Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachlaßsache

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Frage der Sittenwidrigkeit der Erbeinsetzung eines Lebenspartners unter Übergehung von nahen Angehörigen.

2. Zur Anfechtung eines Testaments wegen Motivirrtums, der auf die (angebliche) nachteilige Änderung des Verhaltens der Bedachten gegenüber dem Erblasser gestützt wird.

3. Die Anfechtung eines Testaments wegen möglichen Motivirrtums greift nicht durch, wenn der Erblasser den Irrtum erkannt und seine ursprünglich vom Irrtum beeinflußte Verfügung bewußt hat fortgelten lassen.

 

Normenkette

BGB § 138 Abs. 1, § 2078 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Landshut (Aktenzeichen 60 T 3117/00)

AG Landshut (Aktenzeichen VI 1206/00)

 

Tenor

I. Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 und 2 gegen den Beschluß des Landgerichts Landshut vom 16. Februar 2001 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten zu 1 und 2 haben die der Beteiligten zu 3 im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.

III. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf DM 300.000,– festgesetzt.

 

Gründe

I.

Der Erblasser verstarb 1999 im Alter von 54 Jahren an den Folgen eines Verkehrsunfalls. Er hinterließ aus erster 1988 geschiedener Ehe zwei erwachsene Kinder, die Beteiligte zu 1 (geboren 1972) und den Beteiligten zu 2 (geboren 1969). Seine zweite 1992 eingegangene Ehe blieb kinderlos; sie wurde mit Urteil vom 4.3.1997 geschieden. Der 1944 geborene Erblasser lernte die 1962 geborene, geschiedene und kinderlose Beteiligte zu 3 Ende 1995 bei einem Familienfest kennen. Er ging mit ihr Anfang 1996 eine intime Beziehung ein. Seine zweite Ehefrau trennte sich von ihm Mitte Januar 1996. Die als Lehrerin beschäftigte Beteiligte zu 3 besuchte den Erblasser regelmäßig am Wochenende und zog im Juni 1997 unter Aufgabe ihrer Anstellung zu ihm. Dort lebte sie mit ihm in nichtehelicher Lebensgemeinschaft bis zu seinem Tod. Die Beteiligte zu 3 übergab am 2.9.1999 dem Nachlaßgericht ein rückseitig mit einem Ausschnitt eines Leistungsverzeichnisses bedrucktes Papier, auf dem der Erblasser handschriftlich folgendes niedergelegt hatte:

25.3.96

Testament

Ich … verfüge, daß Frau … (Beteiligte zu 3) als alleinige Erbin, meinen gesamten Besitz, im Falle meines Ablebens übernehmen darf. Zu meinem Besitz gehören Barvermögen, Immobilien, Grundstücke, Firma ….

Die Beteiligte zu 3 beantragte die Erteilung eines Erbscheins, der sie als Alleinerbin ausweisen solle. Die Beteiligten zu 1 und 2 machten geltend, daß das Testament unwirksam und sie gesetzliche Erben geworden seien; sie beantragten einen entsprechenden Erbschein. Sie trugen vor, daß die auf der Rückseite eines Leistungsverzeichnisses niedergeschriebene Erklärung des Erblassers nicht mit Testierwillen erstellt worden sei; es handle sich lediglich um eine Gedankenspielerei des Erblassers. Das Testament sei auch gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig, da die Zuwendung an die Beteiligte zu 3 unter dem Gesichtspunkt der geschlechtlichen Hingabe erfolgt sei. Die Beteiligte zu 3 habe den Erblasser zur Errichtung des Testaments gedrängt. Der Erblasser habe in verwerflicher Gesinnung gehandelt und dabei familiäre Bindungen und moralische Pflichten vernachlässigt. Die Beteiligten zu 1 und 2 haben mit am 30.9.1999 beim Nachlaßgericht eingegangenem Schreiben das Testament angefochten; der Erblasser sei einem Motivirrtum bezüglich der späteren Entwicklung der Beziehung zur Beteiligten zu 3 unterlegen. Die Lebensgefährten hätten sich auseinandergelebt und der Erblasser habe kurz vor seinem Tod sogar die Beendigung der Beziehung in Erwägung gezogen. Die Beteiligte zu 3 stellt dies in Abrede und trägt vor, es habe sich um eine intakte Beziehung mit beiderseitigen Heiratsabsichten gehandelt.

Mit Vorbescheid vom 23.10.2000 hat das Nachlaßgericht die Erteilung eines Erbscheins angekündigt, der die Beteiligte zu 3 als Alleinerbin des Erblassers ausweist. Zugleich hat es den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1 und 2 zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung haben die Beteiligten zu 1 und 2 Beschwerde eingelegt, die das Landgericht mit Beschluß vom 16.2.2001 zurückgewiesen hat. Hiergegen haben die Beteiligten zu 1 und 2 mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 14.3.2001 weitere Beschwerde eingelegt.

Das Nachlaßgericht hat Nachlaßpflegschaft angeordnet. Auf Antrag des Nachlaßpflegers und der ersten Ehefrau des Erblassers hat das Amtsgericht am 6.6.2001 das Nachlaßinsolvenzverfahren wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung eröffnet.

II.

Die nicht fristgebundene weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 und 2 ist zulässig (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO); sie ist insbesondere in der erforderlichen Form (§ 29 Abs. 1 Satz 2 FGG) eingelegt worden. Die Beteiligten zu 1 und 2 sind beschwerdeberechtigt, weil ihre Beschwerde gegen den Vorbescheid vom 23.10.2000 erfolglos war und das Nachlaßgericht das von ihnen geltend gemachte gesetzliche Erbrecht verneint hat (§ 20 Abs. 1 FGG). Das Rechtsmittel hat aber in der Sache keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat in Übereinst...

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