Entscheidungsstichwort (Thema)

Räumung

 

Leitsatz (amtlich)

Ist eine Rechtsfrage, die das Landgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung vorgelegt hat, nach dem Zeitpunkt der Vorlage durch Rechtsentscheid beantwortet worden, so sind die Voraussetzungen für einen Rechtsentscheid nicht mehr gegeben.

 

Normenkette

ZPO § 541 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG München I (Beschluss vom 07.12.1994; Aktenzeichen 14 S 16442/94)

AG München (Aktenzeichen 433 C 3123/94)

 

Tenor

Ein Rechtsentscheid ergeht nicht.

 

Tatbestand

I.

Die Beklagte ist Mieterin einer Zweizimmerwohnung in einem Mehrfamilienhaus in München. Nach ihren Angaben besteht das Mietverhältnis seit dem 1.6.1985. Im Jahr 1986 wurde das Anwesen gemäß § 8 WEG in Wohnungseigentum aufgeteilt. Die Kläger erwarben die an die Beklagte vermietete Wohnung mit notariellem Vertrag vom 12.12.1988 und wurden am 26.1.1989 als Eigentümer in das Wohnungsgrundbuch eingetragen. Sie machen Eigenbedarf für ihren Sohn geltend und haben das Mietverhältnis zum 1.5.1994 gekündigt. Ihre Räumungsklage hat das Amtsgericht aus formalen Gründen abgewiesen. Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Kläger.

Das Landgericht hat dem Bayerischen Obersten Landesgericht durch Beschluß vom 7.12.1994 wegen grundsätzlicher Bedeutung folgende Fragen zum Rechtsentscheid vorgelegt:

  • Ist die 10-jährige Sperrfrist aus Art. 14 Nr. 1 des Investitionserleichterungs- und Wohnbaulandgesetzes vom 22. April 1993 auf Fälle anwendbar, in denen sowohl die Kündigungserklärung als auch der Ablauf der Kündigungsfrist nach dem Inkrafttreten des Gesetzes am 1.5.1993 liegen, die erste Veräußerung des nach WEG aufgeteilten Wohnungseigentums aber vor dem Inkrafttreten des Gesetzes am 1.5.1993 und auch vor der Einführung der 5-jährigen Sperrfrist nach § 564b Abs. 2 Nr. 2 BGB am 1.8.1990 gemäß der Übergangsregelung in Art. 2 des Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsstellung des Mieters bei Begründung von Wohnungseigentum an vermieteten Wohnungen vom 20. Juli 1990 liegt?
  • Falls Frage 1 bejaht wird: Stellt die 10-jährige Sperrfrist gemäß Art. 14 Nr. 1 des Investitionserleichterungs- und Wohnbaulandgesetzes vom 22. April 1993 eine echte Kündigungssperrfrist mit der Folge der Unwirksamkeit der erklärten Kündigung oder eine besondere Form der Sozialklausel dar?

Es hält die Kündigung, im Gegensatz zum Amtsgericht, für formwirksam. Jedoch sei die amtsgerichtliche Entscheidung ohne weiteres zu bestätigen, wenn die 10-jährige Sperrfrist gemäß Art. 14 Nr. 1 des Investitionserleichterungs- und Wohnbaulandgesetzes anwendbar sei (Vorlagefrage Nr. 1). Anderenfalls müsse der behauptete Eigenbedarf durch Beweisaufnahme geklärt werden. Falls er sich bestätige, sei die Vorlagefrage Nr. 2 entscheidungserheblich.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Vorlage, über die das Bayerische Oberste Landesgericht zu entscheiden hat (BayObLGZ 1991, 348/350, ständige Rechtsprechung), ist unzulässig geworden. Ob die Voraussetzungen für den Erlaß eines Rechtsentscheids gegeben sind, richtet sich nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Entscheidung (BayObLG RES 3. MietRÄndG Nr. 29 und 53). Das Oberlandesgericht Stuttgart hat mit Beschluß vom 22.2.1995 (8 RE-Miet 1/94) folgenden Rechtsentscheid erlassen:

Das Gesetz über eine Sozialklausel in Gebieten mit gefährdeter Wohnungsversorgung – Art. 14 des Gesetzes zur Erleichterung von Investitionen und der Ausweisung und Bereitstellung von Wohnbauland vom 22.4.1993, BGBl. I S. 466, 487 – ist nicht anwendbar auf Fälle, in denen das Wohnungseigentum vor dem 1.5.1993 veräußert worden ist.

Dieser Rechtsentscheid beantwortet die erste Vorlagefrage. Damit ist die Frage nicht mehr von grundsätzlicher Bedeutung (§ 541 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz ZPO). Die Voraussetzungen für eine Vorlage sind nach dem Rechtsentscheid des Oberlandesgerichts Stuttgart nur noch gegeben, wenn das Landgericht von ihm abweichen will (§ 541 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz ZPO). Davon kann der Senat schon deswegen nicht ausgehen, weil der Rechtsentscheid im Zeitpunkt der Vorlage noch nicht ergangen war (vgl. BayObLG RES 3. MietRÄndG Nr. 53).

Die zweite Frage hat das Landgericht nur für den Fall vorgelegt, daß die erste Frage bejaht wird. Da der Rechtsentscheid des Oberlandesgerichts Stuttgart die erste Frage verneint, ist die vom Landgericht gesetzte Voraussetzung für eine Beantwortung der zweiten Frage durch Rechtsentscheid nicht gegeben.

 

Unterschriften

Gummer, Werdich, Sprau

 

Fundstellen

Dokument-Index HI876255

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge