Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuständigkeitsbestimmung bei Beteiligung eines Amtsgerichts
Leitsatz (amtlich)
1. Wäre gem. § 36 Abs. 2 ZPO das Oberlandesgericht, zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befasste Gericht gehört, zur Entscheidung berufen, bestimmt gem. § 9 EGZPO das Bayerische Oberste Landesgericht das zuständige Gericht.
2. Besteht in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, für die sich der Instanzenzug mangels Sondervorschriften nach den allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen richtet, ein Zuständigkeitskonflikt, an dem (zumindest auch) ein Amtsgericht beteiligt ist, so ergibt sich das zur Zuständigkeitsbestimmung berufene Gericht aus § 36 Abs. 2 ZPO.
3. Wurde die Klage bereits bei einem Gericht rechtshängig gemacht, das für mindestens einen Streitgenossen zuständig ist, und hat der Kläger dadurch sein Wahlrecht gem. § 35 ZPO verbraucht, steht der anfangs gegebene gemeinsame Gerichtsstand einer Zuständigkeitsbestimmung entgegen.
Normenkette
Brüssel I-VO Art. 7, 9, 11; ZPO § 36
Tenor
Der Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Der im Bezirk des Amtsgerichts Traunstein wohnende Antragsteller macht mit seiner zu diesem Gericht erhobenen Klage gegen die Antragsgegnerinnen Ansprüche aus einem Straßenverkehrsunfall im Bezirk des Amtsgerichts Erding geltend. Der Unfall wurde von der in Österreich wohnenden Antragsgegnerin zu 1) verursacht, deren Fahrzeug bei der in Österreich ansässigen Antragsgegnerin zu 2) versichert ist.
Auf Rüge der örtlichen Unzuständigkeit des Amtsgerichts Traunstein durch die Antragsgegnerinnen und einem Verweis des Antragstellers auf Art. 11 Brüssel-Ia-VO hat das Amtsgericht darauf hingewiesen, dass zwar gegen die Antragsgegnerin zu 2) Art. 11 Brüssel-Ia-VO Anwendung finde, die Antragsgegnerin zu 1) jedoch nach Art. 7 Nr. 2 Brüssel-Ia-VO nur vor dem Amtsgericht Erding verklagt werden könne.
Daraufhin hat der Antragsteller beim Bayerischen Obersten Landesgericht beantragt, das Amtsgericht Traunstein als gemeinsames zuständiges Gericht zu bestimmen. Die Antragsgegnerinnen sind der Auffassung, dass der Antrag unbegründet sei, weil beim Amtsgericht Erding der gemeinsame besondere Gerichtsstand der unerlaubten Handlung bestehe. Dem hält der Antragsteller entgegen, dass der gemeinsame Gerichtsstand in Erding nicht mehr greife, weil gegenüber der Antragsgegnerin zu 2) das Amtsgericht Traunstein zuständig sei und daher der Gerichtsstand bereits ausgewählt worden sei.
II. Der Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts bleibt ohne Erfolg.
1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist zur Entscheidung über den Antrag berufen.
a) Zuständig für ein Bestimmungsverfahren gemäß § 36 ZPO ist grundsätzlich das für die in Betracht kommenden Gerichte gemeinschaftliche im Rechtszug zunächst höhere Gericht (§ 36 Abs. 1 ZPO). Maßgeblich ist nicht der allgemeine Gerichtsaufbau, sondern die Rechtsmittelzuständigkeit in der jeweiligen Verfahrensart (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Juni 1988, I ARZ 388/88, BGHZ 104, 363 [juris Rn. 4] m. w. N.; Heinrich in Musielak/Voit, ZPO, 16. Aufl. 2019, § 36 Rn. 8; Bendtsen in Saenger, ZPO, 8. Aufl. 2019, § 36 Rn. 4; Schultzky in Zöller, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 36 Rn. 7; Smid/Hartmann in Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl. 2015, § 36 Rn. 23; Roth in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl. 2014, § 36 Rn. 7).
Ist das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht der Bundesgerichtshof, so wird das zuständige Gericht grundsätzlich gemäß § 36 Abs. 2 ZPO durch das Oberlandesgericht bestimmt, zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befasste Gericht gehört. Wenn danach allerdings ein in seinem Bezirk gelegenes Oberlandesgericht zu entscheiden hätte, bestimmt gemäß § 9 EGZPO das Bayerische Oberste Landesgericht das zuständige Gericht.
b) Besteht in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, für die sich der Instanzenzug mangels Sondervorschriften nach den allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen richtet, ein Zuständigkeitskonflikt, an dem (zumindest auch) ein Amtsgericht beteiligt ist, so ergibt sich das zur Zuständigkeitsbestimmung berufene Gericht selbst dann nicht aus § 36 Abs. 1 ZPO, wenn die beteiligten Gerichte im selben Oberlandesgerichtsbezirk liegen; vielmehr greift in dieser Situation § 36 Abs. 2 ZPO (so auch OLG Hamm, Beschluss vom 25. Juni 2018, 32 SA 16/18, juris Rn. 6).
aa) Zwar gibt es Entscheidungen, die davon ausgehen, dass in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten vor einem Amtsgericht auch ohne Sonderregelungen des Instanzenzugs das Oberlandesgericht, in dessen Bezirk die beteiligten Gerichte liegen, das im Rechtszug zunächst höhere Gericht sei (vgl. etwa OLG Braunschweig, Beschluss vom 21. August 2019, 1 W 57/19, juris Rn. 14; OLG Hamm, Beschluss vom 13. Mai 2019, 32 SA 26/19, juris Rn. 9; Beschluss vom 19. Februar 2019, 32 SA 6/19, juris Rn. 24; KG, Beschluss vom 25. April 2019, 2 AR 12/19, juris Rn. 5 u. 17; OLG Frankfurt, Beschluss vom 31. Juli 2018, 11 SV 41/18, juris Rn. 11; BGH, Beschluss vom 16. Mai 2018, X ARZ 69/18, juris Rn. 7). In der Literatur wird ebenfalls d...