Leitsatz (amtlich)
1. Für eine Klage des im Forumstaat wohnhaften Verbrauchers gegen den in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ansässigen Unternehmer wegen Ansprüchen aus einem Verbrauchervertrag stehen der Gerichtsstand am Wohnort des Verbrauchers und daneben, sofern die übrigen Voraussetzungen des Niederlassungsgerichtsstands erfüllt sind, der Gerichtsstand an der im Inland belegenen Niederlassung des Unternehmers zur Verfügung; zwischen beiden Gerichtsständen hat der klagende Verbraucher die Wahl.
2. Beabsichtigt der Verbraucher, eine Klage auf Schadensersatz gegen den in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ansässigen Unternehmer (hier: Hersteller von Fertighäusern) und einen Streitgenossen mit Wohnsitz im Forumstaat (hier: einen Architekten) zu erheben, kommt die Bestimmung des für den Rechtsstreit einheitlich zuständigen Gerichts im Verfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO in Betracht.
Tenor
Als (örtlich) zuständiges Gericht für die beabsichtigte Klage wird das Landgericht Augsburg bestimmt.
Gründe
I. Die Antragstellerin, die ihren Wohnsitz im Bezirk des Landgerichts Augsburg hat und Eigentümerin eines im Bezirk des Landgerichts Aachen belegenen Grundstücks ist, beabsichtigt, die beiden Antragsgegner wegen Aufklärungspflichtverletzung im Zusammenhang mit einer geplanten Bebauung dieses Grundstücks als Gesamtschuldner auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 87.799,29 EUR und Feststellung der Ersatzpflicht hinsichtlich weiterer Schäden zu verklagen. Die Antragsgegnerin zu 1) hat ihren Hauptsitz in Polen und eine Zweigniederlassung im Bezirk des Landgerichts Berlin. Der Antragsgegner zu 2) hat seinen allgemeinen Gerichtsstand im Bezirk des Landgerichts Memmingen. Die Antragstellerin beantragt, das zuständige Gericht zu bestimmen.
Nach dem richterlichen Hinweis, dass es sich im Verhältnis zu der Antragsgegnerin zu 1) um eine Verbrauchersache nach Art. 17 Abs. 1 Buchstabe c) Alternative 1, Art. 18 Abs. 1 Brüssel-Ia-VO handeln dürfte, regt sie an, das Landgericht Augsburg auszuwählen, nachdem sie sich zunächst für das Landgericht Memmingen ausgesprochen hatte. Zur Begründung ihres Bestimmungsantrags führt sie aus, sie habe das Grundstück, das sie geerbt habe, mit zwei Doppelhaushälften bebauen und sodann vermieten wollen. Sie sei deshalb Ende des Jahres 2018 an den Antragsgegner zu 2) herangetreten, der einerseits als Vermittler für Fertighäuser der Antragsgegnerin zu 1) auftrete und andererseits die für die Herbeiführung einer Baugenehmigung erforderlichen Planungsleistungen erbringe. Ein Mitarbeiter des Antragsgegners zu 2) habe sie überzeugt, für ihr Vorhaben Fertighäuser der Antragsgegnerin zu 1) zu wählen und hierfür entsprechende Bauverträge abzuschließen. Mit der Antragsgegnerin zu 1) habe sie stets über die Zweigniederlassung in Berlin oder über den Antragsgegner zu 2) als zuständigen Ansprechpartner im Vertrieb kommuniziert. Am 3. Januar 2019 habe sie mit der Antragsgegnerin zu 1) zwei Verträge über jeweils ein Fertighaus abgeschlossen, wobei die Häuser so miteinander verbunden werden sollten, dass sie ein Doppelhaus bildeten (vgl. Anlage ASt 1). Am selben Tag habe sie mit dem Antragsgegner zu 2) einen Architektenvertrag (vgl. Anlage ASt 2) abgeschlossen. Dabei habe sie als Verbraucherin gehandelt. Obwohl den Antragsgegnern bewusst gewesen sei, dass das Grundstück unmittelbar neben einer Bahntrasse liege, hätten sie die Antragstellerin bei Vertragsschluss in dem Glauben gelassen, das Vorhaben sei umsetzbar. Die Baugenehmigung vom 12. August 2019 sei unter der Bedingung erteilt worden, dass spätestens bei Baubeginn der Bauaufsichtsbehörde ein Schallschutznachweis für das Bauvorhaben vorgelegt werde. Erst im Mai 2020 habe die Antragsgegnerin zu 1) die Antragstellerin darüber informiert, dass sie einen entsprechenden Schallschutznachweis nicht liefern könne und das Vorhaben in der von ihr verwendeten Holzständerbauweise unter Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Mindestvorgaben zum Schallschutz nicht umsetzbar sei. Der Antragstellerin, die von den Bauverträgen habe zurücktreten müssen, sei zu diesem Zeitpunkt bereits dadurch ein erheblicher Schaden entstanden, dass sie im Vertrauen auf die Aussagen der Antragsgegner, das Vorhaben sei umsetzbar, zahlreiche Dispositionen getroffen, insbesondere einen Kredit aufgenommen habe. Der zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin zu 1) geschlossene Vertrag (Anlage ASt 1) enthält die Überschrift "Bauvertrag mit einem Verbraucher ..." und in Ziffer 11.3 folgende Regelung:
Dieser Vertrag unterliegt dem Recht der Bundesrepublik Deutschland. Gerichtsstand ist der Wohnort des Bauherrn. Dem Bauherrn steht es jedoch frei, im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen einen anderen Gerichtsstand auszuwählen.
Die Antragsgegnerin zu 1) beantragt,
den Antrag auf Bestimmung eines gemeinsamen Gerichtsstands kostenpflichtig zurückzuweisen.
Nach der zulässigen Gerichtsstandsvereinbarung habe die Antragstellerin die Wahl, sie vor dem Landgericht Augsbur...