Leitsatz (amtlich)

Wird der Aufgabenkreis eines Betreuers, welcher bisher u.a. für die Aufgabenbereiche Aufenthaltsbestimmung und Gesundheitsfürsorge bestellt war, um den Bereich Regelung des Umgangs mit Familienangehörigen erweitert, handelt es sich nicht nur um eine unwesentliche Erweiterung des bisherigen Aufgabenkreises.

 

Normenkette

BGB § 1896 Abs. 1, § 1908d Abs. 3; FGG § 69i Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Nürnberg-Fürth (Aktenzeichen 13 T 6218/01)

AG Neustadt a.d. Aisch (Aktenzeichen XVII 313/99)

 

Tenor

I. Der Beschluss des LG Nürnberg-Fürth vom 20.2.2002 wird aufgehoben.

II. Die Sache wird zu erneuter Behandlung und Entscheidung an das LG Nürnberg-Fürth zurückverwiesen.

 

Gründe

I. Für die Betroffene ist seit 11.1.2000 eine Berufsbetreuerin mit den Aufgabenkreisen Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsfürsorge, Vermögenssorge und Vertretung ggü. Behörden, Versicherungen sowie Renten- und Sozialleistungsträgern bestellt. Die Betroffene lebt in einem Wohnheim. Mit Beschluss vom 21.5.2001 erweiterte das AG die Betreuung auf den Aufgabenkreis Regelung des persönlichen Umgangs der Betroffenen mit Familienangehörigen und ordnete die sofortige Wirksamkeit an.

Gegen diesen Beschluss legte der Beteiligte zu 2) Beschwerde mit dem Ziel ein, die Erweiterung des Aufgabenkreises zu beseitigen. Gleichzeitig stellte er hilfsweise den Antrag, die Betreuung Familienmitgliedern zu übertragen oder zumindest die Betreuerin zu entlassen.

Das LG hat die Beschwerde durch Beschluss vom 20.2.2002 zurückgewiesen und die Akten dem AG zur Entscheidung über die Hilfsanträge zugeleitet.

Mit seiner weiteren Beschwerde vom 3.7.2002 will der Beteiligte zu 2) weiterhin den Wegfall der Erweiterung der Betreuung sowie eine Entscheidung über seine Hilfsanträge erreichen.

II. Die weitere Beschwerde ist zulässig, § 27 Abs. 1, § 69i Abs. 1 S. 1, § 69g Abs. 1 S. 1 FGG. In der Sache führt sie zur Aufhebung der Beschwerdeentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.

1. Das LG hat seine Entscheidung folgendermaßen begründet:

Die Betroffene habe bei ihrer Anhörung durch die Kammer eine ernst gemeinte, glaubwürdige und trotz ihrer Geschäftsunfähigkeit zu beachtende natürliche Willensäußerung abgegeben, dass sie weder von ihren Eltern noch von ihrem Bruder besucht werden und schon gar nicht zu ihrem Vater zurückkehren wolle. Wegen dieser klar bekundeten Einstellung sei weder die Einholung eines Glaubwürdigkeitsgutachtens noch eine Beweisaufnahme zu früheren Äußerungen der Betroffenen ggü. Angehörigen erforderlich. Aufgrund ihrer geistigen Behinderung sei sie nicht dazu in der Lage, sich selbstständig ggü. dem Druck durchzusetzen, der von den Familienangehörigen auf sie ausgeübt werde. Deshalb habe das AG zu Recht den Aufgabenkreis der Betreuerin um das Aufgabengebiet der Regelung des Umgangs mit den Familienangehörigen erweitert. Auch für nicht geschäftsfähige Betroffene gelte § 1901 Abs. 2 S. 2 BGB, der zum Wohl des Betroffenen auch die Möglichkeit zähle, im Rahmen seiner Fähigkeiten sein Leben nach eigenen Wünschen und Vorstellungen zu gestalten. Der Betreuer könne deshalb im Rahmen des § 1896 Abs. 1 und Abs. 2 BGB die besondere Aufgabe erhalten, den Betroffenen bei der Durchsetzung seiner Wünsche zu unterstützen. In diesem Sinne sei der angefochtene Beschluss auszulegen. Die Betreuerin solle nicht anstelle der Betroffenen entscheiden, ob ein Kontakt zu den Familienmitgliedern stattfinden solle oder nicht, sondern nur der Betroffenen, solange diese keinen oder nur einen eingeschränkten Kontakt wünsche, zur Seite stehen, um Druck und Beeinflussungsversuche abzuwehren. Da der Aufgabenkreis der Betreuerin nur unwesentlich erweitert worden sei, sei auch kein Gutachten zur Frage der Notwendigkeit der Erweiterung der Betreuung erforderlich.

2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO). Das LG hat den entscheidungserheblichen Sachverhalt nicht verfahrensfehlerfrei festgestellt.

a) Der Aufgabenkreis des Betreuers ist zu erweitern, wenn dies erforderlich wird; hierfür gelten die Vorschriften über die Bestellung eines Betreuers entspr. (§ 1908d Abs. 3 BGB, § 69i Abs. 1 FGG). Die Erweiterung des dem Betreuer zugewiesenen Aufgabenkreises setzt demnach voraus, dass der Betroffene aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten auch im Bereich des neu hinzukommenden Aufgabenkreises nicht zu besorgen vermag (§ 1896 Abs. 1 S. 1, § 1908d Abs. 3 BGB; BayObLG v. 25.9.1997 – 3Z BR 276/97, FamRZ 1998, 453 [454]). Ohne das Einverständnis des Betroffenen ist die Erweiterung nur zulässig, wenn der Betroffene krankheits- oder behinderungsbedingt nicht imstande ist, seinen Willen frei zu bestimmen (vgl. BayObLG BayObLGZ 1994, 209 [211]; v. 20.5.1999 – 3Z BR 150/99, BayObLGReport 1999, 87 = FamRZ 2000, 189; v. 13.10.1999 – 3Z BR 296/99, FamRZ 2000, 1524), d.h. seinen Willen unbeeinflusst von der Krankheit oder Behinderung zu bilden und nach zutreffen...

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