Entscheidungsstichwort (Thema)
Nacherbfolge
Leitsatz (redaktionell)
Zum Eintritt eines Nacherbfalles, der an eine aufschiebende Bedingung anknüpft.
Normenkette
BGB § 2100
Verfahrensgang
LG Kempten (Beschluss vom 12.10.1990; Aktenzeichen 4 T 1224/90) |
AG Kaufbeuren (Beschluss vom 17.05.1990) |
Tenor
I. Auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2 werden der Beschluß des Landgerichts Kempten vom 12. Oktober 1990 und der Beschluß des Amtsgerichts Kaufbeuren Zweigstelle Füssen vom 17. Mai 1990 aufgehoben.
II. Im übrigen wird die weitere Beschwerde zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
Der Erblasser ist … 1960 im Alter von 85 Jahren verstorben. Sein Nachlaß bestand aus mehreren bebauten und unbebauten Grundstücken, Geldvermögen in Höhe von insgesamt 34.559 DM sowie Anteilen an der … KG im Wert von 145.268 DM und an der … GmbH im Wert von 57.200 DM. Der Erblasser war verwitwet und hinterließ zwei Söhne, B. (verstorben … 1989) und W. (Beteiligter zu 2). Ein dritter Sohn war ohne Abkömmlinge vor verstorben. Im Zeitpunkt des Erbfalls war der im Jahr 1902 geborene Sohn B. mit der gleichaltrigen K. – kinderlos verheiratet. Aus der Ehe des Sohnes W. (Beteiligter zu 2) mit E. waren der im Jahr 1938 geborene Sohn A. und die 1940 geborene Tochter C. hervorgegangen.
Der Erblasser hat ein Testament vom 28.9.1955 mit Nachträgen vom 8.10.1955, 1.11.1956, 3.8.1958 und 24.7.1959 jeweils eigenhändig geschrieben und unterschrieben. Es lautet auszugsweise:
28. IX. 1955
Mein Testament.
Ich bestimme meine Söhne B. und W. zu Erben meines privaten Vermögens und meiner Anteile an siehe Nachtrag 4 der „… K.G.” und zum Teil der „… G.m.b.H.” zu gleichen Teilen. Dieser Nachlaß soll Bestandteil dieser Gesellschaften werden, so er nicht bereits diesen gehört. Möbel, Kleider und dergleichen sollen beide Söhne unter sich aufteilen. Wie bisher soll B. dem Baugeschäft u. W. dem Sägewerk vorstehen und B. durch Werbung tatkräftig unterstützen. … B. hat im Baugeschäft die meiste Arbeit. W. hat für 2 Kinder zu sorgen. Deshalb soll jeder in gleicher Weise bedacht werden und gleichen Anteil am Gewinn und Verlust haben. Die Entnahmen beider Erben haben daher annähernd gleichzeitig und in gleicher Höhe zu erfolgen.
Wenn mein Sohn B. vor seiner Frau sterben sollte, geht sein Anteil aus meinem Nachlaß auf seinen Bruder W. oder dessen Erben über, Frau K. soll in diesem Fall von meinen Sohn W. oder dessen Erben längstens auf die Dauer ihres Witwenstandes eine lebenslängliche Rente erhalten …
Wenn W. vor B. sterben sollte, tritt die gesetzliche Erbfolge ein mit der Einschränkung, dass mein privater Nachlass entweder mein Enkel R. erhält, wenn er die erforderlichen theoretischen u. praktischen Kenntnisse sich angeeignet und das Zeug u. Lust und Liebe hat, um den Betrieb des Baugeschäfts und des Sägwerks oder eines von beiden selbständig zu leiten.
oder meine Enkelin C. erhält, wenn sie einen Fachmann mit diesen Eigenschaften heiraten sollte und R. für das Geschäft sich nicht eignet.
Wenn auch C. diese Voraussetzung nicht erfüllen kann, erbt mein Sohn B. meinen privaten Anteil. Meine Schwiegertochter E. erhält in diesem Falle die gleiche Rente und zu gleichen Bedingungen wie oben für meine Schwiegertochter
K. vorgesehen.
…”
Die als „1. Fortsetzung”, „2. Fortsetzung” und „3. Fortsetzung” bezeichneten Testamentsnachträge enthalten im wesentlichen Vermächtnisse, Teilungsanordnungen und die Ernennung eines Testamentsvollstreckers; der 4. Nachtrag vom 24.7.1959 lautet:
„Die Geschäftsanteile an der … G.m.b.H. (Gewinn und Verlust) sollen wie folgt verteilt werden
B. |
40 % |
W.”. |
40 % |
Frl. F. |
20 %” |
Das Nachlaßgericht erteilte am 8.2.1960 einen Erbschein, wonach der Erblasser von seinen Söhnen B. und W. je zur Hälfte beerbt worden und Nacherbfolge angeordnet sei. B., dessen Ehefrau K. im Jahr 1966 verstarb, schloß 1967 eine zweite Ehe mit Z. (Beteiligte zu 1), aus der die 1969 geborene Tochter H. hervorgegangen ist. B. verstarb … 1989 und wurde auf Grund letztwilliger Verfügung von seiner Ehefrau, der Beteiligten zu 1, als befreiter Vorerbin allein beerbt; für den Fall ihrer Wiederverheiratung ist die Tochter H. zur Nacherbin eingesetzt.
Nach dem Tod des B. zog das Nachlaßgericht den Erbschein vom 8.2.1960 als unrichtig ein. Die Beteiligte zu 1 beantragte die Erteilung eines neuen Erbscheins, wonach der Erblasser von seinen Söhnen B. und W. je zur Hälfte uneingeschränkt beerbt worden sei. Sie vertrat die Ansicht, die vom Erblasser angeordnete Nacherbfolge sei hinsichtlich ihres Ehemannes B. entfallen, weil er die im Testament seines Vaters ausgedrücklich genannte Ehefrau K. überlebt habe, hinsichtlich des W., weil sein Bruder B. vor ihm verstorben sei. Der Beteiligte zu 2 trat diesem Erbscheinsantrag entgegen und beantragte seinerseits die Erteilung eines Erbscheins, wonach er mit dem Tod seines Bruders B. Nacherbe von dessen Hälfteanteil am Nachlaß des Erblassers sowie Vollerbe der ihm zugewendeten anderen Hälfte geworden sei. Er meinte, die vom Erblasser angeordnete Nacherbfolge habe nicht nur für...