Leitsatz (amtlich)

1. Will ein Beschwerdeführer in einem Strafvollzugsverfahren die Verletzung des rechtlichen Gehörs durch das Rechtsbeschwerdegericht geltend machen, ist der Antrag nach § 356a Satz 2 StPO innerhalb einer Woche nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu stellen und auch zu begründen.

2. Da der Antrag zulässigerweise nur binnen einer Frist von einer Woche seit dem Zeitpunkt der Kenntniserlangung durch den Betroffenen von der Verletzung des rechtlichen Gehörs gestellt werden kann, muss dieser Zeitpunkt grundsätzlich binnen der Wochenfrist mitgeteilt werden, falls nicht die Rechtzeitigkeit der Rüge den Akten entnommen werden kann oder sonst offenkundig ist.

3. Der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist nach Satz 3 der Regelung zudem glaubhaft zu machen. Die Glaubhaftmachung hat im Strafvollzugsverfahren ebenfalls innerhalb der Wochenfrist zu erfolgen.

4. Eigene Ermittlungen zum Zeitpunkt der Kenntniserlangung muss der Senat nicht anstellen. Die schlichte Erklärung des Betroffenen genügt für die Glaubhaftmachung regelmäßig nicht; auch eine eigene "Eidesstattliche Versicherung" ist hierzu ungeeignet.

5. Die bloße Benennung eines Zeugen reicht ebenfalls nicht aus, sofern nicht gleichzeitig dargetan wird, dieser habe eine schriftliche Bestätigung verweigert, er sei nicht unverzüglich erreichbar oder es handele sich um einen für die Säumnis verantwortlichen Beamten.

 

Normenkette

StPO § 356a; StVollzG § 120 i.V.m, § 119 Abs. 5

 

Verfahrensgang

AG Nördlingen (Entscheidung vom 19.02.2023; Aktenzeichen 2 NÖ StVK 795/18)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Strafgefangenen gegen den Beschluss der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Augsburg bei dem Amtsgericht Nördlingen vom 19. Februar 2023 wird auf seine Kosten unter Festsetzung des Beschwerdewertes auf 500,00 Euro als unbegründet verworfen.

 

Gründe

A

Der Antragsteller verbüßte bis zum 23. September 2020 eine zeitige Freiheitsstrafe. Am 23. November 2018 wurde er von der Justizvollzugsanstalt (JVA) Kaisheim gegen seinen Willen in die JVA Landshut verlegt. Mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 24. November 2018 und weiteren Ergänzungen dieses Antrags hat er sich gegen die Verlegung gewandt. Mit Beschluss vom 14. Dezember 2019 hat die Strafvollstreckungskammer den Antrag des Gefangenen als unzulässig zurückgewiesen. Nachdem das Rechtsbeschwerdegericht die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde des Gefangenen mit Beschluss vom 16. März 2020 als unzulässig verworfen hat, hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 4. Januar 2021 beide gerichtlichen Entscheidungen aufgehoben und die Sache an das Landgericht Augsburg zurückverwiesen.

Mit Beschluss vom 19. Februar 2023 hat die Strafvollstreckungskammer den Antrag des Gefangenen auf gerichtliche Entscheidung als unbegründet zurückgewiesen. Gegen den ihm am 28. Februar 2023 zugestellten Beschluss richtet sich die vorliegende Rechtsbeschwerde des Antragstellers, die er zunächst mit Schriftsatz seines anwaltlichen Vertreters vom 9. März 2023 mit der allgemeinen Sachrüge und anschließend mit mehreren eigenverfassten Schreiben begründet hat. Die Generalstaatsanwaltschaft München hat, ohne auf Einzelheiten einzugehen, beantragt, die Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen. Hinsichtlich der Einzelheiten zur Prozessgeschichte wird auf die Gründe der vorgehenden gerichtlichen Entscheidungen verwiesen.

B

Die form- und fristgemäße Rechtsbeschwerde ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zulässig (§ 116 StVollzG i.V.m. Art. 208 BayStVollzG), in der Sache jedoch nicht begründet.

I. Die vom Antragsteller ausgeführten Verfahrensrügen entsprechen nicht den gesetzlichen Vorgaben von § 118 Abs. 2 S. 2 StVollzG i.V.m. Art. 208 BayStVollzG und erweisen sich als unzulässig.

II. Die Überprüfung des angefochtenen Beschlusses auf die allgemeine Sachrüge hin zeigt keine durchgreifenden Rechtsfehler auf.

1. Nach Art. 10 Abs. 1 Nr. 2 BayStVollzG können Gefangene abweichend vom Vollstreckungsplan in eine andere für den Vollzug der Freiheitsstrafe zuständige Anstalt verlegt werden, wenn dies aus Gründen der Vollzugsorganisation oder aus anderen wichtigen Gründen erforderlich ist. Art. 92 BayStVollzG, gleichlautend zu § 85 StVollzG, sieht vor, dass ein Gefangener in eine Anstalt verlegt werden kann, die zu seiner sicheren Unterbringung besser geeignet ist, wenn sein Verhalten eine Gefahr für die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt darstellt. Diese Vorschrift regelt in Ergänzung zu Art. 10 BayStVollzG die Verlegung eines Gefangenen aus Gründen der Sicherheit und Ordnung der Anstalt.

2. Die Frage, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen von Art. 10 BayStVollzG vorliegen, unterliegt der vollen gerichtlichen Überprüfung (vgl. Arloth/Krä, StVollzG, 5. Aufl., § 8 Rn. 10 m.w.N. zu § 8 StVollzG), während es sich bei den Verlegungsgründen nach Art. 92 BayStVollzG um unbestimmte Rechtsbegriffe handelt, die einen Beurteilungsspielraum der Vollzugsverwaltung eröffnen (Arloth/Krä a.a.O. § 85 Rn. 2 zu § 85 ...

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