Leitsatz (amtlich)
1. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 70h FGG setzt eine durch konkrete Tatsachen begründete Gefahr für den Betroffenen selbst voraus, deren Abwendung keinen Aufschub duldet.
2. Die Unterbringung des Betroffenen nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB ist nur dann durch die Gerichte zu genehmigen, wenn der dem Betroffenen drohende Gesundheitsschaden so gewichtig ist, dass er den mit der beabsichtigten Unterbringungsmaßnahme verbundenen Freiheitseingriff zu rechtfertigen vermag.
Normenkette
BGB § 1906 Abs. 1; FGG § 70h
Verfahrensgang
LG Bremen (Beschluss vom 15.08.2006) |
Tenor
I. Es wird festgestellt, dass die Genehmigung der vorläufigen Unterbringung des Betroffenen für die Zeit ab dem Beschluss des LG Bremen vom 15.8.2006 rechtswidrig war.
II. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen werden der Staatskasse auferlegt.
III. Der Geschäftswert für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
Gründe
Der Betroffene wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die (erste) gerichtliche Genehmigung seiner Unterbringung.
Mit Beschluss vom 27.7.2006 bestellte das Vormundschaftsgericht dem Betroffenen im Wege einer einstweiligen Anordnung einen vorläufigen Betreuer u.a. für die Aufgabenkreise "Sorge für die Gesundheit" und Aufenthaltsbestimmung. Zur Begründung führte es aus, der Betroffene leide ausweislich des ärztlichen Zeugnisses der Mitarbeiter des Klinikums Bremen-Ost vom 18.7.2006 (Bl. 1 ff. d.A.) an einer akuten Psychose unklarer Genese. Es bestehe auch Gefahr für den Betroffenen, weil abgeklärt werden müsse, ob eine "organisch begründete Psychose (Gehirntumor o.ä.)" vorliege.
Mit Beschluss vom 31.7.2006 hat das Vormundschaftsgericht die Unterbringung des Betroffenen in einer geschlossenen Einrichtung (Klinikum Bremen-Ost) bis längstens 25.8.2006 auf Antrag des vorläufigen Betreuers nach Anhörung des Betroffenen (Bl. 3 Beiheft) genehmigt. Zugleich hat es dem Betroffenen einen Verfahrenspfleger bestellt. Ergänzend zu dem bereits vorhandenen ärztlichen Zeugnis hat das Gericht eine weitere ärztliche Stellungnahme der Mitarbeiter des Klinikums Bremen-Ost vom 28.7.2006 herangezogen (Bl. 2 Bh). Zur Begründung des Unterbringungsbeschlusses hat das Vormundschaftsgericht unter Bezugnahme auf die vorgenannten ärztlichen Stellungnahmen ausgeführt, es bestehe die Gefahr, dass der Betroffene sich erheblichen gesundheitlichen Schaden zufüge. Zu seinem Wohl sei es notwendig, eine gründliche Diagnostik durchzuführen, um ihn dann adäquat behandeln zu können. Diese Maßnahme könne ohne Unterbringung nicht durchgeführt werden. Der Betroffene könne die Notwendigkeit der Maßnahme nicht erkennen beziehungsweise nicht einsichtsgemäß handeln.
Auf die hiergegen durch den Verfahrenspfleger des Betroffenen eingelegte sofortige Beschwerde hat das LG eine weitere ärztliche Stellungnahme vom 14.8.2006 eingeholt. In ihr haben die Mitarbeiter des Klinikums Bremen-Ost u.a. ausgeführt, der Betroffene leide an einer paranoiden Symptomatik im Rahmen einer vermutlich chronifizierten Psychoseerkrankung (vgl. Bl. 23 f. Bh). Im Vordergrund der Symptomatik stünden paranoide Befürchtungen, vergiftet worden zu sein. Der Betroffene sei unkooperativ hinsichtlich einer neuroleptischen oder sonstigen Medikation, offenbar auch aufgrund der Vergiftungsängste. Ohne Unterbringung würde der Betroffene die Station wieder verlassen, weil er keinerlei Krankheitseinsicht habe. Zumindest ein Therapieversuch mit einem Neuroleptikum solle aufgrund der Erkrankung notfalls gegen den Willen des Betroffenen erfolgen. Inwieweit eine neuroleptische Medikation zu einer Besserung der Symptomatik führen werde, könne nicht beurteilt werden, da es Hinweise für eine seit vielen Jahren (mindestens 5) chronifizierte Psychose gebe. Inwieweit bei dem Betroffenen mit einer Fremdgefährdung zu rechnen sei, "können wir mangels weiterer Informationen auch noch nicht abschließend beurteilen" (Bl. 24 Bh). Anhand der vorliegenden Informationen müsse zumindest von einer möglichen Eigen- und Fremdgefährdung ausgegangen werden.
Das LG hat die Beschwerde ohne erneute Anhörung des Betroffenen mit Beschluss vom 15.8.2006 zurückgewiesen (Bl. 25 ff. Bh). Zur Begründung hat es im Wesentlichen auf die vorgenannte ärztliche Stellungnahme verwiesen. Danach lägen die Voraussetzungen des § 1906 Abs. 1 BGB vor.
Hiergegen hat der Betroffene, nunmehr durch einen von ihm beauftragten Rechtsanwalt, weitere Beschwerde einlegen lassen (Bl. 55 Bh). In ihrer Begründung heißt es, eine Exploration habe bisher nicht stattgefunden; eine Diagnose sei nicht gestellt worden. Bei dem 70-jährigen, an Herzproblemen leidenden Betroffenen handele es sich um einen Risikopatienten. Durch die Verabreichung der Zwangsmedikation habe er bereits eine toxische Schädigung erlitten. Der Verfahrensbevollmächtigte des Betroffenen hat zudem beantragt, die Rechtswidrigkeit der mit dem Beschluss des Vormundschaftsgerichts vom 31.7.2006 "angeordneten" Unterbring...