Leitsatz (amtlich)

1. Antrag auf Rechtswidrigkeitsfeststellung im Verfahren der weiteren Beschwerde, wenn das Beschwerdegericht trotz Erledigung der Hauptsache über die Fortdauer der Unterbringung entschieden hat.

2. Auslegung dieses Antrags, wenn der Beschwerdeführer die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer solchen Entscheidung beantragt hat.

 

Normenkette

BGB § 1906 Abs. 1; FGG § 69 f. Abs. 1, § 70h; GG Art. 19 Abs. 4

 

Verfahrensgang

LG Nürnberg-Fürth (Beschluss vom 10.04.2003; Aktenzeichen 13 T 2767/03)

AG Nürnberg (Aktenzeichen XVII 626/02)

 

Tenor

Die sofortige weitere Beschwerde gegen den Beschluss des LG Nürnberg-Fürth vom 10.4.2003 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Das AG genehmigte ohne vorherige Anhörung mit einstweiliger Anordnung vom 27.2.2003 für längstens sechs Wochen die Unterbringung der Betroffenen in einer geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses. Die Betroffene wurde am 27.2.2003 geschlossen untergebracht und am 14.3.2003 durch einen Richter angehört.

Die gegen den Unterbringungsbeschluss von der Betroffenen eingelegte sofortige Beschwerde hat das LG mit Beschluss vom 10.4.2003, hinausgegeben am 11.4.2003, zurückgewiesen. Spätestens seit 13.5.2003 hielt sich die Betroffene auf einer offenen Station auf, sie ist inzwischen entlassen.

Mit ihrer sofortigen weiteren Beschwerde will die Betroffene nach Hinweis des Senats nunmehr erreichen, dass die Rechtswidrigkeit des landgerichtlichen Beschlusses vom 10.4.2003 festgestellt wird, die Auslagen der Betroffenen der Staatskasse auferlegt werden und die Feststellung getroffen wird, dass die Zuziehung des Verfahrensbevollmächtigten für die Betroffene wegen der Bedeutung der Angelegenheit notwendig war.

II. Die zulässige sofortige weitere Beschwerde ist i.E. unbegründet.

1. Die Hauptsache ist erledigt (vgl. BayObLG v. 2.2.1989 – BReg. 3 Z 72/88, BayObLGZ 1989, 17 [18]). Die Genehmigung der Unterbringung war auf einen Zeitraum von sechs Wochen befristet; dieser lief am 10.4.2003 ab. Erledigt sich die Hauptsache, wird das zuvor mit dem Zweck der Entlassung aus der Unterbringung eingelegte Rechtsmittel unzulässig; eine Sachentscheidung kann insoweit nicht mehr ergehen (vgl. Keidel/Kahl, FGG, 15. Aufl., § 19 Rz. 94). Das Rechtsmittel kann aber auf die Kostenfrage beschränkt werden (Keidel/Kahl, FGG, 15. Aufl., § 19 Rz. 94) oder mit dem Ziel weiter verfolgt werden, die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Unterbringung trotz Zeitablaufs zu erreichen. Denn die in Art. 19 Abs. 4 GG verbürgte Effektivität des Rechtsschutzes gebietet es, in den Fällen, in denen der durch die geschlossene Unterbringung bewirkte tiefgreifende Eingriff in das Grundrecht der Freiheit beendet ist, die Schutzwürdigkeit des Interesses des Betroffenen an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Grundrechtseingriffs zu bejahen (vgl. BVerfG v. 5.12.2001 – 2 BvR 527/99, NJW 2002, 2456; BayObLGZ 2002, 304 [306]; Demharter, FGPrax 2002, 137 [138]). Ob hiervon im Einzelfall Ausnahmen gerechtfertigt sein können (vgl. Demharter, FGPrax 2002, 137 [138]; BVerfG v. 18.12.2002 – 2 BvR 1660/02, NJW 2003, 1514 für eine Durchsuchungsanordnung), bedarf hier keiner weiteren Erörterung, da im vorliegenden Fall einer zeitlich eng befristeten Freiheitsentziehung bereits nach den bisher maßgebenden Grundsätzen der Rspr. (vgl. BVerfG v. 10.5.1998 – 2 BvR 978/97, NJW 1998, 2432; BayObLG v. 20.7.2001 – 3 Z BR 69/01, NJW 2002, 146 m.w.N.) der Fortbestand des Rechtsschutzbedürfnisses zu bejahen ist.

Ergeht trotz Erledigung der Hauptsache im Beschwerdeverfahren eine Hauptsacheentscheidung, so ist hiergegen die sofortige weitere Beschwerde zulässig; die Erstbeschwerde ist unter Aufhebung der Entscheidung des Beschwerdegerichts als unzulässig zu verwerfen, wenn sie der Beschwerdeführer nicht entspr. den zuvor dargestellten Grundsätzen umgestellt hat (vgl. BayObLG v. 29.5.1998 – 3Z BR 137/98, MDR 1998, 1116 [1117]; Keidel/Meyer/Holz, § 27 Rz. 51).

Im vorliegenden Fall ist die Entscheidung des Beschwerdegerichts erst mit Hinausgabe an die Beteiligten am 11.4.2003 im Rechtssinne erlassen und damit existent (Keidel/Schmidt, § 16 Rz. 6) geworden. Die Erledigung des Verfahrens in der Hauptsache durch Zeitablauf – Ende der genehmigten Unterbringung am 10.4.2003 – ist damit noch während der Anhängigkeit des Beschwerdeverfahrens eingetreten. Ergeht trotz Erledigung der Hauptsache – gleich, ob diese dem Beschwerdegericht bekannt war oder nicht – eine Entscheidung des Beschwerdegerichts in der Hauptsache, ist diese verfahrensrechtswidrig getroffen worden und wäre damit aufzuheben (s. hierzu BayObLG v. 19.5.2003 – 3Z BR 79/03 bisher nicht veröffentlicht).

2. Die Betroffene hat aber zwischenzeitlich einen zulässigen Feststellungsantrag gestellt, so dass eine Verwerfung ihrer sofortigen Beschwerde nicht in Betracht kommt. Vielmehr hätte das Beschwerdegericht nach Zurückverweisung der Sache über den Feststellungsantrag der Betroffenen in der Sache zu entscheiden. Der Senat sieht von einer Zurückverweisung ab und entsche...

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