Leitsatz (amtlich)
1. Zur Feststellung, für den Betreuten bestehe aufgrund seiner Krankheit die Gefahr, dass er sich selbst tötet oder erheblichen gesundheitlichen Schaden zufügt, genügt nicht die Behauptung einer ohne die Unterbringung bzw. Heilbehandlung bestehenden Eigen- bzw. Selbstgefährdung. Gutachten und gerichtliche Entscheidungen müssen konkrete Tatsachen benennen, aus denen sich Art und Umfang sowie die Wahrscheinlichkeit der gesundheitlichen Selbstschädigung ergeben.
2. Auch im Fall eines wiederholt untergebrachten Betroffenen darf sich die Begründung nicht auf formelhafte Wendungen beschränken, sondern muss die Tatbestandsvoraussetzungen im jeweiligen Einzelfall durch die Angabe von Tatsachen konkret nachvollziehbar machen.
Normenkette
BGB § 1906; FGG §§ 12, 68b
Verfahrensgang
LG Schweinfurt (Beschluss vom 27.06.2005; Aktenzeichen 43F T 62/05) |
AG Schweinfurt (Beschluss vom 09.06.2005; Aktenzeichen XVII 439/01) |
Tenor
Es wird festgestellt, dass der Beschluss des LG Schweinfurt vom 27.6.2005 und der Beschluss des AG Schweinfurt vom 9.6.2005, in dem die vorläufige Unterbringung der Betroffenen in einer geschlossenen Einrichtung bis längstens 20.7.2005 angeordnet wurde, rechtswidrig sind.
Gründe
I. Für die Betroffene, die seit ihrem 18. Lebensjahr unter einer bipolaren affektiven Störung leidet, sind der Beteiligte zu 1), ihr Vater, als Betreuer mit den Aufgabenkreisen Vertretung ggü. Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern sowie Vermögenssorge mit Einwilligungsvorbehalt und die Beteiligte zu 2) als Betreuerin mit den Aufgabenkreisen Gesundheitsfürsorge und Aufenthaltsbestimmung bestellt.
Am 2.6.2005 fand die Betroffene freiwillige Aufnahme in der geschlossenen Station des Bezirkskrankenhauses, wo sie allerdings nicht zur Einnahme der von den Ärzten zur Behandlung ihrer manischen Episode mit psychotischen Symptomen für erforderlich gehaltenen Medikation bereit war. Mit Schreiben vom 6.6.2005 - eingegangen am 8.6.2005 - beantragten die Betreuer die Zwangsmedikation und Unterbringung der Betroffenen. Am 7.6.2005 nahm das Bezirkskrankenhaus zur gesundheitlichen Situation der Betroffenen bei fortbestehender hochgradiger Manie und anhaltender Therapieverweigerung Stellung und regte ebenfalls die Zwangsmedikation und Unterbringung an.
Nach Anhörung der Betroffenen ordnete das AG mit sofort wirksamem Beschl. v. 9.6.2005 die vorläufige Unterbringung an und genehmigte die notwendige Fixierung und Behandlung mit den medizinisch erforderlichen Medikamenten auch gegen den Willen der Betroffenen. Die Entscheidung stützte sich auf § 70h FGG i.V.m. § 1846, § 1906 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BGB.
Die gegen diesen Beschluss eingelegte sofortige Beschwerde der Betroffenen vom 17.6.2005 wies das LG mit Beschl. v. 27.6.2005 zurück, nachdem es durch den beauftragten Richter in Anwesenheit des Verfahrenspflegers die Betroffene angehört und die Stellungnahme des behandelnden Arztes aufgenommen hatte.
Hiergegen richtet sich die namens der Betroffenen durch den Verfahrenspfleger unter dem 11.7.2005 eingelegte sofortige weitere Beschwerde, mit der er nach Verlegung der Betroffenen auf die offene Station und entsprechendem Hinweis des Senats die Feststellung begehrt, dass der Beschluss des LG Schweinfurt vom 27.6.2005 und der Beschluss des AG Schweinfurt vom 9.6.2005, in dem die vorläufige Unterbringung der Betroffenen in einer geschlossenen Einrichtung bis längstens zum 20.7.2005 angeordnet wurde, rechtswidrig gewesen seien.
II. Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache Erfolg.
1. Die sofortige weitere Beschwerde ist gem. § 29 Abs. 2, § 70m Abs. 1, § 70g Abs. 3, § 22 Abs. 1 FGG form- und fristgerecht eingelegt. Sie ist auch mit dem Ziel zulässig, die Rechtswidrigkeit der Unterbringung festzustellen. Zwar hat sich nach Einlegung der sofortigen weiteren Beschwerde die Hauptsache dadurch erledigt, dass die Betroffene zunächst auf die offene Station verlegt und später ganz aus dem Bezirkskrankenhaus entlassen worden ist. Dennoch fehlt der sofortigen Beschwerde nicht das Rechtsschutzbedürfnis (BayObLGZ 2002, 304 [306]). Die in Art. 19 Abs. 4 GG verbürgte Effektivität des Rechtsschutzes gebietet es, in den Fällen, in denen der durch die geschlossene Unterbringung bewirkte tief greifende Eingriff in das Grundrecht der Freiheit beendet ist, die Schutzwürdigkeit des Interesses des Betroffenen an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Grundrechtseingriffs zu bejahen (BVerfG v. 5.12.2001 - 2 BvR 527/99, 2 BvR 1337/00, 2 BvR 1777/00, BVerfGE 104, 220 [232 f.] = NJW 2002, 2456; BayObLG, Beschl. v. 14.10.2002 - 3Z BR 149/02, m.w.N.; OLG München v. 11.5.2005 - 33 Wx 045/05, OLGReport München 2005, 481; Demharter, FGPrax 2002, 137 [138]).
Gegenstand der Rechtswidrigkeitsfeststellung durch den Senat ist sowohl die ursprüngliche Genehmigung der Unterbringung durch das AG als auch die Frage, ob das LG zu Recht die Fortdauer der Unterbringung bestätigt hat.
Der Betroffene legt durch seinen Antrag fest, in welchem Umfang er die Rechtswidrig...