Verfahrensgang
LG Kempten (Beschluss vom 30.05.1989; Aktenzeichen 4 T 719/89) |
AG Lindau (Bodensee) (Aktenzeichen XVI 6/88) |
Tenor
I. Die weiteren Beschwerden der Beteiligten zu 1 und 3 gegen den Beschluß des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 30. Mai 1989 werden zurückgewiesen.
II. Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerden wird auf 5.000 DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
Der Beteiligte zu 1 wurde im Jahr 1968 nichtehelich geboren. Der Beteiligte zu 2, der die Vaterschaft anerkannt hatte sowie dessen Ehefrau (Beteiligte zu 3), haben den Beteiligten zu 1 durch notariellen Annahmevertrag, bestätigt durch Beschluß des Amtsgerichts L. vom 15.6.1971, an Kindes Statt angenommen.
Der Beteiligte zu 1 ist jedoch nicht bei den Beteiligten zu 2 und 3 aufgewachsen, sondern bei dem Bruder des Beteiligten zu 2 und dessen Ehefrau. Diese wollen den Beteiligten zu 1 seit 1984 als ihr Kind annehmen. Der Beteiligte zu 1 und die Beteiligte zu 3 haben am 3.4.1987 mit Zustimmung des Beteiligten zu 2 beim Amtsgericht B. beantragt, die Adoption des Beteiligten zu 1 durch die Beteiligte zu 3 aufzuheben. Das Amtsgericht hat die Anträge abgelehnt. Die Beschwerden der Beteiligten zu 1 und 3 sowie der Pflegeeltern hat das Landgericht … zurückgewiesen. Das Amtsgericht B. hat auf Anweisung des Oberlandesgerichts die Sache an das örtlich zuständige Amtsgericht L. abgegeben.
Durch Beschluß vom 6.3.1989 hat das Amtsgericht L. die Anträge des Beteiligten zu 1 und der Beteiligten zu 3 auf Aufhebung der Adoption des Beteiligten zu 1 durch die Beteiligte zu 3 zurückgewiesen. Das Amtsgericht Schöneberg hatte mitgeteilt, daß Vorgänge dort nicht ermittelt wurden. Das Landgericht … hat die Beschwerden der Beteiligten zu 1 und 3 durch Beschluß vom 30.5.1989 zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluß haben die Beteiligten weitere Beschwerde eingelegt. Der Beteiligte zu 2 hat sein Rechtsmittel danach zurückgenommen. Die Beteiligten zu 1 und 3 beantragen insbesondere, das Verfahren auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber einzuholen, ob die vom Landgericht angewendeten gesetzlichen Vorschriften zur Aufhebung einer Adoption mit dem Grundgesetz vereinbar seien.
Entscheidungsgründe
II.
1. Die weiteren Beschwerden sind zulässig, jedoch unbegründet.
2. Das Landgericht hat ausgeführt:
Eine Aufhebung der Adoption aus Gründen des Kindeswohls gemäß § 1763 BGB scheide aus, weil diese Vorschrift voraussetze, daß der Adoptierte im Zeitpunkt der Gerichtsentscheidung noch minderjährig sei. Auch eine Aufhebung gemäß §§ 1760, 1762 BGB scheide aus. Die Ausschlußfrist von 3 Jahren, die auf Grund der Übergangsvorschriften am 1.1.1978 in Lauf gesetzt wurde, sei bei der Antragstellung längst abgelaufen gewesen. Auch gemäß § 1771 Satz 1 BGB könne die Adoption nicht aufgehoben werden, weil diese Vorschrift hier nicht anwendbar sei; sie gelte nur für Annahmeverhältnisse, welche zu einem Volljährigen begründet worden seien. Diese Vorschrift könne auch nicht kraft des Übergangsrechts angewendet werden. Dafür würde es einer Erklärung bedurft haben, daß die neuen Vorschriften über die Annahme Minderjähriger nicht gelten sollten. Eine solche Erklärung, die wirksam nur bis zum 31.12.1977 und nur gegenüber dem Amtsgericht Schöneberg hätte abgegeben werden können, fehle hier. Folglich seien für das Annahmeverhältnis ab dem 1.1.1978 die Vorschriften des geltenden Rechts über die Kindesannahme Minderjähriger anwendbar. Auch eine entsprechende Anwendung des § 1771 BGB scheide aus. Die verfassungsrechtlichen Bedenken der Beschwerdeführer teile die Kammer nicht, da das familienrechtliche Band zwischen Eltern und Kindern grundsätzlich unauflöslich sei.
3. Diese Ausführungen des Landgerichts sind frei von Rechtsfehlern (§ 27 FGG, § 550 ZPO).
a) Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, daß eine Aufhebung der Adoption von Amts wegen, aus Gründen des Kindeswohls gemäß § 1763 BGB, schon deshalb ausscheidet, weil der Beteiligte zu 1 nunmehr volljährig ist. Diese Vorschrift sieht eine Aufhebung des Annahmeverhältnisses nur während der Minderjährigkeit vor.
b) Zu Recht hat das Landgericht die Voraussetzungen für eine Aufhebung der Adoption gemäß § 1760 BGB verneint, weil die Frist des § 1762 Abs. 2 Satz 2 BGB bei der Antragstellung abgelaufen war.
c) Zutreffend hat das Landgericht die Anwendbarkeit des § 1771 Satz 1 BGB verneint. Auf Grund dieser Vorschrift kann das Annahmeverhältnis beim Vorliegen eines wichtigen Grundes auf Antrag des Annehmenden und des Angenommenen nur dann durch das Vormundschaftsgericht aufgehoben werden, wenn es zu einem Volljährigen begründet worden war.
aa) Die Anwendung des § 1771 Satz 1 BGB scheitert hier daran, daß das Annahmeverhältnis zu dem jetzt volljährigen Adoptivsohn zu einer Zeit begründet worden ist, als er noch minderjährig war. Es entspricht nunmehr allgemeiner Meinung, daß die Vorschrift des § 1771 Satz 1 BGB schon nach ihrem Wortlaut unanwendbar ist, wenn ein als minderjährig Angenommener volljährig geworden ist (BayObLGZ 19...