Entscheidungsstichwort (Thema)
Testamentsauslegung
Leitsatz (redaktionell)
Zur Auslegung einer letztwilligen Verfügung, wenn der Erblasser im Testament Durchstreichungen vorgenommen hat.
Normenkette
BGB §§ 133, 2104, 2255, 2363 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Augsburg (Beschluss vom 19.12.1989; Aktenzeichen 5 T 2135/89) |
AG Augsburg (Aktenzeichen VI 305/55) |
Tenor
I. Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 3 gegen den Beschluß des Landgerichts Augsburg vom 19. Dezember 1989 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligte zu 3 hat die den Beteiligten zu 1 und 2 im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.
III. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 10.000 DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
Der Erblasser ist … 1955 im Alter von fast 73 Jahren verstorben. Weder aus der Ehe mit seiner am 19.1.1950 verstorbenen ersten Ehefrau noch aus der am 7.7.1950 geschlossenen Ehe mit der im Jahr 1902 geborenen Beteiligten zu 3 sind Kinder hervorgegangen. Die Eltern des Erblassers sowie eine Schwester sind vor ihm, seine beiden anderen Schwestern nach ihm verstorben. Die Beteiligten zu 1 und 2 sind die Enkel seiner älteren Schwester. Der Nachlaß besteht im wesentlichen aus einem Wohnhaus sowie aus mehreren Grundstücken. Das Nachlaßgericht hat seiner Kostenrechnung für die Erbscheinserteilung einen Reinnachlaß von rund 50.000 DM zugrunde gelegt.
Durch notarielles Testament vom 13.4.1950 hatte der Erblasser einen Neffen seiner kurz vorher verstorbenen ersten Ehefrau als Alleinerben und dessen jüngeren Bruder als Ersatzerben eingesetzt. Am 19.9.1950, also bald nach seiner zweiten Eheschließung, hat er ein privatschriftliches Testament errichtet, in dem folgendes bestimmt ist:
…
I.
Ich habe am 13.4.1950 zu Urkunde des Notars … ein Testament errichtet, das ich hiermit wegen veränderter Verhältnisse in vollem Umfange wieder aufhebe.
II.
Ich setze nunmehr zu meiner alleinigen Erbin meine jetzige Ehefrau … ein.
III.
Sollten aus meiner jetzigen Ehe keine Kinder mehr hervorgehen, so ordne ich hiermit Nacherbfolge an. Nacherbfall ist der Tod meiner jetzigen Ehefrau … Die Vorerbin, meine jetzige Ehefrau …, soll von allen Beschränkungen und Verpflichtungen, von denen ein Vorerbe nach § 2136 des bürgerlichen Gesetzbuches befreit werden kann, befreit sein.
Die folgenden Bestimmungen sind durchgestrichen. Sie lauten auszugsweise:
Nacherbe soll …, Bauerssohn in …, sein.
Wird der Nacherbe …, Bauerssohn in …, aus irgendeinem Rechtsgrunde Alleineigentümer des Anwesens, das bis heute seinen Eltern … gehört, so wird mit dem Zeitpunkt des Übergangs des Anwesens auf … Nacherbe sein Bruder …, Bauerssohn in …
IV.
Die Vorerbin hat keinerlei Vermächtnisse zu leisten. Pflichtteilsberechtigte Personen sind nicht mehr vorhanden.
V.
Der zum Zuge kommende Nacherbe hat folgende Vermächtnisse zu leisten:
- an meine Schwester … (Großmutter der Beteiligten zu 1 und 2) … ein Viertel des Wertes des amtlich geschätzten reinen Nachlaßvermögens, das dem Nacherben noch zufällt, ersatzweise … (Vater der Beteiligten zu 1 und 2) …, ersatzweise wieder an dessen Abkömmlinge nach gleichen Stammteilen.
- an die Geschwister meiner jetzigen Ehefrau ersatzweise deren Abkömmlinge ein Viertel des Wertes des amtlich geschätzten reinen Nachlaßvermögens, das dem Nacherben zufällt, nach gleichen Stammteilen.
VI.
…
Das notarielle Testament vom 13.4.1950 wurde dem Erblasser am 7.2.1955 aus der amtlichen Verwahrung zurückgegeben. Mit notariellem Vertrag vom 9.2.1955 übergab er sein landwirtschaftliches Anwesen samt mehreren Grundstücken an ein Landwirtsehepaar. In diesem Vertrag waren „Austragsleistungen” zugunsten der Beteiligten zu 3 vereinbart.
Das Nachlaßgericht bewilligte am 21.2.1956 einen Erbschein, in dem bezeugt wurde, daß der Erblasser aufgrund Testaments vom 19.9.1950 von seiner Ehefrau, der Beteiligten zu 3, allein beerbt worden sei. Im Erbschein ist ferner ausgeführt:
Der Erblasser hat eine Nacherbfolge angeordnet.
Nacherben sind:
- …(Schwester des Erblassers)….
- … (Schwester des Erblassers und Großmutter der Beteiligten zu 1 und 2) … Nacherbfolge tritt mit dem Tode des Vorerben ein.
- Die Vorerbin ist zur freien Verfügung über den Nachlaß berechtigt.
Nacherbfolge tritt mit dem Tode des Vorerben ein.
Die Vorerbin ist zur freien Verfügung über den Nachlaß berechtigt.
Nach dem Tod der beiden als Nacherbinnen aufgeführten Schwestern des Erblassers beantragte die Beteiligte zu 3 zu notarieller Urkunde vom 19.4.1988, den Erbschein vom 21.2.1956 einzuziehen und einen neuen Erbschein zu erteilen, demzufolge der Erblasser von ihr allein beerbt worden sei. Zur Begründung führte sie aus, der Erbschein sei unrichtig, weil der Erblasser durch die teilweisen Streichungen im Testament vom 19.9.1950 die angeordnete Nacherbfolge habe beseitigen wollen. Das Nachlaßgericht zog am 29.9.1988 den Erbschein ein und kündigte durch Beschluß vom 31.3.1989 die Erteilung des von der Beteiligten zu 3 beantragten Erbscheins an, sofern gegen die Entscheidung nicht Beschwerde eingelegt werde. Zur Begründung f...