Entscheidungsstichwort (Thema)

Wohnungseigentumssache: Genehmigung eines Verwalters für Kinderarztpraxis in einem Wohnhaus

 

Verfahrensgang

LG Augsburg (Entscheidung vom 05.06.1996; Aktenzeichen 7 T 20/94)

AG Aichach (Entscheidung vom 01.12.1993; Aktenzeichen UR II 63/93)

 

Tenor

I. Auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner werden der Beschluß des Landgerichts Augsburg vom 05. Juni 1996 und der Beschluß des Amtsgerichts Aichach vom 01. Dezember 1993 aufgehoben.

II. Der Antrag, den Eigentümerbeschluß vom 22. Juni 1993 (Tagesordnungspunkt 1) für ungültig zu erklären, wird abgewiesen.

III. Die Antragstellerin hat die Gerichtskosten aller Rechtszüge zu tragen; außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

IV. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren und für das Beschwerdeverfahren wird auf jeweils 30 000 DM festgesetzt.

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin und die Antragsgegner sind die Wohnungs- und Teileigentümer einer Anlage, die laut Teilungserklärung aus drei gewerblichen Einheiten im Erdgeschoß und zwölf Wohnungen in den drei oberen Stockwerken besteht; der weitere Beteiligte ist Verwalter. In den Gewerberäumen, die jeweils einen eigenen Zugang von der Straße her haben, werden eine Apotheke, ein Zeitschriftenladen und eine kleintierärztliche Praxis, in einer der Wohnungen im ersten Stock eine ärztliche Praxis für Allgemeinmedizin betrieben. In der Wohnung der Antragstellerin im zweiten Stock unterhält deren Ehemann eine Praxis als Kinderarzt.

§ 5 der als Inhalt des Sondereigentums im Grundbuch eingetragenen Teilungserklärung (Gemeinschaftsordnung = GO) bestimmt:

2. Zur Ausübung eines Gewerbes oder Berufes in der Eigentumswohnung ist der Wohnungseigentümer nur mit schriftlicher Einwilligung des Verwalters berechtigt; diese kann unter Auflagen erteilt werden. Der Verwalter kann die Einwilligung nur aus einem wichtigen Grund verweigern. Als wichtiger Grund ist insbesondere anzusehen, wenn die Ausübung des Gewerbes oder Berufes eine unzumutbare Beeinträchtigung der Wohnungseigentümer oder eine übermäßige Abnutzung des gemeinschaftlichen Eigentums mit sich bringt. Die Zustimmung kann widerrufen werden, wenn nachträglich eine unzumutbare Beeinträchtigung der Wohnungseigentümer oder eine übermäßige Abnutzung des gemeinschaftlichen Eigentums eintritt oder Auflagen nicht beachtet werden. Die Zustimmung des Verwalters kann durch die Eigentümerversammlung ersetzt werden.

3. Die Gebrauchsüberlassung an Dritte ist nur zulässig, soweit sich deren Nutzung im Rahmen dieser Teilungserklärung hält. …

Die Antragstellerin erwarb die Wohnung mit der Absicht, sie an ihren Ehemann als ärztliche Praxis zu vermieten, und machte die Wirksamkeit des notariellen Kaufvertrags davon abhängig, daß der Verwalter der beabsichtigten Nutzung zustimme. Dieser erteilte die Genehmigung, nachdem er die Wohnungs- und Teileigentümer schriftlich um deren Stellungnahme gebeten hatte. Von dreizehn Eigentümern – die Antragstellerin bzw. deren Rechtsvorgänger gab keine Stellungnahme ab – stimmten sieben der beabsichtigten Nutzung zu, sechs waren dagegen.

Noch vor Aufnahme der Praxis, in der Eigentümerversammlung vom 22.06.1993, stimmten sieben Wohnungseigentümer dem Antrag eines Wohnungseigentümer-Ehepaares zu, die vom Verwalter gemäß § 5 Abs. 2 GO erteilte Zustimmung zur künftigen Nutzung der Wohnung als kinderärztliche Praxis zu widerrufen; zwei Wohnungseigentümer stimmten dagegen und einer enthielt sich der Stimme.

Die Antragstellerin hat am 19.07.1993 beim Amtsgericht beantragt, diesen Eigentümerbeschluß (Tagesordnungspunkt 1) für ungültig zu erklären. Das Amtsgericht hat dem Antrag mit Beschluß vom 01.12.1993 stattgegeben, das Landgericht das dagegen gerichtete Rechtsmittel der Antragsgegner – nach Durchführung eines Augenscheins durch die beauftragte Richterin und nach Erholung einer sachverständigen Stellungnahme der Landgerichtsärztin zur Frage der etwaigen erhöhten Ansteckungsgefahr für die Bewohner des Hauses – mit Beschluß vom 05.06.1996 zurückgewiesen. Die Antragsgegner haben sofortige weitere Beschwerde eingelegt.

II.

Das zulässige Rechtsmittel ist begründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Der Eigentümerbeschluß vom 22.06.1993 sei unwirksam. Die Wohnungseigentümer könnten der Antragstellerin nicht untersagen, ihre Wohnung ihrem Ehemann zur Nutzung als kinderärztliche Praxis zu überlassen. § 5 Abs. 2 GO enthalte eine Gebrauchsregelung im Sinne von § 13 Abs. 1, § 15 Abs. 1 WEG. Nach dieser Regelung könne die gewerbliche oder berufliche Nutzung einer Eigentumswohnung jedoch nur ausnahmsweise untersagt werden. Es müsse lediglich als zusätzliche formale Voraussetzung die schriftliche Einwilligung des Verwalters vorliegen, dessen Zustimmung durch die Versammlung der Wohnungseigentümer ersetzt werden könne. Da das Verbot der beruflichen Nutzung einen Ausnahmetatbestand darstelle, sei es Sache dessen, der das Verbot durchsetzen wolle, den wichtigen Grund darzulegen.

Grenze für die Berufs- oder Gewerbeausübung in einer Eigentumswohnung sei ...

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