Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuwiderhandlung gegen das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz nach Anhörung der Staatsanwaltschaft
Verfahrensgang
AG Kempten (Urteil vom 27.07.1990) |
Tenor
I. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Kempten (Allgäu) vom 27. Juli 1990 samt den Feststellungen aufgehoben.
II. Die Sache wird zur neuen Entscheidung an das Amtsgericht Memmingen zurückverwiesen.
Tatbestand
I.
Am 27.7.1990 verhängte das Amtsgericht Kempten (Allgäu) gegen den Betroffenen wegen vorsätzlicher unerlaubter gewerbsmäßiger Arbeitnehmerüberlassung eine Geldbuße von 50.000 DM.
Mit seiner Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene die Verletzung materiellen Rechts.
Entscheidungsgründe
II.
Das zulässige Rechtsmittel greift, wie schon die Staatsanwaltschaft bei dem Bayerischen Obersten Landesgericht in ihrer Stellungnahme vom 30.11.1990 zutreffend dargelegt hat, durch.
Das Amtsgericht hat offensichtlich die Ausführungen des Senats in seinem Beschluß vom 12.1.1989, die im vorliegenden Verfahren zur Abgrenzung zwischen Arbeitnehmerüberlassung und Arbeitsvermittlung gemacht wurden, mißverstanden. Auch die neuen Feststellungen tragen den Schuldspruch in dem vom Amtsgericht angenommenen Umfang nicht.
Zunächst trifft die Ansicht des Tatrichters, der Betroffene habe in all den Fällen, die dem Schuldspruch zugrunde liegen, keine Subunternehmer vermittelt, zu. Subunternehmer wären die in den verschiedenen im Urteil angeführten Fällen eingesetzten Personen nur dann, wenn sie selbständige Werk- oder Dienstleistungen erbracht hätten oder im Rahmen eines Geschäftsbesorgungsvertrags (§ 675 BGB) tätig geworden wären.
Das war nicht der Fall, da sie nach den insoweit bisher nicht zu beanstandenden Darlegungen des Gerichts in die Betriebe der jeweiligen „Entleiherfirmen” eingegliedert waren und dort nach den Weisungen dieser Firmen wie deren übrige Arbeitnehmer Arbeitsleistungen zu erbringen hatten.
Ob dann, wenn Arbeitskräfte in ein fremdes Unternehmen eingegliedert sind und fremdbestimmte Arbeiten zu verrichten haben, Arbeitnehmerüberlassung oder Arbeitsvermittlung vorliegt, hängt, wie der Senat in seiner bereits zitierten Entscheidung vom 12.1.1989 dargelegt hat, davon ab, ob die fraglichen Arbeitskräfte in einem Arbeitsverhältnis zu der Verleiherfirma standen oder nicht.
Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz kommt, wie sich aus seinem Wortlaut und dem Sinn des Art. 1 § 16 Abs. 1 Nr. 1 a i.V.m. Art. 1 § 1 AÜG ergibt, nur zur Anwendung, wenn ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer gewerbsmäßig einem Dritten zur Arbeitsleistung überläßt. Zwischen dem Verleiher und dem Leiharbeitnehmer muß also ein echtes Arbeitsverhältnis bestehen. Ob ein solches vorliegt, ist, soweit ersichtlich, nach einhelliger Auffassung von Rechtsprechung und Literatur nach den allgemeinen Grundsätzen des Arbeitsrechts zu beurteilen (Sandmann/Marschall AÜG Stand Juli 1990 Art. 1 § 1 Anm. 6 u. 40; Ambs in Erbs/Kohlhaas Strafrechtliche Nebengesetze AÜG Art. 1 § 1 Anm. 3; Gagel AFG Stand Januar 1990 § 13 Rn. 2; vgl. hierzu ferner BSGE 31, 235, 244). Keine Rolle spielt, wie der fragliche Vertrag von den Parteien bezeichnet wird. Wesentliches Merkmal für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses ist das Vorhandensein der persönlichen Abhängigkeit des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber, dem auf Seiten des Arbeitgebers das Weisungsrecht hinsichtlich Art, Ort, Zeit und Dauer der Dienstleistung entspricht (BAGE 12, 303; 19, 324; BayObLGSt 1981, 66; 1970, 261, 264; Das Deutsche Bundesrecht VD 22 S. 12 u. 13). Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller Umstände zu entscheiden. Von einem Arbeitsverhältnis kann allerdings nur dann die Rede sein, wenn das Arbeitsverhältnis unabhängig vom Verleihvertrag eingegangen wurde und diesen überdauert (BSGE 31, 235, 242; Gagel AFG a.a.O. § 13 Rn. 30 m.w.Nachw.; Nikisch Arbeitsrecht 3. Aufl. S. 244). Typisch für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses ist, daß der Arbeitgeber die arbeits-, steuer- und versicherungsrechtlichen Pflichten sowie das Arbeitgeberrisiko trägt (Art. 1 § 3 Abs. 1 Nrn. 1 bis 5 AÜG). Daß auch der Gesetzgeber hiervon ausgeht, ergibt sich, wie der Senat schon in seinem Beschluß vom 12.1.1989 dargelegt hat, auch aus der Regelung des Art. 1 § 1 Abs. 2 AÜG. Nach dieser Bestimmung wird dann, wenn Arbeitnehmer Dritten zur Arbeitsleistung überlassen werden und der Überlassende nicht die üblichen Arbeitgeberpflichten oder das Arbeitgeberrisiko übernimmt oder dann, wenn die Dauer der Überlassung im Einzelfall 6 Monate übersteigt, vermutet, daß der Überlassende Arbeitsvermittlung betreibt. Diese Bestimmung besagt allerdings nicht, wie das Amtsgericht zutreffend erkannt hat (UA S. 39), daß die Nichtabführung von Sozialabgaben die zwingende Folge hat, daß der Verleiher nur noch als Vermittler geahndet werden kann. Die angeführte gesetzliche Vermutung, die für die arbeitsgerichtliche Auseinandersetzung (Art. 1 § 13 AÜG) von Bedeutung ist, läßt die Pflicht des Gerichts, in Strafsachen sowie...