Entscheidungsstichwort (Thema)
Ersatzerbschaft
Leitsatz (amtlich)
Hat der Erblasser in einer letztwilligen Verfügung mehrere Personen zu Erben eingesetzt und fallen einzelne der eingesetzten Personen später weg, so kann bei den verbleibenden Anwachsung nur eintreten, wenn der Erblasser keine Ersatzerben bestimmt hat.
Normenkette
BGB §§ 2096, 2099
Verfahrensgang
LG Traunstein (Beschluss vom 26.10.1999; Aktenzeichen 4 T 4235/98) |
AG Rosenheim (Aktenzeichen VI 677/98) |
Tenor
Auf die weiteren Beschwerden der Beteiligten zu 1 bis 3 wird der Beschluß des Landgerichts Traunstein vom 26.10.1999 aufgehoben. Die Sache wird zu anderer Behandlung und neuer Entscheidung an das Landgericht Traunstein zurückverwiesen.
Tatbestand
I.
Die 1998 im Alter von 89 Jahren verstorbene Erblasserin war verwitwet und kinderlos. Von ihren Geschwistern lebt nur noch die Beteiligte zu 4. Die Beteiligte zu 1 ist die Tochter der 1997 vorverstorbenen Schwester Anna, der Beteiligte zu 2 der Sohn der 1996 vorverstorbenen Schwester Maria und die Beteiligte zu 3 die Tochter des 1994 vorverstorbenen Bruders. Weitere Geschwister der Erblasserin sind kinderlos vorverstorben. Der Nachlaß besteht im wesentlichen aus Bankguthaben im Wert von ca. 640.000 DM.
Die Erblasserin hat zusammen mit ihrem 1974 vorverstorbenen Ehemann am 7.11.1973 ein privatschriftliches gemeinschaftliches Testament verfaßt, das folgenden Wortlaut hat:
Im Fall des Todes von einem Eheteil tritt der andere das Alleinerbe an.
Bei gemeinsamen Tode ist der gesamte Nachlass an die Geschwister von … (Erblasserin) zu vererben.
Außerdem sind bei dem Nachlaßgericht zwei Zettel eingereicht worden, die nach den Feststellungen des Landgerichts von der Erblasserin geschrieben worden sind. Der eine ist auf den 10.1.1977 datiert, mit „Adressen von den Erben von …” überschrieben und enthält die Anschriften der Beteiligten zu 4 sowie der drei Geschwister der Erblasserin, deren Abkömmlinge die Beteiligten zu 1 bis 3 sind. Der andere Zettel trägt das Datum 18.1.1994 (Todestag des Bruders) und enthält die Bemerkung: „Amtsgericht … wegen Testament berichtigen! mein Bruder fällt aus – ist im Januar gestorben”.
Die Beteiligte zu 4 hat einen Erbschein beantragt, der sie als Alleinerbin ausweisen soll. Sie ist der Auffassung, in dem Testament seien die Geschwister der Erblasserin auch für den Fall zu Schlußerben eingesetzt, daß die Eheleute nacheinander verstürben. Da die anderen Geschwister vorverstorben seien, sei deren Anteil ihr als der einzigen noch lebenden Schwester angewachsen. Die Beteiligten zu 1 bis 3 haben dem widersprochen. Sie vertreten die Auffassung, daß gesetzliche Erbfolge eingetreten sei, weil die Einsetzung der Schlußerben in dem Testament nur für den Fall gedacht gewesen sei, daß die Eheleute gleichzeitig verstürben. Jedenfalls seien sie zu Ersatzerben der vorverstorbenen Geschwister berufen.
Das Nachlaßgericht hat mit Vorbescheid vom 20.10.1998 die Erteilung eines Erbscheins entsprechend dem Antrag der Beteiligten zu 4 angekündigt. Das Landgericht hat die hiergegen eingelegte Beschwerden der Beteiligten zu 1 bis 3 mit Beschluß vom 26.10.1999 zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung richten sich die weiteren Beschwerden der Beteiligten zu 1 bis 3.
Entscheidungsgründe
II.
Die weiteren Beschwerden sind zulässig und begründet. Sie führen zur Aufhebung der Entscheidung des Landgerichts und zur Zurückverweisung der Sache an dieses.
1. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die Formulierung im Rahmen der Schlußerbeneinsetzung in dem gemeinschaftlichen Testament „bei gemeinsamen Tode” sei dahin auszulegen, daß dadurch auch der Tod des letztversterbenden Ehegatten bei nicht gleichzeitigem Versterben erfaßt sei. Die Erblasserin sei, wie sich aus dem auf den 18.1.1994 datierten Zettel ergebe, davon ausgegangen, daß der Schlußerbeneinsetzung auch noch nach dem Tode ihres Ehemannes Bedeutung zukomme, diese also nicht auf den Fall des gleichzeitigen Versterbens der Eheleute beschränkt sei. Denn die Erblasserin habe nach dem Tod ihres Bruders Anlaß gesehen, das Testament zu ändern. Es liege die Vermutung nahe, daß sie anstelle des weggefallenen Bruders dessen Tochter, die Beteiligte zu 3, zur Erbin habe einsetzen wollen. Diese von ihr für erforderlich erachtete Regelung habe sie aber nicht mehr formwirksam niedergelegt.
2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO) nicht stand. Die Auslegung, die das Landgericht dem Testament vom 7.11.1993 gegeben hat, ist zwar im Verfahren der weiteren Beschwerde nur in eingeschränktem Umfang nachzuprüfen (vgl. hierzu BayObLGZ 1998, 76/79 und Keidel/Kahl FGG 14. Aufl. § 27 Rn. 48 m.w.N.). Sie kann jedoch keinen Bestand haben, da das Landgericht entweder eine naheliegende Auslegungsmöglichkeit oder doch wesentliche Umstände außer acht gelassen hat.
a) Bei der Auslegung der die Schlußerbeneinsetzung enthaltenden Verfügung in dem gemeinschaftlichen Testament ist der wirkliche Wille der Erblasserin unte...