Leitsatz (amtlich)
Allein die Teilnahme an der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft und die Erteilung einer Vollmacht zur Abstimmung über die entschädigungslose Abschaffung von Mehrstimmrechten und Vorzugsaktien im Sinne des Vorschlags der Verwaltung begründet nicht die Besorgnis der Befangenheit eines Richters, der mit dem Verfahren über die Bestimmung eines angemessenen Ausgleichs befaßt ist.
Normenkette
FGG § 6 Abs. 2
Verfahrensgang
LG München I (Aktenzeichen 5 HKO 16369/99) |
Tenor
Die Anzeige des Richters X wird für nicht begründet erklärt.
Tatbestand
I.
Die Antragsgegnerin ist eine Aktiengesellschaft. Von ihren im Zeitpunkt der Hauptversammlung am 18.2.1999 vorhandenen 594.780.140 Aktien im Nennbetrag von je 5 DM waren 585.543.800 Stück auf den Inhaber lautende Stammaktien. 9.236.340 Aktien waren als auf den Namen lautende Vorzugsaktien ausgestattet. Sie hatten gemäß § 4 Abs. 3, § 23 Abs. 2 der Satzung in bestimmten Angelegenheiten in einer zweiten Abstimmung, die ein Vorzugsaktionär nach Durchführung der ersten Abstimmung verlangen konnte (§ 23 Abs. 3 der Satzung), ein sechsfaches Stimmrecht; maßgebend war das Ergebnis der zweiten Abstimmung. Sie waren außerdem auf Verlangen des Aktionärs in Inhaberaktien umzuwandeln, bei der Verteilung des Gesellschaftsvermögens waren Vorteile für die Stammaktionäre vorgesehen (vgl. § 4 Abs. 2 Buchst. b, Abs. 3 und 5, § 5, § 23 Abs. 2 und 3 der Satzung der Antragsgegnerin nach damaligem Stand). Die Vorzugsaktien wurden vollständig von der Antragstellerin gehalten.
In der Einladung zur Hauptversammlung am 18.2.1999 schlugen Aufsichtsrat und Vorstand der Antragsgegnerin den Aktionären vor, folgendes zu beschließen:
- „Die Mehrstimmrechte der Vorzugsaktien … werden beseitigt.
- Für die Beseitigung der Mehrstimmrechte wird je Vorzugsaktie ein Ausgleich von 0,00 DM festgesetzt.”
Ferner sah der Vorschlag vor, die Vorzugsaktien in Namensstammaktien umzuwandeln, die den Inhaberstammaktien gleichgestellt sein sollten, und die Satzung entsprechend den vorgeschlagenen Änderungen anzupassen. Der Vorschlag wurde in der Hauptversammlung gegen die Stimmen der Antragstellerin angenommen.
Mit Beschluß vom 14.9.2001 hat das Landgericht auf Antrag der Antragstellerin als angemessenen Ausgleich für die durch Beschluß der Hauptversammlung beseitigten Mehrstimmrechte der ehemaligen Vorzugsaktien einen Betrag von Euro 0,70 je Mehrstimmrecht festgesetzt. Gegen diesen Beschluß haben sowohl die Antragstellerin wie auch die Antragsgegnerin sofortige Beschwerde eingelegt.
Richter X ist Mitglied der Spruchgruppe des 3. Zivilsenats, die über die sofortigen Beschwerden zu entscheiden hat. Er hat folgendes angezeigt:
„Entsprechend § 48 ZPO zeige ich vorsorglich an, daß ich seit mehreren Jahren, zuletzt seit 1993, Aktionär der … AG bin. Zusammen mit meiner Ehefrau halte ich derzeit Namensaktien der Gesellschaft. In meiner Eigenschaft als Aktionär habe ich u. a. auch an der Hauptversammlung der AG im Jahr 1999 teilgenommen, auf der die verfahrensgegenständlichen Beschlüssen gefaßt worden sind. Ich habe die Versammlung im Laufe des Nachmittags verlassen, habe dabei aber nach meiner Erinnerung mittels einer im Stimmrechtsblock vorgedruckten Vollmacht dort namentlich genannte Personen ermächtigt, bei der Abstimmung über die Tagesordnungspunkte u. a. zu TOP 10 (Beseitigung der Mehrfachstimmrechte und vollständige Beseitigung der Vorzugsaktien) im Sinne des Vorschlages der Verwaltung zu stimmen.”
Die Antragstellerin hat mit Schreiben vom 27.11.2001 dahin Stellung genommen, daß aufgrund des angezeigten Sachverhalts die Besorgnis der Befangenheit des Richters bestehe. Die Antragsgegnerin hat sich nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
II.
Die Anzeige ist für nicht begründet zu erklären.
1. Die Selbstablehnung eines Richters gemäß § 6 Abs. 2 FGG, § 48 ZPO ist nur dann begründet, wenn die Besorgnis der Befangenheit besteht. Eine solche Besorgnis ist gegeben, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen (§ 42 ZPO analog; Bassenge u. a. FGG/RPflG 9. Aufl. § 6 FGG Rn. 9 f.). Abzustellen ist hierbei auf eine besonnene, objektive Betrachtung vom Standpunkt der Beteiligten aus. Der geltend gemachte Umstand muß bei solcher Betrachtung geeignet sein, die Befürchtung zu erwecken, der Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit unparteiisch gegenüber. Rein subjektive, unvernünftige Vorstellungen und Gedankengänge kommen nicht zum Tragen (vgl. BayObLGZ 1987, 211/217).
2. Danach sind im vorliegenden Fall keine Gründe für die Besorgnis der Befangenheit des Richters gegeben.
a) Ein die Besorgnis der Befangenheit begründendes wirtschaftliches Interesse des Richters am Ausgang des Verfahrens liegt nicht vor. Ein solches ist dann gegeben, soweit echte wirtschaftliche Belange des Richters auf dem Spiel stehen (vgl. BGH 113, 262/277; Baumbach/Hartmann ZPO 60. Aufl. § 42 Rn. 56). Allein die Tatsache, daß der Richter Aktionär der Antragsgegnerin ist, begründet danach nicht ...