Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundbucheinsicht
Leitsatz (amtlich)
Zu der Bestimmung des Vorliegens eines berechtigten Interesses, wenn Einsicht in das Grundbuch und damit den Grundakten begehrt wird.
Normenkette
GBO § 12 Abs. 1; GBV § 46 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Aschaffenburg (Beschluss vom 10.11.1997; Aktenzeichen 5 T 87/97) |
AG Aschaffenburg |
Tenor
Die weitere Beschwerde des Beteiligten gegen den Beschluß des Landgerichts Aschaffenburg vom 10. November 1997 wird zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
Der Beteiligte begehrt Einsicht in Grundakten, insbesondere in einen Übergabevertrag, in dem seine Eltern ihren Grundbesitz auf den Bruder des Beteiligten übertragen haben. Er trägt vor, daß er die im Zusammenhang mit der Übergabe im einzelnen getroffenen Vereinbarungen wissen wolle; sein rechtliches Interesse daran ergebe sich aus etwaigen Pflichtteilsergänzungsansprüchen und der Möglichkeit, daß durch die Übertragung sein Pflichtteilsrecht ausgehöhlt, ihm im Ergebnis damit jegliches Erbrecht entzogen werde. Von der Kenntnis der Einzelheiten könne auch sein zukünftiges Verhalten gegenüber seinen Eltern und seinem Bruder abhängen.
Das Grundbuchamt – Beamter des gehobenen Dienstes – hat den Antrag mit Beschluß vom 27.3.1997 zurückgewiesen. Auf die „Beschwerde” des Beteiligten, der der „Rechtspfleger” nicht abgeholfen hat, hat auch der Grundbuchrichter den Antrag auf Gewährung von Einsicht mit Beschluß vom 18.4.1997 abgelehnt. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Beteiligten hat das Landgericht mit Beschluß vom 10.11.1997 zurückgewiesen. Der Beteiligte hat weitere Beschwerde eingelegt.
Entscheidungsgründe
II.
Das zulässige Rechtsmittel ist nicht begründet.
1. Das Landgericht hat ausgeführt: Die Einsicht des Grundbuchs und damit der Grundakten sei gemäß § 12 GBO jedermann gestattet, der ein berechtigtes Interesse darlege. Das Amtsgericht sei in richtiger Abwägung der beiderseitigen Interessenlage zu dem Ergebnis gelangt, daß dem Antragsteller ein berechtigtes Interesse fehle. Die von ihm geltendgemachte theoretische Möglichkeit der Beeinträchtigung seines Pflichtteilsrechts könne das Begehren derzeit nicht rechtfertigen. Denn andernfalls werde das Grundbuch von Eltern für deren Kinder öffentlich und jederzeit zugänglich. Etwaige Pflichtteilsergänzungsansprüche könnten jedenfalls zu Lebzeiten der Eltern nicht entstehen und seien vor Eintritt des Erbfalles in keiner Weise sicherbar. Wegen des ungewissen künftigen Pflichtteilsanspruchs allein bestehe kein berechtigtes Einsichtsinteresse. Hierbei sei auch zu bedenken, daß im Erbfall der Pflichtteilsberechtigte von den Erben entsprechende Auskünfte verlangen und gerichtlich durchsetzen könne. Auch die Zehnjahresfrist des § 2325 Abs. 3 BGB könne zu keiner anderen Beurteilung führen. Der Antragsteller habe nicht dargelegt, daß ihm gegen den Grundstückseigentümer ein Anspruch zustehen könne, dessen Durchsetzung die Kenntnis vom Inhalt des Grundbuchs voraussetze. Soweit der Beteiligte sein Rechtsmittel darauf stütze, er wolle durch die Grundbucheinsicht Entscheidungsgrundlagen dafür erhalten, ob er seinerseits den Erblasser enterbe, ob er den Kontakt zu ihm beende oder durch Wohlverhalten eine Änderung zu erreichen versuche, seien diese Überlegungen nicht geeignet, ein rechtliches Interesse auf Einsicht in das Grundbuch zu begründen.
2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
a) Das Landgericht hat über die Beschwerde gegen den Beschluß des Amtsrichters vom 18.4.1997 entschieden, der seinerseits den Antrag des Beteiligten auf die Gewährung von Einsicht abgelehnt hat. Das Verfahren von Landgericht und Grundbuchrichter entspricht der Bestimmung von § 12c Abs. 4 GBO. Hier ist unklar, ob der Beamte des gehobenen Dienstes als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle, der gemäß § 12c Abs. 1 Nr. 1 GBO für die Entscheidung über die Einsichtgewährung zuständig ist, oder als Rechtspfleger entschieden hat. Aber auch wenn man von letzterem ausgeht und mit der Rechtsprechung des Senats annimmt, daß dann gegen die Entscheidung des Rechtspflegers die Durchgriffserinnerung des § 11 Abs. 2 RPflG statthaft gewesen wäre (vgl. BayObLG FGPrax 1997, 13 auch mit Nachweisen für die entgegengesetzte Meinung), leidet die Entscheidung des Landgerichts nicht an einem Rechtsfehler, der zu ihrer Aufhebung zwänge. Das Landgericht hätte dann zwar über das Rechtsmittel des Beteiligten gegen den Beschluß des Grundbuchrechtspflegers vom 27.3.1997 entscheiden müssen und der Entscheidung des Grundbuchrichters würde die Rechtsgrundlage fehlen; es ist aber ausgeschlossen, daß die Entscheidung des Landgerichts dann anders ausgefallen wäre (vgl. auch OLG Frankfurt FGPrax 1997, 84 f.).
b) (1) Gemäß § 12 Abs. 1 GBO i.V.m. § 46 Abs. 1 der Grundbuchverfügung (GBV) ist die Einsicht der Grundakten jedem gestattet, der ein berechtigtes Interesse daran darlegt. Das berechtigte Interesse ist umfassender als das rechtliche Interesse; es setzt anders als dieses (vgl. z.B. § 256 Abs. 1 ZPO) nicht voraus, daß schon e...