Leitsatz (amtlich)
1. Wird eine Klage zunächst nur gegen einen Beklagten erhoben und erst nach formloser Abgabe an ein anderes Gericht auf einen weiteren Streitgenossen erweitert, ist für eine infolgedessen nötig werdende Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO das Gericht, bei dem der parteierweiternde Schriftsatz eingereicht wurde, als das "zuerst mit der Sache befasste Gericht" im Sinne des § 36 Abs. 2 ZPO anzusehen.
2. Ist keine andere Vereinbarung getroffen, liegt der Erfüllungsort für die Verpflichtungen aus einer Neuwagen-Mobilitätsgarantie regelmäßig am Sitz des Garantiegebers.
3. Der Erfüllungsort für die Verpflichtungen aus einer Neuwagen-Herstellergarantie liegt bei Fehlen einer anderen Vereinbarung jedenfalls nicht am Sitz des Käufers.
Verfahrensgang
AG München (Aktenzeichen 111 H 6224/22) |
Tenor
Als (örtlich) zuständiges Gericht wird das Amtsgericht München bestimmt.
Gründe
I. Die Antragstellerin möchte in einem bereits eingeleiteten selbständigen Beweisverfahren gegen die Antragsgegnerinnen zu 1) und zu 2) unter anderem die Ursache eines Motorschadens klären lassen.
Die Antragstellerin mit Sitz in Bremen ist Halterin eines Fiat Talento, für den eine Fahrzeuggarantie der Antragsgegnerin zu 2), deren Sitz sich in Rüsselsheim befindet, besteht. Das Fahrzeug wurde nach einem Motorschaden am 13. September 2021 in die Werkstatt der Firma K. nach Hamburg-Eimsbüttel verbracht, wo es sich noch immer befindet.
Die Antragstellerin behauptet, der Motorschaden beruhe auf einem Herstellungsmangel. Der Schaden sei im Rahmen der Fahrzeuggarantie durch Reparatur oder Austausch der betroffenen Teile zu beseitigen. Nicht auszuschließen sei aber auch die Verwendung minderwertigen Öls durch die Streithelferin im Rahmen der Wartung, was allein- oder mitursächlich für den Motorschaden sein könne. Die Antragsgegnerin zu 2) übernehme für die Laufzeit der Fahrzeuggarantie zudem eine Neuwagen-Mobilitätsgarantie, für die die Antragsgegnerin zu 1) Leistungserbringerin sei. Im noch nicht anhängigen Hauptsacheverfahren beabsichtige die Antragstellerin daher, Ansprüche auf Kostenübernahme bzw. Rückerstattung geleisteter Auslagen gegen die Antragsgegnerin zu 1) sowie Garantieansprüche gegen die Antragsgegnerin zu 2) als Modifizierung der Nachbesserungspflicht des Verkäufers geltend zu machen. Die Mängelbeseitigungskosten würden auf nicht mehr als 5.000,00 EUR veranschlagt.
Im selbständigen Beweisverfahren beantragt die Antragstellerin, ein Sachverständigengutachten unter anderem darüber einzuholen, dass bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug ein Motorschaden vorliege, ob der Hersteller für den Schaden verantwortlich und welche Maßnahmen für die Beseitigung erforderlich seien, welche Kosten dafür entstünden sowie ob der Motorschaden auf fehlende Wartung und Schmierung zurückzuführen sei.
Die auf Seiten der Antragstellerin beigetretene Nebenintervenientin behauptet, sie habe am streitgegenständlichen Fahrzeug nur eine Wartung im Juni 2020 durchgeführt und dabei fachgerecht das richtige Öl verwendet. Möglich sei aber eine nochmalige spätere Wartung durch einen Dritten. Die Nebenintervenientin stellt ergänzende Beweisanträge dazu, welches Öl sich im Motor befinde.
Die Antragsgegnerin zu 1) beantragt im selbständigen Beweisverfahren, die Anträge der Antragstellerin zurückzuweisen. Die Antragsgegnerin zu 1) sei nicht passivlegitimiert, sie erbringe nur Mobilitätsdienstleistungen für die Antragsgegnerin zu 2). Zu den Dienstleistungen zählten zum Beispiel Abschlepphilfe, Pannenhilfe, Mietwagen. Ansprüche wie die Begutachtung des Fahrzeugs und die Beseitigung von Fahrzeugmängeln gehörten nicht zum Mobilitätsschutz, sondern zur Fahrzeuggarantie. Eine solche bestehe bei der Antragsgegnerin zu 1) nicht.
Die Antragsgegnerin zu 2) behauptet, der Motorschaden sei durch unzureichende oder fehlerhafte Wartung verursacht worden. Ansprüche gegen die Antragsgegnerin zu 2) kämen daher nicht in Betracht.
Die Antragstellerin hat den Antrag im selbständigen Beweisverfahren zunächst nur gegen die Antragsgegnerin zu 1) beim Amtsgericht Hamburg-Barmbeck eingereicht. Mit Verfügung vom 11. März 2022 hat das Amtsgericht darauf hingewiesen, dass eine Zuständigkeit nicht erkennbar sei, da die Antragsgegnerin ihren Sitz in München habe, das Fahrzeug sich im Bezirk des Amtsgerichts Hamburg-Altona befinde und es an Vortrag zur dringenden Gefahr nach § 486 Abs. 3 ZPO fehle.
Die Antragstellerin hat hierauf beantragt, die Sache an das "örtlich und sachlich zuständige Amtsgericht Hamburg-Altona zu verweisen". Eine dringende Gefahr liege vor, da das Fahrzeug mit zerlegtem Motor nach wie vor in der Werkstatt in Hamburg stehe. Die Antragstellerin wolle das Fahrzeug reparieren lassen, sei aber dazu nicht "gehalten", solange die Beweismittel nicht gesichert seien. Es bestehe die dringende Gefahr, dass Beweismittel verloren gingen oder deren Benutzung erschwert werde.
Auf Hinweis des Amtsgerichts Hamburg-Barmbeck, eine Eilzuständigkeit des Amtsgerichts Hamburg-Altona se...