 1 ZPO jeweils i.d.F. des Kindschaftsrechtsreformgesetzes vom 16.12.1997 (BGBl I S. 2942) ist zwar seit Inkrafttreten dieses Gesetzes am 1.7.1998 das Familiengericht für die Entziehung der gesetzlichen Vertretungsmacht der Eltern oder eines Elternteils für eine einzelne Angelegenheit zuständig. Ist jedoch die erstinstanzielle Entscheidung wie hier vor dem 1.7.1998 bekanntgemacht worden, so sind für die Zulässigkeit von Rechtsmitteln und die Zuständigkeit für die Behandlung und Entscheidung über die Rechtsmittel die bis zum 1.7.1998 maßgeblichen Vorschriften weiterhin anzuwenden (Art. 15 § 1 Abs. 2 Sätze 1 und 2 KindRG). Nach diesen Vorschriften ist die weitere Beschwerde des gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 9 FGG beschwerdeberechtigten Beteiligten zu 1 gegen den Beschluß des Landgerichts vom 17.8.1998 zulässig. Über sie hat das Bayerische Oberste Landesgericht zu entscheiden.

2. Das Landgericht hat ausgeführt:

Das Vormundschaftsgericht habe die Entscheidung der Mutter, für das Kind keine Ehelichkeitsanfechtung durchzuführen, zu Recht nicht zum Anlaß genommen, ihr insoweit die Vertretung zu entziehen. Die Voraussetzungen der § 1629 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 1796 Abs. 1 BGB seien nicht gegeben, weil konkret nicht festgestellt werden könne, daß zwischen dem Kind und der Mutter ein erheblicher Interessengegensatz bestehe. Es sei nicht erkennbar, daß die Mutter dem Wohl des Kindes zuwider handeln würde, wenn sie als dessen gesetzliche Vertreterin das Anfechtungsverfahren nicht betreibe. Zwar sei im Normalfall von einem natürlichen Interesse des Kindes an der Feststellung seiner wirklichen Abstammung auszugehen. Dies bedeute aber nicht, daß die Klärung der Abstammung in jedem Fall vorrangig zum Wohle des Kindes geboten wäre. Vielmehr bedürfe es der konkreten Abwägung der Umstände der jeweiligen Situation. Diese ergebe, daß für das Kind kein unverhältnismäßiger Nachteil entstehe, wenn die Anfechtung unterbleibe. Eine etwaige Namensverschiedenheit zwischen Kind und Mutter bei deren Wiederverheiratung sei nicht ungewöhnlich; Diskriminierungen seien nicht zu befürchten. Es sei auch nicht zu erwarten, daß das Kind in unzuträgliche Konflikte gestürzt werde, wenn es in entsprechendem Alter die Situation und die Gründe des Beteiligten zu 1 für die Vaterschaftsanerkennung erfassen könne. Auch wenn das Kind zu dem Lebensgefährten der Mutter eine Vater-Kind-Beziehung aufbaue und der Beteiligte zu 1, um diese nich...

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