Leitsatz (amtlich)

Erledigt sich bei sofortiger weiterer Beschwerde die einstweilige Anordnung einer vorläufigen Unterbringung durch Zeitablauf, ohne dass der Betroffene zuvor auf Grund der Anordnung untergebracht gewesen wäre, so ist ein Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der getroffenen Anordnung (Fortsetzungsfeststellungsantrag) mangels eines tiefgreifenden Grundrechtseingriffs nicht zulässig.

 

Verfahrensgang

LG Nürnberg-Fürth (Beschluss vom 17.11.2003; Aktenzeichen 13 T 10468/03)

AG Schwabach (Aktenzeichen XIV 9/03)

 

Tenor

Die sofortige weitere Beschwerde gegen den Beschluss des LG Nürnberg-Fürth vom 17.11.2003 wird verworfen.

 

Gründe

I. Das AG verfügte mit Beschluss vom 30.10.2003 im Wege der einstweiligen Anordnung die vorläufige Unterbringung des Betroffenen in einem Bezirksklinikum für längstens sechs Wochen. Die Entscheidung wurde für sofort wirksam erklärt. Der Beschluss wurde noch am gleichen Tage zur Bekanntmachung an die Geschäftsstelle übergeben. Die sofortige Beschwerde des Betroffenen gegen die getroffene Anordnung hat das LG mit Beschluss vom 17.11.2003 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen, die mit Schriftsatz des Verfahrensbevollmächtigten vom 16.12.2003 für den Fall einer Erledigung der Hauptsache darauf beschränkt wurde, die Rechtswidrigkeit der vorläufigen Unterbringung und die Rechtswidrigkeit der Anordnung der sofortigen Wirksamkeit auszusprechen.

Der Betroffene hat sich dem Vollzug der Unterbringung bisher durch Flucht entzogen.

II. Die statthafte sofortige weitere Beschwerde war im vorliegenden Falle wegen Erledigung der Hauptsache als unzulässig zu verwerfen. Auch in Form des zuletzt gestellten Antrages auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der getroffenen Maßnahmen konnte das Rechtsmittel keinen Erfolg haben.

1. Die angegriffene einstweilige Anordnung des AG hat sich durch Zeitablauf erledigt. Sie war entspr. der gesetzlichen Regelung auf sechs Wochen befristet (vgl. § 70 h Abs. 2 S. 1 FGG). Die Frist läuft ab Wirksamwerden der Anordnung (vgl. Bassenge/Herbst/Roth, FGG/RPflG, 9. Aufl., § 70 h FGG Rz. 11) . Im vorliegenden Falle ist die getroffene Anordnung zu dem Zeitpunkt wirksam geworden, an dem sie der Geschäftsstelle des AG zur Bekanntmachung übergeben worden ist (§ 70 h Abs. 1 S. 2, § 70 g Abs. 3 Sätze 2 und 3 FGG); dies war der 30.10.2003. Somit ist die einstweilige Anordnung mit Ablauf des 11.12.2003 außer Kraft getreten. Dadurch hat sich im vorliegenden Fall die Hauptsache erledigt (vgl. Bassenge, Einl. FGG, Rz. 119).

2. Die Erledigung führt zum Ende des Verfahrens in der Hauptsache, ohne dass eine Entscheidung des Gerichts über den Verfahrensgegenstand ergeht. Ein nach Erledigung der Hauptsache eingelegtes Rechtsmittel ist deshalb grundsätzlich unzulässig; ein zuvor eingelegtes Rechtsmittel wird unzulässig und ist zu verwerfen, wenn der Beschwerdeführer es nicht auf die Kosten beschränkt (vgl. i.E. Keidel/Kahl, FGG, 15. Aufl., § 19 Rz. 85; Bassenge, Einl. FGG, Rz. 129).

a) Die Fortsetzung eines in der Hauptsache erledigten Verfahrens zum Zwecke der Feststellung der Rechtswidrigkeit ist im FGG nicht vorgesehen. Eine entsprechende Anwendung der Sonderregelungen zur Überprüfung von Verwaltungsakten kommt nicht in Betracht (vgl. Keidel/Kahl, § 19 Rz. 86, m.w.N.).

Das BVerfG hat allerdings entschieden, dass Art. 19 Abs. 4 GG den Rechtsmittelgerichten gebiete, ein von der jeweiligen Prozessordnung eröffnetes Rechtsmittel nicht ineffektiv zu machen. Deshalb sei das Rechtsschutzinteresse in Fällen tiefgreifender Grundrechtseingriffe auch dann zu bejahen, wenn sich die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt zwar erledigt habe, eine Sachentscheidung nach dem typischen Verfahrensablauf aber in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nicht zu erlangen sei (vgl. BVerfG v. 10.5.1998 – 2 BvR 978/97, NJW 1998, 2432 ff.). Hierzu gehören nach der Rspr. des BVerfG erledigte richterliche Durchsuchungsanordnungen, beendete richterlich bestätigte Ingewahrsamnahmen sowie im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit mit kurzer Frist angeordnete und genehmigte Freiheitsentziehungen, bei denen typischer Weise vor Beendigung der mit einem erheblichen Grundrechtseingriff verbundenen Maßnahme keine hinreichende Möglichkeit zur gerichtlichen Überprüfung besteht wie z.B. im Falle vorläufiger gerichtlich angeordneter Unterbringungen psychisch auffälliger Personen nach § 70 h FGG i.V.m. Landesrecht (vgl. Keidel/Kahl, § 19 Rz. 86). Zu den schwerwiegenden Grundrechtseingriffen hat das BVerfG darüber hinaus in einem Einzelfall auch die gerichtliche Bestellung eines Betreuers zur Genehmigung eines körperlichen Eingriffs gezählt, da der Betreute in seiner Entscheidungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG ganz oder teilweise in den vom Gericht bestimmten Angelegenheiten eingeschränkt werde und an seiner Stelle und für ihn ein Betreuer entscheide, der den Wünschen des Betreuten nur insoweit zu entsprechen habe, als dies dessen Wohl nicht entgegenstehe (v...

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