Entscheidungsstichwort (Thema)
Wohnungseigentumssache. Ungültigerklärung von Eigentümerbeschlüssen
Leitsatz (amtlich)
1. Bestimmt die Gemeinschaftsordnung, daß zur Ausübung eines Gewerbes oder Berufs in einer Eigentumswohnung die schriftliche Zustimmung des Verwalters erforderlich ist, so gelten für den Widerruf der Zustimmung die Grundsätze des § 183 BGB.
2. Die Nutzung einer im ersten Obergeschoß gelegenen Eigentumswohnung als Friseursalon stört und beeinträchtigt jedenfalls in einer kleinen Wohnanlage mehr als die zwecksbestimmungsgemäße Nutzung zu Wohnzwecken.
3. Für die Frage, ob der Nutzung einer Wohnung als Büro ein wichtiger Grund entgegensteht, kommt es entscheidend auf die Umstände des Einzelfalls an, insbesondere auf die Art des Bürobetriebs.
Normenkette
BGB § 183; WEG § 15 Abs. 3
Verfahrensgang
AG Nördlingen (Aktenzeichen UR II 23/95) |
LG Augsburg (Aktenzeichen 7 T 2816/97) |
Tenor
I. Die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluß des Landgerichts Augsburg vom 20. März 2000 wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin hat die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Der Geschäftswert für das Verfahren in allen Rechtszügen wird auf 10.000 DM festgesetzt. Die Geschäftswertfestsetzung der Vorinstanzen wird entsprechend abgeändert.
Gründe
I.
Die Antragstellerin und die Antragsgegner zu 1 bis 4 sind Wohnungs- und Teileigentümer einer Anlage, die vom Antragsgegner zu 5 verwaltet wird. Das Teileigentum der Antragsgegnerin zu 1, in dem diese eine Bankfiliale betreibt, umfaßt das gesamte Erdgeschoß des Hauptgebäudes und einen eingeschoßigen Anbau; die Räume des Anbaus dienen dem Kundenverkehr und haben einen eigenen Zugang zur Straße. Im ersten und zweiten Obergeschoß des Hauptgebäudes liegen je zwei Wohnungen. Sie gehören der Antragstellerin sowie den Antragsgegnern zu 2 bis 4 und sind über das Treppenhaus des Hauptgebäudes zugänglich. Der Eingang zum Hauptgebäude wird auch vom Personal der Bank benutzt, für Bankkunden ist er nicht zugänglich.
Die als Inhalt des Sondereigentums im Grundbuch eingetragene Gemeinschaftsordnung (Abschnitt C der Teilungserklärung vom 30.11.1993) bestimmt in § 4 Nr. 4:
Wohnungen und dazugehörige Nebenräume dürfen nur zu Wohnzwecken verwendet werden. Zur Ausübung eines Gewerbes oder Berufes in der Wohnung ist der Wohnungseigentümer nur mit schriftlicher Zustimmung des Verwalters, die unter Auflagen erteilt werden kann, berechtigt. Das Gleiche gilt auch für den Fall, daß die Wohnräume zur Ausübung eines Berufes oder Gewerbes Dritten überlassen werden. Der Verwalter kann die Zustimmung nur aus wichtigen Gründen verweigern. Als wichtiger Grund ist es insbesondere anzusehen, wenn die Ausübung des Gewerbes oder des Berufes eine ungebührliche Beeinträchtigung der Wohnungseigentümer oder eine übermäßige Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums mit sich bringt.
Die Antragstellerin überließ ihre im ersten Obergeschoß gelegene Wohnung ihrem Sohn, der dort einen Zweigbetrieb seines Friseursalons einrichten wollte. Der Antragsgegner zu 5 als Verwalter stimmte mit Schreiben vom 9.5.1995 einer gewerblichen Nutzung des Wohnungseigentums zu. Nachdem das Vorhaben in einer Eigentümerversammlung auf Widerspruch gestoßen war, widerrief der Antragsgegner zu 5 seine Zustimmung mit Schreiben vom 27.6.1995.
Die geplante gewerbliche Nutzung des Wohnungseigentums der Antragstellerin war Gegenstand der Eigentümerversammlung vom 6.7.1995, bei der sämtliche Wohnungs- und Teileigentümer anwesend waren. Zu Tagesordnungspunkt (TOP) 2a entschied die Versammlung „über den Bestand der Verwalter Zustimmung vom 9.5.1995”; die Mehrheit sprach sich dagegen aus. Beschlußanträge der Antragstellerin betreffend die Nutzung ihres Wohnungseigentums als Friseursalon (TOP 2b) oder als Büroräume (TOP 2c) fanden keine Mehrheit.
Die Antragstellerin hat beim Amtsgericht beantragt, die Eigentümerbeschlüsse der Versammlung vom 6.7.1995 für ungültig zu erklären sowie festzustellen, daß die Nutzung der Räume als Friseurgeschäft oder Büroräume zulässig ist, und die Zustimmung des Antragsgegners zu 5 zur Nutzungsänderung zu ersetzen. Das Amtsgericht hat mit Beschluß vom 14.4.1997 festgestellt, daß die Antragstellerin ihre Wohnung als Friseurgeschäft oder Büroräume nutzen darf, insoweit werde die Zustimmung des Verwalters ersetzt. Die weiteren Anträge sind abgewiesen worden.
Die Antragsgegner zu 2 und 3 haben sofortige Beschwerde eingelegt. Die Antragstellerin hat im Weg der Eventualanschlußbeschwerde für den Fall daß das Beschwerdegericht den Widerruf der Verwalter Zustimmung als unwirksam ansieht, beantragt, den Eigentümerbeschluß zu TOP 2a für ungültig zu erklären. Das Landgericht hat am 20.3.2000 die Entscheidung des Amtsgerichts aufgehoben, die Anträge der Antragstellerin abgewiesen und ihre Eventualanschlußbeschwerde zurückgewiesen. Hiergegen hat die Antragstellerin sofortige weitere Beschwerde eingelegt. Sie erstrebt die Wiederherstellung der Entscheidung des Amtsgerich...