Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachlasspflegschaft
Leitsatz (redaktionell)
Die Anordnung einer Nachlasspflegschaft darf nicht von der Durchführung umfangreicher und zeitraubender Ermittlungen abhängig gemacht werden.
Normenkette
BGB § 1960; FGG § 12
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Beschluss vom 13.06.1995; Aktenzeichen 13 T 4418/95) |
AG Hersbruck (Aktenzeichen IV 62/95) |
Tenor
Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluß des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 13. Juni 1995 wird zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
Die 1995 verstorbene Erblasserin war ledig und kinderlos. In den Jahren vor ihrem Tod war sie pflegebedürftig. In einem notariellen Testament vom 18.5.1992 hat sie die Beteiligte zu 1, die sie in dieser Zeit versorgt hat, zu ihrer Alleinerbin eingesetzt. Zu notarieller Urkunde vom gleichen Tag hat sie ihr außerdem Generalvollmacht erteilt, nachdem sie ihr bereits 1990 privatschriftlich eine in ihrem Umfang beschränkte Vollmacht eingeräumt hatte. Für die Erblasserin war durch Beschluß des Vormundschaftsgerichts vom 18.11.1994 Betreuung angeordnet worden. Dem Betreuer war eine ordnungsgemäße Wahrnehmung seiner Aufgaben nicht möglich, da die Beteiligte zu 1 ihre Mitwirkung verweigerte.
Aufgrund der im Betreuungsverfahren durchgeführten Ermittlungen hat das Nachlaßgericht Zweifel an der Testierfähigkeit der Erblasserin im Zeitpunkt der Errichtung des Testaments. Nach dem im Rahmen der amtlichen Erbenermittlung erholten psychiatrischen Gutachten hängt die Beurteilung dieser Frage von der gerichtlichen Klärung tatsächlicher Gegebenheiten ab. Deshalb hat das Nachlaßgericht nach Eingang des Gutachtens mit Beschluß vom 26.4.1995 Nachlaßpflegschaft angeordnet und den Beteiligten zu 2 zum Nachlaßpfleger bestellt. Hiergegen hat die Beteiligte zu 1 Beschwerde eingelegt. Das Landgericht hat dem Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1 auf dessen Rüge hin Ablichtungen des Testaments und des Gutachtens sowie von Teilen der Betreuungsakten übermittelt und anschließend das Rechtsmittel mit Beschluß vom 13.6.1995 zurückgewiesen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1, die inzwischen auch einen Erbschein als Alleinerbin beantragt hat. Der Beteiligte zu 2 hat sich zur Sache nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
II.
Die zulässige weitere Beschwerde ist nicht begründet.
1. Das Landgericht hat ausgeführt:
Es bestehe Anlaß zur Bestellung eines Nachlaßpflegers. Die Testierfähigkeit der Erblasserin bei Errichtung des Testaments sei angesichts der widersprüchlichen Angaben des beurkundenden Notars und des Hausarztes der Erblasserin einerseits, der im Betreuungsverfahren vernommenen Zeugen andererseits zweifelhaft. Eine Aufklärung dieser Frage durch weitere Ermittlungen könne erwartet werden. Wegen dieser Unklarheit könne derzeit noch nicht gesagt werden, ob die Beteiligte zu 1 oder Verwandte der Erblasserin Erben geworden seien. Da derzeit niemand vorhanden sei, der das Vermögen erhalten und sichern könne, habe das Nachlaßgericht zu Recht einen Nachlaßpfleger für die unbekannten Erben bestellt.
2. Die angefochtene Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO) stand.
a) Gemäß § 1960 Abs. 1 und 2 BGB kann das Nachlaßgericht dem unbekannten Erben einen Nachlaßpfleger bestellen, soweit hierfür ein Bedürfnis besteht. Ob der Erbe „unbekannt” ist und ob ein Fürsorgebedürfnis besteht, ist vom Standpunkt des Nachlaßgerichts bzw. des im Beschwerdeverfahren an seine Stelle tretenden Beschwerdegerichts aus zu beurteilen (BayObLG Rpfleger 1990, 257, OLG Köln FamRZ 1989, 547/548), wobei der Kenntnisstand im Zeitpunkt der Entscheidung über die Sicherungsmaßnahme maßgebend ist (BayObLG bei Stanglmair Rpfleger 1975, 47; Staudinger/Marotzke BGB 13. Aufl. § 1960 Rn. 8). Es entspricht allgemeiner Meinung, daß der Erbe auch dann unbekannt ist, wenn mehrere Erben in Betracht kommen und sich der Tatrichter nicht ohne weitere umfangreiche Ermittlungen davon überzeugen kann, wer Erbe ist, weil Streit über die Testierfähigkeit des Erblassers und damit über die Gültigkeit eines Testaments besteht (BayObLG und OLG Köln aaO; vgl. auch BayObLGZ 1982, 284/290 f., Staudinger/Marotzke § 1960 Rn. 7 sowie Senatsbeschluß vom 26.3.1981 BReg. 1Z 17/81, jeweils m.w.Nachw.).
b) Nach diesen Grundsätzen haben die Tatsacheninstanzen zu Recht eine Nachlaßpflegschaft angeordnet.
aa) Das Landgericht hat im einzelnen dargelegt, warum es sich nicht schon jetzt davon überzeugen kann, wer Erbe geworden ist, und welche Hindernisse einer sofortigen Entscheidung über die Wirksamkeit des Testaments entgegenstehen. Erscheint die Testierfähigkeit wie hier zweifelhaft, so sind in aller Regel umfangreiche Ermittlungen nicht zu umgehen (BayObLGZ 1979, 256/263). Der durch das Nachlaßgericht beauftragte Gutachter ist zu dem Ergebnis gekommen, daß die Erblasserin im Zeitpunkt der Testamentserrichtung testierunfähig war, falls die Angaben der im Betreuungsverfahren vernommenen Zeugen zutreffen. Er weist jedoch zu Rec...