Entscheidungsstichwort (Thema)
Testamentsauslegung
Leitsatz (redaktionell)
Ob zwischen Verfügungen von Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament der in § 2270 BGB bezeichnete Zusammenhang der Wechselbezüglichkeit besteht, ist – sofern dies nicht eindeutig ist – nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen (§ 133, § 2084 BGB) zu entscheiden. Die Auslegung selbst – auch hinsichtlich der Wechselbezüglichkeit ist grundsätzlich Sache des Tatrichters.
Normenkette
BGB §§ 133, 2084
Verfahrensgang
LG Traunstein (Beschluss vom 14.07.1998; Aktenzeichen 4 T 554/98) |
AG Traunstein (Aktenzeichen 7 VI 1230/97) |
Tenor
Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2 und 3 gegen den Beschluß des Landgerichts Traunstein vom 14. Juli 1998 wird zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
Die im Alter von 88 Jahren kinderlos verstorbene Erblasserin war in zweiter Ehe mit H. verheiratet. Dieser brachte zwei Kinder in die Ehe mit, den 1933 geborenen Klaus und die 1937 geborene Beteiligte zu 1. Klaus verstarb 1986 und hinterließ den Beteiligten zu 2 und die Beteiligte zu 3.
Die Erblasserin und ihr Ehemann errichteten am 24.6.1960 vor dem Notar ein gemeinschaftliches Testament mit folgendem Wortlaut:
§ 1
Wir setzen uns gegenseitig zu Alleinerben ein. Nach dem Tode des zuletzt Versterbenden soll der beiderseitige Nachlass an die Kinder Klaus und … (= Beteiligte zu 1) zu gleichen Teilen fallen.
§ 2
Wenn eines dieser Kinder nach dem Tode des Vaters den Pflichtteil fordern sollte, so soll gelten:
Das Kind, das den Pflichtteil nicht verlangt, soll den restlichen Erbanteil des anderen Kindes erhalten.
Das Kind, das den Pflichtteil verlangt, soll auch vom Nachlass des Überlebenden nur den Pflichtteil erhalten.
Über das hierdurch frei werdende Vermögen darf der Überlebende frei von Todes wegen verfügen.
Den Wert des reinen Vermögens geben die Erschienenen mit 30.000,– DM an.
Der Ehemann der Erblasserin verstarb am 26.3.1961. Am 14.11.1961 erteilte das Nachlaßgericht der Erblasserin einen Erbschein, der sie als Alleinerbin auswies.
Am 7.4.1991 verfaßte die Erblasserin eigenhändig folgende Verfügung:
7.4.1991
Mein Testament!
Hiermit setze ich meine Stieftochter … (= Beteiligte zu 1) zur Alleinerbin ein.
Nach dem Tod der Erblasserin am 16.11.1997 hat die Beteiligte zu 1 unter bezug auf das Testament vom 7.4.1991 Antrag auf Erteilung eines Alleinerbscheins gestellt. Mit Beschluß vom 15.1.1998 hat das Nachlaßgericht die Beteiligten darauf hingewiesen, daß es auf der Grundlage des gemeinschaftlichen Testaments vom 26.4.1960 davon ausgeht, daß die Beteiligte zu 1 Erbin zu 1/2 und die Beteiligten zu 2 und 3 Erben zu je 1/4 geworden sind. Es hat seine Auffassung damit begründet, daß in Anwendung der Auslegungsregel des § 2069 BGB die Beteiligten zu 2 und 3 als Abkömmlinge an die Stelle des als anteiligen Schlußerben vorgesehenen vorverstorbenen Klaus getreten seien. Mit Beschluß vom 3.2.1998 hat das Nachlaßgericht einen Erbschein erteilt, nach dem die Erblasserin von der Beteiligten zu 1 zu 1/2 und von den Beteiligten zu 2 und 3 zu je 1/4 beerbt worden ist.
Gegen den Beschluß vom 15.1.1998 hat die Beteiligte zu 1 Beschwerde eingelegt, der das Nachlaßgericht nicht abgeholfen hat.
Mit Beschluß vom 14.7.1998 hat das Landgericht das Nachlaßgericht angewiesen, den Erbschein vom 3.2.1998 als unrichtig einzuziehen und der Beteiligten zu 1 auf ihren Antrag vom 16.12.1997 einen Erbschein des Inhalts zu erteilen, daß die Erblasserin von ihr allein beerbt worden ist. Das Nachlaßgericht hat daraufhin mit Beschluß vom 24.7.1998 den Erbschein vom 3.2.1998 eingezogen und mit Beschluß vom 23.7.1998 der Beteiligten zu 1 einen Erbschein als Alleinerbin der Erblasserin erteilt. Gegen die Entscheidung des Landgerichts haben die Beteiligten zu 2 und 3 mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 31.7.1998 weitere Beschwerde einlegen lassen. Sie sind der Auffassung, der Erbschein vom 3.2.1998 habe die Erbrechtslage zutreffend wiedergegeben. Der Nachlaß besteht aus Geldvermögen von DM 16.900,–.
Entscheidungsgründe
II.
Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2 und 3 ist zulässig (§ 27 FGG); sie ist insbesondere in der erforderlichen Form eingelegt worden (§ 29 Abs. 1 Satz 2 FGG). Die Beschwerdeberechtigung der Beteiligten zu 2 und 3 folgt aus § 20 Abs. 1 FGG, weil das ihnen vom Nachlaßgericht zugesprochene Miterbenrecht durch die Entscheidung des Landgerichts zugunsten der Beteiligten zu 1 verneint worden ist. Ihre Beschwerdeberechtigung ist auch nicht nach § 20 Abs. 2 FGG ausgeschlossen, obwohl sie bislang noch keinen Erbscheinsantrag gestellt haben. Da die ihnen vom Nachlaßgericht – auch ohne Antragstellung – eingeräumte Miterbenstellung durch die Entscheidung des Landgerichts beseitigt worden ist, sind sie beschwert, zumal sie den entsprechenden Erbscheinsantrag noch im Zeitpunkt ihres Rechtsmittels hätten stellen können (vgl. BGH NJW 1993, 662; BayObLG NJW-RR 1992, 150). Das auf Aufhebung der landgerichtlichen Entscheidung gerichtete Rechtsmittel ist, nachdem inzwischen der Beteiligten zu 1 ein Alleinerb...