Leitsatz (amtlich)
Auslegung eines Testaments als Ersatzerbeinsetzung der Abkömmlinge bedachter Geschwister, wenn der Erblasser seine zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung noch lebenden Geschwister gleichmäßig zu Erben eingesetzt hat und einige von ihnen vor dem Erbfall verstorben sind.
Normenkette
BGB §§ 133, 2069, 2096, 2099
Verfahrensgang
LG Amberg (Beschluss vom 31.10.2002; Aktenzeichen 31 T 883/02) |
AG Amberg (Aktenzeichen VI 452/01) |
Tenor
I. Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des LG Amberg vom 31.10.2002 wird zurückgewiesen.
II. Der Beteiligte zu 1) hat die der Beteiligten zu 6) im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.
III. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 37.682,84 Euro festgesetzt.
IV. Der vom LG für das Beschwerdeverfahren festgesetzte Geschäftswert wird abgeändert auf 75.365,68 Euro.
Gründe
I. Der 2001 im Alter von 88 Jahren verstorbene Erblasser war kinderlos und seit 1982 verwitwet. Er hatte sechs Geschwister, von denen vier noch am Leben waren, als er am 19.12.1984 das nachfolgende handschriftliche Testament errichtete:
„Nach meinem Ableben erben meine vier Geschwister mein ganzes Vermögen.”
Ein Bruder war 1944 im Krieg vermisst und später zum 31.12.1945 für tot erklärt worden; er hinterließ zwei Abkömmlinge. Eine Schwester war im Jahr 1945 ohne Hinterlassung von Abkömmlingen verstorben. Die Beteiligten zu 1) und 2) sind zwei Geschwister, die den Erblasser überlebt haben. Zwei weitere Geschwister sind nach Errichtung des Testaments, aber vor dem Erbfall vorverstorben: eine Schwester im Jahr 1995 unter Hinterlassung der Beteiligten zu 3) bis 5), eine andere Schwester im Januar 2001 unter Hinterlassung der Beteiligten zu 6).
Die Beteiligten sind unterschiedlicher Auffassung darüber, ob die Abkömmlinge der zwei nach Testamentserrichtung weggefallenen Geschwister als Ersatzerben eingesetzt sind, oder ob dies nicht der Fall ist und insoweit Anwachsung eintritt. Demgemäß haben die Beteiligten zu 1) und 2) einen Erbschein beantragt, wonach sie Miterben zu je 1/2 seien, während die Beteiligten zu 3) bis 6) einen Erbschein beantragt haben, der die Beteiligten zu 1), 2) und 6) als Miterben zu je 1/4 und die Beteiligten zu 3) bis 5) als Miterben zu je 1/12 ausweisen soll.
Das Nachlassgericht kündigte mit Beschluss vom 1.7.2002 den Erlass eines Erbscheins entspr. dem Antrag der Beteiligten zu 3) bis 6) an. Die hiergegen eingelegten Beschwerden der Beteiligten zu 1) und 2) wies das LG mit Beschluss vom 31.10.2002 zurück. Daraufhin hat das AG am 9.1.2003 den Erbschein wie angekündigt erlassen und hinausgegeben. Mit Anwaltsschriftsatz vom 21.1.2003 hat der Beteiligte zu 1) weitere Beschwerde eingelegt, nunmehr mit dem Ziel, den Erbschein vom 9.1.2003 einzuziehen und das Nachlassgericht zur Erteilung eines seinem eigenen Erbscheinsantrag entsprechenden Erbscheins anzuweisen.
II. Die nicht fristgebundene und formgerecht eingelegte weitere Beschwerde ist zulässig (§ 27 Abs. 1 S. 1, § 29 Abs. 1 und 4, § 20 FGG). Zwar ist das Verfahren, das sich gegen den Vorbescheid vom 1.7.2002 richtete, durch die Erteilung des Erbscheins vom 9.1.2003 gegenstandslos geworden. Das Rechtsmittelanliegen kann aber mit dem Ziel der Einziehung des Erbscheins und der Erteilung eines dem eigenen Antrag des Rechtsmittelführers entsprechenden Erbscheins mit der weiteren Beschwerde weiterverfolgt werden (vgl. BGH v. 16.1.2002 – IV ZB 20/01, MDR 2002, 456 = BGHReport 2002, 282 = NJW 2002, 1126; BayObLG v. 2.6.1982 – BReg. 1 Z 45/81, BayObLGZ 1982, 236 [239]; BayObLG v. 11.12.1990 – BReg. 1a Z 5/89, FamRZ 1991, 618).
Das Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Das LG hat im Wesentlichen ausgeführt: In Fällen, in denen ein kinderloser Erblasser seine Geschwister als Erben eingesetzt habe und einige der Geschwister nach Testamentserrichtung und vor dem Erbfall unter Hinterlassung von Abkömmlingen gestorben seien, sei die Auslegungsregel des § 2069 BGB nicht – auch nicht entspr. – anwendbar. Es sei jedoch durch Auslegung zu ermitteln, ob in der Einsetzung des Erben zugleich die Kundgabe des Willens gesehen werden könne, dessen Abkömmlinge zu Ersatzerben zu berufen. Der Erblasser habe sich im vorliegenden Fall nicht davon leiten lassen, zu welchen seiner Geschwister er ein gutes oder weniger gutes Verhältnis gehabt habe; vielmehr habe er seine vier im Zeitpunkt der Testamentserrichtung noch lebenden Geschwister in gleicher Weise bedacht. In einem solchen Falle liege der Schluss nahe, dass die Zuwendung nicht dem im Testament Bedachten persönlich, sondern ihm als dem Ersten seines Stammes gelten solle.
Nach diesen Auslegungskriterien sei auch im vorliegenden Fall Ersatzerbfolge anzunehmen. Dem stehe nicht entgegen, dass der Erblasser die Abkömmlinge des im Krieg vermissten Bruders nicht bedacht habe. Diese seien zum Teil erheblich älter als die Beteiligten zu 3) bis 6) und hätten auch nicht (wie die Beteiligten zu 3), 5) und 6) ihren Wohnsitz in der Nähe des E...