Entscheidungsstichwort (Thema)
Betreuungsrecht
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Bedeutung des Erforderlichkeitsgrundsatzes und des verfassungsmäßigen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit im Betreuungsrecht.
2. Für einen körperlich hinreichend gesunden, aber psychisch kranken Betroffenen darf ein Betreuer im Bereich der Gesundheitsfürsorge nur für den nervenärztlichen Bereich bestellt werden.
3. Die Unfähigkeit, Angelegenheiten zu besorgen, ist als weitere Voraussetzung für die Bestellung eines Betreuers vom Handlungsbedarf scharf zu unterscheiden.
Normenkette
BGB § 1896 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Ansbach (Beschluss vom 05.08.1994; Aktenzeichen 4 T 1089/93) |
AG Ansbach (Beschluss vom 12.10.1993; Aktenzeichen XVII 1298/92 A) |
Tenor
Die Beschlüsse des Amtsgerichts Ansbach vom 12. Oktober 1993 und des Landgerichts Ansbach vom 5. August 1994 werden insoweit aufgehoben, als der Aufgabenkreis der Betreuerin die Gesundheitsfürsorge über den nervenärztlichen Bereich hinaus umfaßt. Insoweit wird das Betreuungsverfahren eingestellt.
Tatbestand
I.
Mit Beschluß vom 23.6.1992 führte das Amtsgericht eine am 27.5.1991 angeordnete Pflegschaft als Betreuung fort und verlängerte sie. Die Aufgabenkreise wurden erweitert. Zu den Aufgaben des Betreuers sollten künftig die Sorge für die Gesundheit des Betroffenen, die Aufenthaltsbestimmung und die Vermögenssorge gehören.
Nach Ablehnung früherer Aufhebungsanträge des Betroffenen wies das Amtsgericht mit Beschluß vom 12.10.1993 erneut einen solchen Aufhebungsantrag des Betroffenen zurück. Die Beschwerde des Betroffenen hiergegen wies das Landgericht mit Beschluß vom 22.11.1993 zurück. Auf die hiergegen eingelegte weitere Beschwerde des Betroffenen hob das Bayer. Oberste Landesgericht den Beschluß des Landgerichts insoweit auf, als der Aufgabenkreis der Betreuerin die Gesundheitsfürsorge über den nervenärztlichen Bereich hinaus umfaßte. Insoweit verwies es die Sache zu anderer Behandlung und neuer Entscheidung an das Landgericht zurück. Nach Einholung eines Gutachtens des Landgerichtsarztes und persönlicher Anhörung des Betroffenen wies das Landgericht die Beschwerde des Betroffenen erneut zurück. Hiergegen richtet sich die mit Anwaltsschriftsatz eingelegte weitere Beschwerde des Betroffenen.
Entscheidungsgründe
II.
1. Gegenstand der weiteren Beschwerde ist nur die Frage der Gesundheitsfürsorge, soweit sie über den nervenärztlichen Bereich hinausgeht. Nur in diesem Umfang hat der Senat die vorhergehende Entscheidung des Landgerichts vom 22.11.1993 aufgehoben und die Sache an das Landgericht zurückverwiesen. Über den Antrag des Betroffenen auf Aufhebung der Betreuung insgesamt hat das Amtsgericht zu entscheiden.
2. Das Landgericht hat ausgeführt, aufgrund des Sachverständigengutachtens des Landgerichtsarztes vom 18.5.1994 stehe zur Überzeugung der Kammer fest, daß der Betroffene nach wie vor psychisch krank sei, seine Angelegenheiten im Bereich der Aufenthaltsbestimmung, der Vermögenssorge und der Sorge für die Gesundheit weiterhin selbst nicht regeln könne. Die Betreuung müsse auch die Gesundheitsfürsorge außerhalb des nervenärztlichen Bereichs umfassen, da der Betroffene generell Ärzte meide und sich im Fall einer ernsthaften Erkrankung einer notwendigen Behandlung verschließen würde. Als Beispiel hierfür sei im Gutachten des Landgerichtsarztes ein Schreiben der Betreuerin genannt, aus welchem hervorgehe, daß ein Termin zur Operation in der HNO-Klinik vorgesehen gewesen sei, der Betroffene sich jedoch nicht an die Vorschriften gehalten habe; zudem, habe er die Einnahme von Medikamenten verweigert. Die Operation habe deshalb nicht durchgeführt werden können. Nach dem ärztlichen Gutachten sei ein derartiges Verhalten bei dem Betroffenen auch bei jeder anderen Erkrankung zu erwarten, so daß er sich hierdurch in erheblichem Maße selbst gefährde.
3. Diese Ausführungen halten der im Verfahren der weiteren Beschwerde allein zulässigen rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, § 550 ZPO) nicht stand. Die Betreuung ist insoweit aufzuheben, als der Aufgabenkreis die Gesundheitsfürsorge über den nervenärztlichen Bereich hinaus umfaßt. Die Voraussetzungen für die Bestellung eines Betreuers liegen im Bereich der Gesundheitsfürsorge nur für den nervenärztlichen Bereich vor.
a) Gemäß § 1896 Abs. 2 BGB darf ein Betreuer nur für Aufgabenkreise bestellt werden, in denen die Betreuung erforderlich ist. Dies bedeutet, daß die Aufgabenkreise so konkret wie möglich angegeben werden müssen; der Erforderlichkeitsgrundsatz ist streng zu beachten (BayObLG FamRZ 1994, 1059 und 1994, 1060). Aus dem Erforderlichkeitsgrundsatz (vgl. auch BayObLGZ 1994, 209) folgt aber auch, daß ein Betreuer nicht bestellt werden darf, wenn kein Handlungsbedarf besteht, weil die konkret bezeichnete Angelegenheit kein Tätigwerden verlangt. Ob dies zutrifft, ist im einzelnen Fall zu entscheiden. So kann eine Vermögensbetreuung erforderlich sein im Sinn von § 1896 Abs. 2 BGB, wenn der Bedarf, das Notwendige zu veranlassen, jederzeit auftreten kann ...