Leitsatz (amtlich)
Wenn die Unterbringung eines Betroffenen für die gesetzlich maximal zulässige Dauer von zwei Jahren genehmigt werden soll, hat das Beschwerdegericht grundsätzlich den Betroffenen persönlich anzuhören und sich einen persönlichen Eindruck von ihm zu verschaffen. Das gilt jedenfalls dann, wenn das Erstgericht die Anhörung nicht verfahrensfehlerfrei durchgeführt hat. Will das Gericht hinsichtlich der Dauer der Unterbringung von der üblichen Regelfrist von einem Jahr abweichen, so hat es dies ausdrücklich zu begründen.
Normenkette
FGG § 69g Abs. 5 S. 3, § § 70 f. Abs. 1 Nr. 3, § 70m Abs. 3
Verfahrensgang
LG Schweinfurt (Beschluss vom 29.10.2004; Aktenzeichen 23F T 81/04) |
AG Schweinfurt (Aktenzeichen XVII 184/96) |
Tenor
I. Auf die sofortige weitere Beschwerde wird der Beschluss des LG Schweinfurt vom 29.10.2004 aufgehoben.
II. Die Sache wird zu erneuter Behandlung und Entscheidung an das LG Schweinfurt zurückverwiesen.
III. Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Betroffene steht seit Jahren wegen ihrer hochgradigen Alkoholerkrankung unter Betreuung. Sie befand sich wegen dieser Erkrankung bereits vielfach in stationärer Behandlung in einem Nervenkrankenhaus, mehrfach war sie geschlossen untergebracht. Am 13.9.2004 genehmigte das AG zunächst im Wege der einstweiligen Anordnung die vorläufige Unterbringung der Betroffenen bis längstens 21.10.2004 in einer geschlossenen Einrichtung. Gleichzeitig bestellte es der Betroffenen eine Verfahrenspflegerin. Die Unterbringung auf Dauer von zwei Jahren bis längstens 20.10.2006 genehmigte das AG nach Anhörung der Betroffenen am 21.10.2004.
Die gegen diesen Beschluss eingelegte sofortige Beschwerde der Betroffenen hat das LG am 29.10.2004 ohne nochmalige Anhörung der Betroffenen zurückgewiesen.
Hiergegen wendet sich die Betroffene mit ihrer sofortigen weiteren Beschwerde, mit der sie vor allem rügt, dass sie im Beschwerdeverfahren nicht angehört worden sei.
II. Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig, § 70m Abs. 1, § 70g Abs. 3 S. 1, § 29 Abs. 2, § 22 Abs. 1 FGG. In der Sache führt sie zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das LG, da die Entscheidung des LG an wesentlichen Verfahrensmängeln leidet und deshalb der rechtlichen Nachprüfung nicht standhält, §§ 27 Abs. 1 S. 2 FGG, § 546 ZPO. Das LG hat weder die genehmigte Höchstdauer der Unterbringung ausreichend begründet noch die Betroffene im Beschwerdeverfahren, wie dies geboten gewesen wäre, angehört und sich einen persönlichen Eindruck von ihr verschafft.
1. Das Recht auf Freiheit der Person hat unter den grundrechtlich verbürgten Rechten einen besonders hohen Rang (BVerfG v. 5.12.2001 - 2 BvR 527/99, NJW 2002, 2456 [2457]). Jede Genehmigung einer Unterbringung greift in schwerwiegender Weise in das Freiheitsrecht ein. Wird eine Unterbringung genehmigt, hat deshalb das gerichtliche Verfahren in jeder Hinsicht diese besondere Intensität des Grundrechtseingriffs zu beachten. Wird entgegen der regelmäßigen Höchstfrist von einem Jahr (§ 70 f. Abs. 1 Nr. 3 FGG) eine Unterbringung von zwei Jahren gebilligt, ist deshalb diese Abweichung ausreichend zu begründen (BayObLG v. 20.8.2001 - 3Z BR 250/01, FamRZ 2002, 629). Daran fehlt es hier. Weder aus der angegriffenen Beschwerdeentscheidung noch aus der Entscheidung des AG noch aus dem Sachverständigengutachten ergibt sich, warum für die Betroffene die Unterbringung für die gesetzlich maximal zulässige Höchstdauer erforderlich ist und nicht eine Unterbringung von zunächst einem Jahr ausreicht.
2. Im Übrigen war auch das Verfahren des Beschwerdegerichts nicht frei von Verfahrensfehlern. In Unterbringungsverfahren gelten für das Beschwerdeverfahren die Vorschriften über den ersten Rechtszug entsprechend (§ 70m Abs. 3 i.V.m. § 69g Abs. 5 S. 1 FGG). Das Beschwerdegericht hat mehrere danach gebotene Verfahrenshandlungen nicht vorgenommen.
a) Es hat entgegen der zwingenden Vorschrift des § 70d Abs. 1 S. 1 Nr. 6 FGG der zuständigen Behörde keine Gelegenheit gegeben, sich zu dem Antrag des Betreuers auf Genehmigung der Unterbringung zu äußern (BayObLGZ 2001, 219 [220]). Dies wäre erforderlich gewesen, da bereits das AG eine entsprechende Beteiligung versäumt hatte.
b) Es hätte zudem die Betroffene erneut persönlich anhören und sich einen persönlichen Eindruck von ihr verschaffen müssen, § 70m Abs. 3, § 69g Abs. 5 S. 1 und S. 3, § 70c S. 1 und S. 2 FGG.
aa) Grundsätzlich hat auch das Beschwerdegericht den Betroffenen persönlich anzuhören, § 70m Abs. 3, § 69g Abs. 5 S. 1, § 68 Abs. 1 S. 1 FGG. Hiervon darf es, abgesehen von den hier nicht gegebenen Fällen des § 68 Abs. 2 FGG, nur absehen, wenn das AG den Betroffenen persönlich angehört hat und von der erneuten persönlichen Anhörung keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind, § 69g Abs. 5 S. 3 FGG. In Unterbringungssachen ist nach h.M. und Rechtsprechung wegen der Schwere des freiheitsentziehenden Eingriffs die Wiederho...