Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch des Vaters gegen die Pflegeeltern auf Herausgabe des Kindes. Umfang der Ermittlungspflicht des Beschwerdegerichts
Leitsatz (amtlich)
1. Zum Umfang der Ermittlungspflicht des Beschwerdegerichts im vormundschaftsgerichtlichen Verfahren über den Anspruch des Vaters auf Herausgabe des Kindes.
2. Steht fest, daß ein 8-jähriges Kind von den Pflegeeltern beeinflußt wird, kommt seiner Äußerung, bei den Pflegeeltern bleiben zu wollen, regelmäßig keine maßgebliche Bedeutung für eine Verbleibensanordnung zu.
Normenkette
BGB § 1632 Abs. 1, 4, § 1666 Abs. 1; FGG § 12
Verfahrensgang
LG Ansbach (Beschluss vom 10.04.1997; Aktenzeichen 4 T 714/96) |
AG Ansbach (Aktenzeichen X 31/95) |
Tenor
I. Auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1 wird der Beschluß des Landgerichts Ansbach vom 10. April 1997 aufgehoben. Die Sache wird zu anderer Behandlung und neuer Entscheidung an das Landgericht Ansbach zurückverwiesen.
II. Dem Beteiligten zu 1 wird Prozeßkostenhilfe für das Verfahren der weiteren Beschwerde bewilligt. Ihm wird Rechtsanwalt Helmut Hechtel in Nürnberg beigeordnet.
Tatbestand
I.
Aus der Ehe des Beteiligten zu 1 mit seiner ersten Frau gingen vier Kinder hervor, als jüngstes M., geboren 1989. Die Mutter starb drei Monate nach der Geburt von M. Weil der Beteiligte zu 1 die Kinder nicht allein betreuen konnte, gab er seine vier Kinder gemeinsam zu den Beteiligten zu 2 und 3 in Pflege. Deren Kinder sind volljährig und nur noch besuchsweise im Elternhaus. M. befindet sich seit 13.9.1989 bei den Beteiligten zu 2 und 3 in Dauerpflege. Am 3.6.1994 heiratete der Beteiligte zu 1 wieder. Seine zweite Frau brachte eine Tochter mit in die Ehe. Am 2.4.1996 wurde ein gemeinsames Kind geboren. Die drei älteren, in den Jahren 1983, 1986 und 1988 geborenen Kinder aus der ersten Ehe kehrten am 21.5.1994 in den väterlichen Haushalt zurück, während M. bei den Beteiligten zu 2 und 3 verblieb. Der Beteiligte zu 1 und seine zweite Frau bemühten sich aber auch um die Rückführung von M. Seit Mai 1994 fanden aufgrund von Umgangsregelungen des Vormundschaftsgerichts regelmäßige Besuche von M. im väterlichen Haushalt statt; sie verbringt auch mehrere Wochen in den Ferien in der Familie des Vaters mit ihren Geschwistern.
Mit Schreiben vom 25.1.1995 verlangte der Beteiligte zu 1 die Herausgabe von M. von den Beteiligten zu 2 und 3. Diese beantragten ihrerseits den Erlaß einer Verbleibensanordnung. Nach Einholung eines kinderpsychologischen Gutachtens und des Berichts des Jugendamts sowie nach Anhörung der Beteiligten und des Kindes gab das Vormundschaftsgericht am 25.6.1996 dem Antrag des Vaters auf Herausgabe des Kindes statt und traf eine Regelung für den Umgang der Beteiligten zu 2 und 3 mit dem Kind. Der Antrag der Beteiligten zu 2 und 3 wurde zurückgewiesen.
Auf ihre Beschwerde holte das Landgericht ein weiteres Gutachten des Sachverständigen sowie einen ergänzenden Bericht des Jugendamts ein und hörte die Beteiligten und das Kind erneut an. Mit Beschluß vom 10.4.1997 änderte das Landgericht die Entscheidung des Vormundschaftsgerichts dahingehend ab, daß der Antrag des Beteiligten zu 1 auf Herausgabe von M. zurückgewiesen wurde. Es ordnete an, daß M. vorerst bei den Beteiligten zu 2 und 3 verbleibt, und es traf eine Umgangsregelung zugunsten des Beteiligten zu 1 für jedes zweite Wochenende sowie für die Ferien, Mit seiner weiteren Beschwerde wendet sich dieser gegen die Zurückweisung seines Antrags auf Herausgabe des Kindes und stellt auch für das Verfahren der weiteren Beschwerde Antrag auf Prozeßkostenhilfe.
Entscheidungsgründe
II.
Die zulässige weitere Beschwerde führt zur Aufhebung der Entscheidung des Landgerichts und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
1. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:
Der Antrag des sorgeberechtigten Vaters auf Herausgabe des Kindes sei derzeit abzuweisen, weil die Gefahr bestehe, daß das Kind durch die Übersiedelung in den väterlichen Haushalt nachhaltige Schäden erleiden könne. Die Bindungen des Kindes an die Pflegeeltern seien stärker als an den Vater. Es wohne seit 7 1/2 Jahren im Haushalt der Pflegeeltern und habe den Vater nur besuchsweise erlebt. Der Sachverständige habe anders als in seinem Erstgutachten in dem im Beschwerdeverfahren erstellten ergänzenden Gutachten festgestellt, daß im Fall der Herausgabe des Kindes an den Vater eine Gefährdung des Kindeswohls nicht mehr ausgeschlossen werden könne. Das Kind habe bei der Anhörung durch das Beschwerdegericht den Wunsch geäußert, weiterhin bei den Pflegeeltern bleiben zu wollen. Dies sei auch nach Auffassung des Jugendamts als ernsthaft geäußerter Wunsch des Kindes zu beurteilen. Daher sei anzuordnen, daß das Kind bei den Pflegeeltern verbleibe.
2. Diese Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO) nicht stand.
a) Der Beteiligte zu 1, dem nach dem Tod der Mutter das Sorgerecht für das Kind allein zusteht (§ 1681 Abs. 1 Satz 1, § 1626 Abs. 1 BGB), verlangt gemä...