Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachlasspflegschaft
Leitsatz (redaktionell)
1. Im Falle des § 1961 BGB tritt an die Stelle des Fürsorgebedürfnisses ein Rechtsschutzbedürfnis des Gläubigers, das sich grundsätzlich bereits aus der Tatsache ergibt, dass er einen Anspruch gegen den Nachlass geltend machen will.
2. Antragsberechtigt ist, wer die Absicht vorträgt, einen Anspruch gegen den Nachlass notfalls gerichtlich geltend machen zu wollen.
Normenkette
BGB § 1961
Verfahrensgang
LG München I (Aktenzeichen 16 T 7145/01) |
AG München (Aktenzeichen 62 VI 2734/01) |
Tenor
I. Gerichtskosten für das Verfahren in allen drei Instanzen werden nicht erhoben.
II. Die Akten werden dem Amtsgericht München zurückgegeben.
Tatbestand
I.
Die 2001 im Alter von 83 Jahren verstorbene Erblasserin war verwitwet. Der einzige Abkömmling, ihr Sohn, war 1998 vorverstorben.
Das Haus, in dem die Erblasserin wohnte, hatte ihrem Sohn gehört. Dieser hatte durch notarielles Testament vom 11.12.1997 die Beteiligte, seine geschiedene Ehefrau, zur Erbin eingesetzt, der Erblasserin aber vermächtnisweise den Nießbrauch an diesem Haus auf Lebensdauer zugewandt.
Am 26.3.2001 eröffnete das Nachlaßgericht die zwei eigenhändigen Testamente der Erblasserin vom 19.3.2000 und vom 1.7.2000. Letzteres lautet:
„Mein letzter Wille!
Ich … verfüge über den Nachlaß wie folgt:
Frau M. wird als Erbe eingesetzt. Sie ist berechtigt meinen Nachlaß zu verwalten und zu verteilen. Alles Inventar wurde von mir gekauft. Somit kann nur Frau M. entscheiden, wer dieses oder jenes bekommt.
Es liegt ein Sparbuch vor, von dem Frau M. alle Kosten für Bestattung usw. begleichen kann, auch die daraus entstehenden Kosten für späteren Blumenschmuck. Mein Cash-Kto. Nr. … soll zu gleichen Teilen an Frau M. … und Herrn R. … aufgeteilt werden. Das lfd. Kto. … bei der Kreissparkasse I. geht an Frau B. … Frau … (die Beteiligte) wird von dem Erbe ausgeschlossen, da sie nur mit Unwahrheiten mit gegenüber umgegangen ist.
Frau M. wird beauftragt die Behördengänge zu erledigen.”
Es folgt die Unterschrift der Erblasserin. Am linken Rand quergeschrieben steht noch folgender Satz:
„Mein erstes Testament ist ungültig und wird durch dieses ersetzt.”
Abschriften des Eröffnungsprotokolls und Kopien der Testamente übersandte das Nachlaßgericht an Frau M. und Herrn R. mit dem Hinweis, daß sie als Miterben in Betracht kämen, und einer Belehrung über die Möglichkeit der Erbschaftsausschlagung, an Frau M. ferner mit dem Hinweis, daß sie zum Testamentsvollstrecker berufen sei, und der Frage, ob sie das Amt annehme und ein Testamentsvollstreckerzeugnis benötige.
Mit Anwaltsschriftsatz vom 27.3.2001 stellte die Beteiligte den Antrag auf Bestellung eines Nachlaßpflegers gemäß § 1961 BGB. Zur Begründung führte sie aus, sie habe, da der Nießbrauch erloschen sei, Anspruch auf Räumung und Herausgabe des Hauses, das die Erblasserin allein bewohnt habe. Es stehe nicht fest, wer Erbe sei; zumindest sei bisher nicht geklärt, ob die Erbschaft angenommen werde oder nicht.
Das Nachlaßgericht lehnte mit Beschluß vom 2.4.2001 den Antrag ab mit der Begründung, daß die Voraussetzungen für die Anordnung einer Nachlaßpflegschaft „gemäß § 1960 BGB” nicht vorlägen, da weder die Erben unbekannt seien, noch eine Sicherung des Nachlasses erforderlich sei. Das Testament der Erblasserin sei eröffnet worden. „Sowohl die testamentarischen Erben als auch der im Testament genannte Testamentsvollstrecker” seien angeschrieben worden. Es werde darauf hingewiesen, daß die Ausschlagungsfrist 6 Wochen ab Kenntnis betrage. Bisher hätten „die im Testament genannten Erben die Erbschaft weder angenommen noch ausgeschlagen. Sobald die Erben feststehen, bzw. der Testamentsvollstrecker ein entsprechendes Zeugnis erhalten hat”, bekäme die Beteiligte die Erben bzw. den Testamentsvollstrecker mitgeteilt.
Die Beteiligte erhielt diesen Beschluß zunächst nur in einer Ausfertigung, die lediglich den Entscheidungssatz, nicht auch die Gründe der Entscheidung wiedergab. Sie legte mit Anwaltsschriftsatz vom 6.4.2001 Beschwerde ein, weil die Entscheidung nicht begründet worden sei. Das Nachlaßgericht half nicht ab, sondern legte die Beschwerde am 10.4.2001 dem Landgericht vor. Am 11.4.2001 ging beim Nachlaßgericht die Antwort von Frau M. auf die Benachrichtigung von der Testamentseröffnung ein. Frau M. erklärte, sie nehme das ihr zustehende Erbe und das Amt des Testamentsvollstreckers an; sie benötige weder ein Testamentsvollstreckerzeugnis noch einen Erbschein. Mit Schreiben vom 1.5.2001 beantragte sie nachträglich doch noch einen Erbschein „für die Kreissparkasse M.”. Beide Schreiben wurden nicht an das Landgericht weitergeleitet; der Erbscheinsantrag wurde auch nicht bearbeitet, da sich die Akten beim Landgericht befanden.
Am 27.4.2001 erhielt der Anwalt der Beteiligten auf Veranlassung des Landgerichts den Beschluß des Nachlaßgerichts in vollständigem Wortlaut, einschließlich der Gründe. Da er auf die Anfrage, ob er nunmehr die Hauptsache für erledigt erklären wolle, nicht reagiert...