Leitsatz (amtlich)
1. Auch wenn durch § 1897 Abs. 5 BGB bevorzugte Personen als Betreuer in Betracht kommen, ist bei der Auswahl des Betreuers letztlich das Wohl des Betroffenen ausschlaggebend.
2. Zur Nachprüfung der Beurteilung der Geeignetheit als Betreuer und die Ausübung des Auswahlermessens durch den Tatrichter im Rechtsbeschwerdeverfahren.
Normenkette
BGB § 1897 Abs. 5; FGG § 27 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
LG Memmingen (Beschluss vom 07.06.1995; Aktenzeichen 4 T 1713/94) |
AG Memmingen (Aktenzeichen 2 XVII 144/94) |
Tenor
Die weitere Beschwerde gegen den Beschluß des Landgerichts Memmingen vom 7. Juni 1995 wird zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
Nachdem das Amtsgericht am 13.9.1994 zunächst eine entsprechende einstweilige Anordnung erlassen hatte, bestellte es mit Beschluß vom 15.9.1994 mit sofortiger Wirksamkeit A. mit den Aufgabenkreisen Sorge für die Gesundheit, Aufenthaltsbestimmung und Vermögens sorge zum Betreuer der Betroffenen.
Mit seinem gegen den Beschluß vom „13.9.1994” eingelegten „Einspruch” vom 2.10.1994 wandte der Bruder der Betroffenen ein, bei der Betreuerbestellung übergangen worden zu sein, obwohl er über die Ursachen und den Verlauf der Krankheit seiner Schwester eingehend informiert sei, seine Schwester selbstlos gepflegt habe und deren Vertrauen genieße.
Am 4.6.1995 hat das Landgericht Memmingen folgenden Beschluß erlassen:
„Die Beschwerde … gegen den Beschluß des Amtsgerichts Memmingen vom 15.04.1994 wird zurückgewiesen.”
Hiergegen wendet sich der Bruder der Betroffenen mit der weiteren Beschwerde.
Entscheidungsgründe
3. Die Betreuerauswahl ist rechtlich nicht zu beanstanden.
a) Das Landgericht hat ausgeführt:
Das Amtsgericht habe zu Recht eine neutrale Person als Betreuer bestellt. Bei der Auswahl des Betreuers habe das Wohl der Betreuten, die krankheitsbedingt nicht in der Lage sei, ihren Willen kundzutun, im Vordergrund zu stehen. Als Betreuer wären auch der Ehemann der Betroffenen und deren Bruder in Betracht gekommen. Ersterer sei jedoch kriegsversehrt und nur bedingt in der Lage, eine persönliche Betreuung der Betroffenen in dem erforderlichen Umfang zu gewährleisten. Letzterer habe sich zwar mit beispielhaftem Einsatz um das gesundheitliche Wohlergehen seiner Schwester gekümmert. Es sei jedoch nicht auszuschließen, daß im Falle seiner Bestellung zum Betreuer, insbesondere wenn auch der Ehemann für die Betroffene tätig werden wolle, Kompetenzkonflikte entstünden. Diese könnten sich insbesondere bei der Frage, wo die Betroffene zu betreuen sei, zu deren Nachteil auswirken. Der vom Amtsgericht ausgewählte Betreuer sei auch nach Auffassung der Verfahrenspflegerin geeignet, in den ihm zugewiesenen Aufgabenkreisen die Angelegenheiten der Betroffenen zu besorgen und sie hierbei im erforderlichen Umfang persönlich zu betreuen.
b) Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand.
aa) Hat der Betroffene – wie hier – niemanden vorgeschlagen, der zum Betreuer bestellt werden kann, ist bei der Auswahl des Betreuers bevorzugt auf die verwandtschaftlichen und sonstigen persönlichen Bindungen des Betroffenen Rücksicht zu nehmen (§ 1897 Abs. 5 BGB). Auch bei den danach in Betracht kommenden Personen muß jedoch gewährleistet sein, daß sie in den gerichtlich bestimmten Aufgabenkreisen die Angelegenheiten des Betreuten besorgen und ihn hierbei im erforderlichen Umfang persönlich betreuen können (§ 1897 Abs. 1 BGB; Bienwald Betreuungsrecht 2. Aufl. § 1897 BGB Rn. 65). Ferner hat das Vormundschaftsgericht auch bei ihnen sämtliche für und wider ihre Bestellung sprechenden Gesichtspunkte abzuwägen (Bienwald § 1897 BGB Rn. 73; HK-BUR/Bauer § 1897 BGB Rn. 66), wobei insbesondere zu bedenken ist, daß Angehörige die Bedürfnisse und das Äußerungsverhalten des Betroffenen vielfach besser kennen als fremde Personen (Bienwald § 1897 BGB Rn. 66). Ausschlaggebend ist jedoch letztlich das Wohl des Betroffenen, weshalb sich das Vormundschaftsgericht maßgeblich von der Frage leiten zu lassen hat, durch wen die bestmögliche Kombination von persönlicher Betreuung und Besorgung der Angelegenheiten des Betroffenen gewährleistet wird (Damrau in Damrau/Zimmermann Betreuung und Vormundschaft 2. Aufl. § 1897 BGB Rn. 17; HK-BUR/Bauer § 1897 BGB Rn. 66). Unter Umständen sind mehrere Personen als Betreuer zu bestellen (§ 1899 Abs. 1 Satz 1 BGB), wenn sich hierdurch wertvolle familiäre Ressourcen nutzen lassen (Bienwald § 1897 BGB Rn. 67).
bb) Die Beurteilung der Geeignetheit und die Ausübung des Auswahlermessens durch den Tatrichter können vom Rechtsbeschwerdegericht nur auf Rechtsfehler überprüft werden (§ 27 Abs. 1 Satz 1 FGG; vgl. BayObLG FamRZ 1994, 530; OLG Karlsruhe BtPrax 1994, 214; MünchKomm/Schwab BGB 3. Aufl. § 1897 Rn. 25 i.V.m. § 1779 Rn. 4).
(1) Die Beurteilung der Geeignetheit ist fehlerhaft, wenn der Tatrichter diesen unbestimmten Rechtsbegriff verkennt, relevante Umstände unvertretbar über- oder unterbewertet oder bei der Subsumtion wesentliche Umstände unberücksichtigt läßt (vgl. BayObLGZ 1961, 349/352; Jansen FGG ...