Leitsatz (amtlich)

Kann bei einer zum Wohl des einwilligungsunfähigen Betroffenen genehmigten Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB eine notwendige Behandlung nur unter Einsatz von Zwangsmaßnahmen, z.B. einer jeweils kurzfristigen Fixierung, vorgenommen werden, sind diese genehmigungsbedürftig und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auch genehmigungsfähig nach § 1906 Abs. 4 BGB. Der Entscheidung des BGH (BGH v. 11.10.2000 - XII ZB 69/00, MDR 2001, 216 = FamRZ 2001, 149), wonach diese Vorschrift keine Rechtsgrundlage für eine ambulante Zwangsbehandlung biete, ist insoweit keine abweichende Beurteilung zu entnehmen.

 

Normenkette

BGB § 1906

 

Verfahrensgang

LG Traunstein (Beschluss vom 24.01.2005; Aktenzeichen 4 T 4667/04)

AG Traunstein (Aktenzeichen XVII 514/04)

 

Tenor

Die sofortige weitere Beschwerde gegen den Beschluss des LG Traunstein vom 24.1.2005 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Der Betroffene leidet an einer chronisch-paranoiden Schizophrenie mit stabilem Wahnsystem. Seit 17.12.2001 besteht für ihn eine Betreuung mit den Aufgabenkreisen Aufenthaltsbestimmung und Gesundheitsfürsorge. Mit Beschl. v. 12.10.2004 genehmigte das AG die vorläufige Unterbringung des Betroffenen in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses bis längstens 8.11.2004; am 4.11.2004 verlängerte es die einstweilige Genehmigung bis längstens 19.12.2004. Gegen die Verlängerung legte der Betroffene am 15.11.2004 sofortige Beschwerde ein.

Nach persönlicher Anhörung des Betroffenen im Beisein seines Betreuers und seiner Verfahrenspflegerin sowie eines sachverständigen Arztes hat das LG die sofortige Beschwerde am 8.12.2004 zurückgewiesen. Am 16.12.2004 genehmigte das AG nach Erholung eines weiteren psychiatrischen Sachverständigengutachtens und der persönlichen Anhörung des Betroffenen die Unterbringung des Betroffenen in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses bzw. der beschützenden Abteilung einer Pflegeeinrichtung sowie die zeitweise oder regelmäßige Freiheitsentziehung des Betroffenen durch Fixierung der Extremitäten bei der gleichzeitig genehmigten Zwangsmedikation bis zum 15.12.2005.

Hiergegen wandte sich der Betroffene mit seiner sofortigen Beschwerde. Das LG hat das Rechtsmittel nach schriftlicher Anhörung der von ihm bestellten Verfahrenspflegerin zum neuesten Sachverständigengutachten am 24.1.2005 zurückgewiesen.

Mit seiner sofortigen weiteren Beschwerde will der Betroffene die Aufhebung der Beschlüsse des LG und des AG erreichen.

II. Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig (§ 29 Abs. 2, § 27 Abs. 1, § 70m Abs. 1 FGG), hat aber in der Sache keinen Erfolg. Der angegriffene Beschluss des LG hält der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO) insoweit stand, als er die Genehmigung der geschlossenen Unterbringung betrifft. Soweit sich das Rechtsmittel gegen die Genehmigung der Fixierung der Extremitäten bei der gleichzeitig genehmigten Zwangsmedikation richtet, hat der Senat in der Sache entschieden.

1. Das LG hat seine Entscheidung folgendermaßen begründet:

Die Voraussetzungen für eine geschlossene Unterbringung des Betroffenen lägen vor. Es seien sowohl die Voraussetzungen des § 1906 Abs. 1 Nr. 1 als auch des § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB gegeben. Der Betroffene leide an einer chronisch-paranoiden Schizophrenie mit stabilem Wahnsystem, welche den Ausschluss der freien Willensbildung zur Folge habe. Dies ergebe sich aus wiederholt erstellten psychiatrischen Sachverständigengutachten, zuletzt einem Gutachten vom 14.12.2004. Die Gutachten seien in sich logisch, schlüssig und für die Kammer in vollem Umfang nachvollziehbar. Die Wahnvorstellungen des Betroffenen seien auch bei der Anhörung durch die beauftragte Richterin am 3.12.2004 deutlich zu Tage getreten. Der Betroffene sei gänzlich krankheitsuneinsichtig und lehne eine regelmäßige und notwendige Medikation ab. Außerhalb einer geschlossenen Unterbringung würde er die notwendigen Medikamente nicht einnehmen. Jeder Versuch, die Medikation zu reduzieren, habe eine Zunahme der Wahnvorstellungen bewirkt. Der dann bestehende Zwang zu rituellen Handlungen habe bereits in der Vergangenheit zu gefährlichen Handlungen des Betroffenen geführt, mit welchen nach Ansicht des Sachverständigen auch in Zukunft mit hoher Wahrscheinlichkeit zu rechnen sei. So habe der Betroffene den Parkettboden seiner Wohnung mit glühenden Zigarettenkippen belegt und seine Jacke in einem Backofen verbrannt. Es bestehe daher die konkrete Gefahr, dass sich der Betroffene durch derartige Zwangshandlungen erheblich selbst gefährde, etwa durch Auslösen eines Wohnungsbrandes.

Doch sei die geschlossene Unterbringung auch unter dem Gesichtspunkt einer notwendigen Heilbehandlung erforderlich. Die chronisch-paranoide Schizophrenie würde sich ohne neuroleptische Behandlung verschlimmern und häufigere Schübe auslösen. Mit jedem erlittenen Schub werde die Krankheit aber schwieriger behandelbar und es entwickele sich ein immer stärkeres Residuum mit der Gefahr eine...

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